Hamburg. „Der Teufel der mittleren Jahre“ erwische nicht nur Frauen, sondern auch Männer, weiß Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts (zu hören auf www.abendblatt.de/podcast). Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sexpodcast für Erwachsene mit Moderator Hajo Schumacher und der Hamburger Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs: der Mann in den mittleren Jahren.

Der Teufel der mittleren Jahre

„Ab wann ist man eigentlich in den mittleren Jahren, Katrin?“, fragt Schumacher die Expertin. Sie kontert mit der Gegenfrage „Was meinst denn du?“ – und lässt den Mann erst mal etwas rechnen. Nach ein paar Sekunden kommt Schumacher auf „irgendwas zwischen 27 und 54“, trifft damit Hinrichs’ Einschätzung aber nur teilweise.

Denn: Auch das mit dem mittleren Alter und seinen Problemen sei, wie fast alles in der Sexualität, „individuell verschieden“, sagt Hinrichs, „bei dem einen fängt es mit Mitte 40 an, bei dem anderen etwas später“. Aber bei allen gleich sei, dass der Mann irgendwann spüre, dass sein Sexualleben nicht mehr so läuft wie früher und „der Rucksack länger wird als die Flinte“.

Testosteronspiegel nimmt stetig ab

„Ich kenne jemanden, der war genau in diesen mittleren Jahren“, sagt Schumacher, „und ist dann zum Urologen gegangen. Der Arzt hat geguckt, was da so alles im Blut rumschwappt, und stellte fest, dass der Testosteronspiegel ziemlich im Keller war. Doch was bedeutet das eigentlich?“ Hinrichs: „Diesen Hormonspiegel mal testen zu lassen finde ich wichtig und richtig. Sexuelle Unlust, schwache Erektionen, nächtliches Schwitzen – die Symptome bei wenig Testosteron können vielschichtig sein. Wer will, kann dagegen recht einfach etwas tun, zum Beispiel mit einem Gel oder einer Spritze.“ Bekannt sei ja, dass der Testosteronspiegel um die 20 am höchsten sei und dann stetig abnehme.

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„Ist es aber nicht so, dass das Zuführen des Hormons von außen ein Einschlafen der körpereigenen Produktion zur Folge hat?“, gibt Schumacher zu bedenken, das sei doch „etwas tricky“. Hinrichs: „Ja, ist es, wie bei Frauen und ihren Hormonen auch. Es bleibt ein dünnes Eis und ist kein Allheilmittel ohne Risiken und Nebenwirkungen.“ Deshalb wolle man heute auch nicht nur über Möglichkeiten der Medikation sprechen, sondern auch über weitere Strategien, um sich mit der Hormonfrage zu beschäftigen. Konkret rät Hinrichs dem erschlafften Mann mittleren Alters: „Miss doch mal lieber den Bauchumfang als die Gliedlänge, mach mal wieder etwas Sport, kümmere dich einfach mal wieder mehr um dich selbst.“

Fehlende Motivation und Hormonabbau

Das mit dem Sport als Testosteron-Turbo könne er bestätigen, sagt Schumacher. Nur für seinen Freund merkt er deshalb an: „Dieser Teufel der mittleren Jahre ist ja einer, der sich mit zwei Gesichtern zeigt. Auf der einen Seite fehlt dir die Leistungsfähigkeit, auf der anderen Seite aber auch der Hunger, etwas dagegen zu tun. Daher kommt die Plauze.“ Fehlende Motivation und Hormonabbau gingen also Hand in Hand.

Hinrichs weist noch auf einen anderen Verhaltensaspekt hin: „Wir wissen, dass Raucher im Schnitt zehn Jahre früher ihre Potenz verlieren als Nichtraucher. Ein Grund mehr, damit schleunigst aufzuhören.“ Doch viele Männer würden solche und andere Erkenntnisse einfach verdrängen, und wenn sie ihren Penis unter dem dicken Bauch irgendwann gar nicht mehr sehen, dann sei das für viele eben so. „Die haben einfach aufgegeben“ – was in der Partnerschaft nicht ohne Konsequenzen bleibe.

„Hast du mal was von grauen Scheidungen gehört? So was passiert, wenn die Männer immer weniger aktiv werden, die Frauen aber noch einmal aufdrehen wollen. Viele Männer ziehen sich dann zurück und reden nicht mal mehr mit jemandem darüber“, sagt Hinrichs.

Der Wandel vom Knaben zum Krieger

Schumacher antwortet: „Männerkrankheit. Essen ist dann der Sex des Alters.“ Er habe sich vor ein paar Jahren mal in seinem Buch „Männerspagat“ mit ebensolchen Problemen beschäftigt. „Eine Weisheit, die ich da wirklich erstmals begriffen habe: Wir Männer erleben in der Adoleszenz den Wandel vom Knaben zum Mann. Das Selbstbild des Mannes verändert sich, man wird sozusagen zum Krieger.“ Und dann komme irgendwann die zweite Transformation, und der Mann werde vom Krieger zum … „ja, zum was? Zu einem ehrenvoll ergrauten älteren Herrn?“

Hinrichs: „Wäre schön, wenn es so wäre.“ Die Chance sei sicher da, aber sie habe oft genug mit Männern zu tun, die sich gehen ließen – oder sie führen einen aussichtslosen inneren Kampf mit sich selbst, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie in die Jahre gekommen sind. „Da muss es dann gleich der Porsche sein und die jüngere Frau.“

Auch mit 70plus noch sexy sein

Ob sie denn ältere Männer nicht möge, die sich auffallend gut kleiden und auf ihr Äußeres achten, will Schumacher wissen. „Doch, sehr sogar“, sagt Hinrichs. Der Unterschied zum verkrampften Porsche-Typen sei die lässige Eleganz, mit der solche Männer aufträten. „Guck mal nach Italien, da kannst du mit 70plus noch sexy sein.“

Zum Schluss ein Fall aus der Praxis: Ein älterer Mann, Typ Alphatier, wurde von seiner Frau überredet, mal mit in die Praxis zu kommen – und da stellte sich raus, dass er mit seinem Hund inzwischen viel liebevoller redete als mit seiner Frau. Hinrichs: „Nach guten Gesprächen ist er jetzt viel lockerer geworden.“