Der übliche Lohn in der Branche ist mehr als doppelt so hoch

Leipzig. Ein Stundenlohn von sechs Euro brutto für eine Fachverkäuferin im Einzelhandel ist nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig sittenwidrig. Das Gericht gab mit dieser Begründung der Klage einer Verkäuferin statt, die einen Stundenlohn von 8,50 Euro verlangt hatte. Dies seien zwei Drittel des in Sachsen für vergleichbare Fälle geltenden Tariflohns von 12,34 Euro pro Stunde, erklärte das Gericht gestern (Az.: 2 Ca 2788/09).

Die Klägerin ist gelernte Fachverkäuferin und bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber, der bundesweit in 66 Filialen Wäsche, Nachtwäsche und Dessous vertreibt, im Werksverkauf tätig. Vereinbart wurde eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden, wofür die Frau einen Bruttolohn von 780 Euro monatlich erhielt. Das entspricht einem Stundenlohn von sechs Euro. Eingesetzt wurde sie als Alleinverkäuferin. Ihre Aufgaben reichten von der Warenannahme über die Warenpräsentation, die Kundenberatung, die Kasse, Abrechnung, Umtausch und Reklamation bis hin zur Gewährung von Preisnachlässen bei Mängeln und Bankeinzahlungen.

Das Gericht erklärte auf Klage der Frau die im Vertrag vereinbarte Bezahlung von sechs Euro brutto je Stunde für sittenwidrig und damit nichtig, da sie in einem erheblichen Missverhältnis zu der geleisteten Arbeit stehe. Der Einzelhandelstarifvertrag in Sachsen sehe für die Arbeitsleistung von mit der Klägerin vergleichbaren Arbeitnehmern mehr als die doppelte Vergütung vor. Diese tarifliche Bezahlung sei als die für das Wirtschaftsgebiet übliche Vergütung anzusehen - auch wenn der Tarifvertrag mangels Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien keine Anwendung finde. Eine um etwa die Hälfte niedrigere Vergütung sei sittenwidrig.