Die Leserfrage: Ich habe mich laut Arbeitsvertrag verpflichtet, mit meinen Kollegen nicht über mein Gehalt zu sprechen. Was ist, wenn ich es dennoch tue und herausfinde, mein gleichgestellter Kollege verdient mehr als ich?

Das sagt Rechtsanwalt Rainer Stelling: Jeder Arbeitnehmer unterliegt einer Verschwiegenheitspflicht, die sich auf alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers bezieht. Darunter versteht man alle Tatsachen, die in einem Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Diese Verschwiegenheitspflicht nach außen besteht auch dann, wenn der Arbeitsvertrag dazu keine Regelungen enthält.

Viele Arbeitsverträge enthalten eine Erweiterung dieser Verschwiegenheitspflicht auf die persönlichen Rechtsverhältnisse des Arbeitnehmers. Dieser wird insbesondere verpflichtet, über sein Gehalt zu schweigen. Solche Klauseln sind grundsätzlich wirksam, denn sie sollen Neid unter den Beschäftigten verhindern und den Betriebsfrieden wahren. Wenn Sie deshalb Ihr Stillschweigen brechen, kann dies im Mindestmaß eine Abmahnung zur Folge haben, möglicherweise auch eine Kündigung. Das hängt von den Umständen Ihrer Indiskretion und deren Folgen für den Betriebsfrieden ab.

Verwenden Sie also die Indiskretion eines Kollegen als Argument in Ihren Gehaltsverhandlungen, setzen Sie ihn dem Risiko einer Abmahnung oder Kündigung aus. Ihnen hingegen nützt dieses Argument in der Regel nichts. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz findet bei einer frei ausgehandelten Vergütung keine Anwendung. "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist kein Prinzip des Arbeitsrechts. Ausnahmen davon gibt es allerdings bei allgemeinen Lohnerhöhungen im Betrieb, bei Tariflohn und außertariflichen Leistungen.

Unser Autor Dr. Rainer Stelling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Internet: www.rae-gleim.de