Hamburg. Im Sex-Podcast erklärt Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs, wie Körper und Herz zusammenspielen, welche Alarmsignale ernst zu nehmen sind.

Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sexpodcast für Erwachsene mit Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Ka­trin Hinrichs: die Liebe.

Heute geht es im Sex-Podcast um die Liebe

Sie werde von den Klientinnen (und manchmal auch den Klienten) ihrer Praxis öfters gefragt, warum sie im Podcast ausführlich über Sex rede, aber nie über die Liebe, erklärt Hinrichs am Anfang der neuen Folge - die übrigens eine Jubiläumsfolge ist, weil es das Format seit nunmehr einem Jahr gibt. Schumacher stutzt: „Entschuldigung, ist Sex nicht so was wie praktische Liebe?“ Das könne man sich so vorstellen, sagt Hinrichs, aber es greife zu kurz.

In der Praxis höre sie oft, dass Partner daran zweifeln, dass der jeweils andere sie noch liebt, weil sexuell nicht mehr viel passiere. Doch wolle sie das Thema Liebe heute etwas übergeordneter beurteilen: „Liebe ist auch eine Haltung.“ Sie habe zur Vorbereitung extra in das Buch „Lieben“ von Jens Corssen geschaut. Der habe darin ein „Haus der Liebe“ skizziert, dessen Fundament die Liebe zum Leben ist.

Wo steht das Paar in der sexuellen Entwicklung?

„Gibt es denn Sex ohne Liebe oder Liebe ohne Sex?“, fragt Schumacher. „Beides gibt es“, antwortet Hinrichs. Sie kenne Menschen, die damit zufrieden sind, zusammen nur Sex zu haben. Aber auch viele, die sich sagen, dass sie sich noch lieben, obwohl sie die sexuelle Phase weitgehend hinter sich haben. „Hier spielen die Hormone eine große Rolle, die sich mit den Jahren natürlich verändern. Kommst du von der Verliebtheit in die Liebe, werden ganz andere Hirnareale angesprochen, was zu einer anderen Art der Körperlichkeit führt.“

Aber seien sich denn beide Partner immer einig darüber, in welcher Phase sie momentan stehen?, will Schumacher wissen: „Wenn für mich Sex zur Liebe unbedingt dazugehört und für meine Partnerin nicht, dann haben wir unterschiedliche Erwartungshaltungen. Und müssen uns als Paar erst mal darüber klar werden, wo wir in unserer sexuellen Entwicklung sind.“

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Balance aus Sicherheit und Sexualität

Sie habe deshalb ein Modell mitgebracht, sagt Hinrichs, welches sie in der Universität kennengelernt habe. „Das ist das sogenannte Säulenmodell. Da gibt es die Säule der Liebe und die Säule der Sexualität. In der Phase der Verliebtheit liegen beide Säulen übereinander. Im Laufe der Zeit rücken diese beiden Säulen dann etwas auseinander. Die Frage ist: Wie kommst du von der einen Säule in die andere?“

Er könne nach fast 30 Jahren in einer Beziehung sagen, dass es nicht „die Liebe“ gibt, sondern unterschiedliche Qualitäten in einzelnen Phasen, sagt Schumacher. Der „Alles-ist-toll-Zustand“ aus erster Verliebtheit halte ja höchstens drei bis sechs Monate, in seltenen Fällen ein Jahr lang an. Daran schließe sich dann im besten Fall partnerschaftliche Liebe an, die ganz viel mit Vertrautheit und Vertrauen zu tun habe, mit Gewöhnung und Routine, manchmal vielleicht auch mit Langeweile. „Sicherheit und Vertrauen sind ganz wichtige Faktoren der Liebessäule“, bestätigt Hinrichs. „Die Frage ist dann, wo die Brücke ist zur anderen Säule, der Sexualität. Auch wenn diese Sexualität nicht mehr so rauschhaft ist, führt sie die Emotionalität der Liebe doch auf der körperlichen Seite weiter.“

Liebe und Sexualität sind unterschiedliche Dinge

Was braucht man, um über diese „Brücke“ zur sexuellen Säule zu gehen? Schumacher: „Auf keinen Fall Stress, Druck, Erwartungen. Diese Brücke funktioniert nur über Kommunikation.“ Man müsse offen über seine Bedürfnisse reden, statt in sich hineinzugrummeln. Dabei sei es wichtig, ergänzt Hinrichs, dass man seiner Partnerin oder seinem Partner auch mal direkt sagt, dass man sie oder ihn heute mal wieder richtig spüren wolle, etwa bei einer Massage. Bei den Menschen sei immer noch die Geschichte vom Trieb verankert, dass in einer liebenden Beziehung alles quasi von selber gehe, sagt Hinrichs. „Das muss aus den Köpfen raus. Liebe und Sexualität sind unterschiedliche Dinge, außer in der Phase der ersten Verliebtheit.“

Nun geht es noch einmal zurück zum Buch von Corssen. Wenn die Liebe zum Leben das Fundament ist und die Eigenliebe Dach und Wände darstellt, wie der Autor sagt, was ist denn dann die Liebe zum Partner? „Das ist die Inneneinrichtung“, sagt Hinrichs. Und einrichten könne man sich in einem Haus bekanntlich erst, wenn Fundament, Dach und Wände sicher stehen. Schumacher ergänzt, er kenne Leute, die sogar die Liebe zu allem und jedem ins Zentrum ihres Lebens rücken. „Ein sehr interessantes Weltbild!“