Wer Reis anbaut, ist ein netter Mensch. Was will uns diese Entdeckung von amerikanischen Wissenschaftlern bloß sagen?

Ein altes polnisches Sprichwort sagt: Auch in Paris macht man aus Hafer keinen Reis. Damit wird zum einen ausgedrückt, dass in der Hauptstadt der zarten Sehnsüchte so ziemlich alles geht – außer der Sache mit dem Reis eben. Vor allem aber, dass zwischen Hafer und Reis unüberbrückbare Differenzen bestehen. Reis wird ja seit fast 10.000 Jahren „domestiziert“, wie es agrarbiologisch heißt; womit natürlich weniger gemeint ist, dass der Reis Männchen machen oder die Zeitung holen kann.

Aber – so die überraschende Nachricht aus der Wissenschaft: Wer Reis anbaut, ist ein echter Kumpeltyp, wer nicht, eher ein Egoist. Ein Team um den Wissenschaftler Thomas Talhelm von der Universität Virginia fand heraus, dass das Herumplatschen und Setzen der Pflanzen per Hand in mühsam bewässerten Reisfeldern die Kooperation vieler voneinander abhängiger Menschen erfordert, die damit zu einem Team werden. Das vergleichsweise gemütliche Aussäen von Weizen oder anderen Getreiden kann dagegen notfalls von einem unabhängigen Einzelnen geleistet werden. Reis in Asien, Weizen im Westen – so also entstanden der asiatische Kollektivismus und der westliche Individualismus. Denken Sie das nächste Mal daran, wenn Sie den armen Uncle Ben ins kochende Wasser werfen.

Das Forscherteam, dessen Resultate im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wurden, ließ westliche und asiatische Probanden Kreise zeichnen, darstellend sich selbst im Verhältnis zu den Menschen in ihrem Leben. Da zeichneten sich die Reisbauern in Südchina und in Japan selber ganz winzig. Und wer hatte die dicksten Ego-Kreise? Na, klar, die Amerikaner; das Volk mit dem „Weizengürtel“, der so groß ist wie Mitteleuropa. Weizen macht also egoistisch; er hat dafür aber seinen poetischen Reiz. Heinrich Heine dichtete: „Wie auf dem Felde die Weizenhalmen, so wachsen, so wogen im Menschengeist die Gedanken. Aber die zarten Gedanken der Liebe sind wie lustig dazwischenblühende rot und blaue Blumen.“ Das versuchen Sie mal mit Reis! Und kommen Sie jetzt nicht mit: „Es ist ein Reis entsprungen.“