Vorsicht unter der Dusche. Vom Umgang der Sportler mit dem olympischen Edelmetall

Die Ästhetik einer Medaille hat die Jugend der Welt noch nie sonderlich interessiert. Auch die achteinhalb Zentimeter breiten Plaketten, die siegreichen Athleten bei den olympischen Siegerehrungen in London um den Hals gehängt werden, sind nur mit Wohlwollen und der Unterstützung berauschender Getränke als schön zu empfinden. Vorn schreitet die Siegesgöttin Nike in wallendem Tuch aus dem Parthenon herab nach London. Die Rückseite sieht aus, als hätte ein Künstler im Drogenrausch ein explodierendes Olympiastadion mit Mikadostäben durchzogen.

Und das soll es sein, wovon 10 500 Sportler geträumt haben, als sie am Freitag ins Olympiastadion einmarschiert sind? Um das Edelmetall kann es nicht gehen. Für den Schriftsteller Joseph Joubert war Gold noch "die Sonne der Metalle"; die von der ehrwürdigen Royal Mint geprägten Goldmedaillen dagegen bestehen zu 92,5 Prozent aus Sterlingsilber und nur zu 1,34 Prozent aus Gold. Der feine güldene Mantel wiegt gerade mal sechs der 400 Gramm. Vielleicht beißen die Olympiasieger in die Plaketten, weil sie testen wollen, ob ihnen aus Versehen Schokoladentaler untergejubelt wurden.

Fußballprofi Mario Basler sagte mit Recht: "Jede Seite hat zwei Medaillen." Denn der Umgang der Sportler mit ihren Auszeichnungen lässt zu wünschen übrig. Der brasilianische Judoka Felipe Kitadai nahm seine Bronzemedaille am Morgen danach sicherheitshalber mit unter die Dusche - und ließ sie fallen. Dabei brach die Halterung ab. Andere Medaillen gehen beim Umzug verloren, weitere werden verscherbelt. Schon mehr als 100 000 Dollar sollen für eine Originalmedaille gezahlt worden sein.

Im antiken Olympia mussten sich die erfolgreichen Athleten übrigens mit einem Palmenzweig und einem Siegerkranz zufriedengeben. Dafür durften (?) sie sich von großen Dichtern besingen lassen. Am wichtigsten aber war eine Bonifikation, über die sich auch die Profisportler von heute freuen würden: Sie mussten keine Steuern mehr zahlen. Dafür würden die Olympiasieger wohl auch auf eine Medaille verzichten.