Ein Mann hängt ab. Winfried Kretschmann entsorgt die Kunst seiner Vorgänger Oettinger und Mappus.

Hat Winfried Kretschmann einen Sinn fürs Künstlerische? Im Prinzip ja. So säuselte der neue baden-württembergische Ministerpräsident bei seiner Regierungserklärung ins Mikrofon: "Beides, verehrte Kolleginnen und Kollegen, habe ich in den letzten Tagen und Wochen verspürt: den Zauber des Anfangs, aber auch schon die Mühen der Ebene." Ganz große politische Lyrik. Doch sein Alltagsgesicht zeigte Kretschmann in seinem neuen Amtsdomizil, der Villa Reitzenstein in Stuttgart. Da fiel sein Auge auf das Bild, das schon seine Vorgänger Oettinger und Mappus anblickten. Sinngemäß sagte Kretschmann: Ist das Kunst? Dann kann das weg.

"Blaue Poesie" heißt das Werk des Künstlers Hans Peter Reuter. 10 000 Quadrate aus Wellpappe hatte Reuter in einjähriger Arbeit zusammengepuzzelt. Doch für den Spitzen-Grünen ist das blaue Etwas ein rotes Tuch. Vielleicht will Gattin Gerlinde lieber einen röhrenden Hirschen im neuen Amtszimmer positionieren. Dabei ist die Villa Reitzenstein ein Mythos, episch besungen in einem Schlüsselroman über die Ära von Lothar Späth: "Monrepos oder Die Kälte der Macht".

Zieht diese jetzt auch beim neuen Hausherrn auf? Politik und Kunst - eine unerschöpfliche Quelle für Aufregungen. Unter Kopfschütteln der Traditionalisten stellte einst Helmut Schmidt die Henry-Moore-Skulptur "Two Large Forms" vor das Kanzleramt. Denkwürdig auch Gerhard Schröders Einfall, sich von Jörg Immendorff für die Galerie der Altkanzler in Gold malen zu lassen. Einen Ehrenplatz hat dort Meistermanns Porträt von Willy Brandt. Im Volksmund heißt das Werk "Ölbild nach Säureanschlag". Und Kretschmann? Gibt sich cool. Regierungskunst meint ja was anderes.