München. Das Oktoberfest lockt Besucher aus aller Welt, Millionen feiern fröhlich. Zugleich kommen in München weiter erschöpfte Flüchtlinge an.

Bier in Strömen, auf den Bänken feiernde Massen. Am Sonnabend beginnt in München das Oktoberfest. Wenn das Wetter passt, strömen am Wochenende eine Million Besucher zum größten Volksfest der Welt. Rund um das Festgelände und am nahen Hauptbahnhof herrscht dann Ausnahmezustand. Dort kommen weiter täglich Flüchtlinge an - müde, entkräftet, hungrig. Sie haben oft nur das, was sie am Leib tragen.

Diagramm und Illustration zur Entwicklung der Preise für eine Maß Bier auf dem Münchener Oktoberfest, Querformat 90 x 65 mm; Redaktion: K. Klink: Grafik: Bökelmann
Diagramm und Illustration zur Entwicklung der Preise für eine Maß Bier auf dem Münchener Oktoberfest, Querformat 90 x 65 mm; Redaktion: K. Klink: Grafik: Bökelmann © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH

Stände mit Lederhosen und bunten Dirndln stehen nur wenige Meter entfernt von den mit Planen gegen Blicke abgeschirmten Zelten, in denen die Ankömmlinge nach wochenlanger Flucht medizinisch untersucht werden. Manche kommen erkältet oder mit Magen-Darm-Problemen.

Bis Freitagmittag kamen am Hauptbahnhof lediglich rund 300 Asylsuchende an. „Die Lage ist noch entspannter als in den Vortagen“, sagt Bundespolizeisprecher Wolfgang Hauner. „Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, sehen wir keinerlei Probleme für den Münchner Hauptbahnhof.“ Allerdings: „Wir leben in Zwei-Stunden-Lagen.“ Sprich: Die Entwicklung lässt sich stets nur wenige Stunden vorhersehen.

Vorübergehende Grenzkontrollen und Sonderzüge, die Flüchtlinge an München vorbei auf andere Bundesländer verteilen, sollen verhindern, dass sich die chaotischen Zustände der vergangenen Wochenenden mit jeweils 20.000 ankommenden Flüchtlingen wiederholen.

Es könne keine Rede sein von einer „Krisen-Wiesn“, sagt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. „Es ist eine ganz normale Wiesn, auf die wir uns ganz normal vorbereiten - mit einer kleinen Besonderheit.“ Auch der zweite Münchner Bürgermeister und Wiesn-Chef Josef Schmid erwartet nicht, dass die Flüchtlingskrise das Fest beeinträchtigen wird. „Die Landeshauptstadt reagiert auf die Lage und tut was sie kann“, sagt er. Er finde es aber auch gut, dass „das normale Leben weitergeht“. München freue sich auf die Wiesn. „Wir blenden natürlich nicht aus, was um uns herum passiert. Und wir blenden natürlich nicht die existenzielle Not derer aus, die hier ankommen.“ Die Stadt München hat deshalb zu Spenden aufgerufen.

Der Sprecher der Wiesnwirte, Toni Roiderer, in der Wiesn-Stiftung für bedürftige Münchner engagiert, lobt die Leistung der Behörden und den persönlichen Einsatz vieler Münchner für die Flüchtlinge. „Die Welt bewundert München. Aber man soll auch nicht in Mitleid ersticken.“ Er habe persönlich für Syrien gespendet, aber: „Wir haben auch in München viele sozial bedürftige Menschen.“

Wiesn-Besucher und Flüchtlinge sollen sich nicht begegnen

Der Präsident des Festrings München, Karl-Heinz Knoll, sagt, alle auf der Wiesn seien zur Hilfe für Flüchtlinge bereit. Aber: „Oberstes Ziel wird für sie nicht gerade Karussell fahren sein.“

Blume-Beyerle hält es für „lebensfremd“, dass Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Nordirak und Afrika in Scharen zur Wiesn ziehen. Allerdings planen dem Vernehmen nach einzelne Politiker, mit Flüchtlingen aus ihrem Umfeld auf die Wiesn zu gehen.

Gemunkelt wird auch, dass es Stornierungen in den Zelten gebe - weil Gäste ein Chaos wegen der Flüchtlinge befürchteten. Offiziell bestätigt hat das kein Wirt. Die meisten sehen die Flüchtlingsfrage wie Festring-Präsident Knoll. „Auf die Wiesn hat das keinen Einfluss.“

Die Ströme der Wiesngäste und Flüchtlinge sollen am Hauptbahnhof getrennt werden. Gerade am Abend, wenn die Wiesnbesucher angetrunken den Heimweg antreten, haben es die Ordnungskräfte ohnehin nicht leicht. Die Steuerung einer Menge von gut gelaunten Gästen sei natürlich schwieriger als von lauter Liegenschaftsbeamten, sagt Blume-Beyerle. Die Bundespolizei am Hauptbahnhof wird nochmals aufgestockt. Die logistische Abwicklung des Besuchs von sechs Millionen Menschen könne man nicht mit dem Begriff Folklore abdecken, mahnte kürzlich Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU).

Rund 500 zusätzliche Regionalzüge und S-Bahnen sind allein für Wiesngäste eingesetzt. Rund zwei Millionen fahren mit der Bahn - und so sehen Hauptbahnhof und Züge dann auch aus. Schwierigkeiten mit den Sonderzügen für Flüchtlinge erwartet die Bahn nicht.

Hartnäckig hält sich die Idee, die Bierzelte nach der Wiesn als Notunterkünfte zu nutzen. Die Stadtratsfraktion Bürgerliche Mitte hat nun den Antrag gestellt, das zu prüfen. Bei den prognostizierten Flüchtlingszahlen werde Platz gebraucht, argumentiert Initiatorin Ursula Sabathil von den Freien Wählern. Wiesnchef Schmid hat schon klargestellt, dass er von der Idee nicht viel hält und für eine Ablehnung plädieren werde. Die Zelte seien nicht winterfest. Sie seien weder für Schneelasten ausgelegt noch beheizbar. Und die nach der 16-tägigen Sause verschmutzten Böden dürften kaum hygienischen Anforderungen genügen.