Serie, Teil 11: Den Lebensabend im sonnigen Süden zu verbringen, davon träumen viele Hamburger. Aber welche Möglichkeiten haben Pflegebedürftige im Ausland? Was müssen sie und ihre Angehörigen etwa in Thailand oder auf den Kanaren beachten? Und wie gut sind die sehr günstigen Heime in Polen, Ungarn und Slowenien?

Der Gedanke klingt verlockend, sehr verlockend sogar: Wenn man im Alter nicht mehr so kann, vielleicht auch geistig etwas angeschlagen ist, sich unter Palmen pflegen lassen. In der Sonne der Kanaren oder der Balearen. Oder noch viel weiter weg. Thailand vielleicht. Oder Namibia. Irgendwo, wo zumindest das Wetter besser ist als hierzulande.

Allein auf der Internetseite wohnen-im-alter.de werben 34 spanische Pflegeeinrichtungen um deutsche Bewohner. Sie firmieren als klassisches Heim, als Einrichtung des Servicewohnens oder als Seniorenresidenz. Ihre Versprechen klingen fast immer gleich: „Gut versorgt im sonnigen Spanien“, „Lebensqualität in einer natürlichen Umgebung“ oder „Auf Personen zentrierte Pflege“.

Auch auf der Vulkaninsel Lanzarote werden deutsche Senioren gepflegt. 2008 eröffneten Tom Kalisch und Jana Kaiser ihr Haus CuraVital in Arrieta, eine halbe Autostunde nördlich vom Flug­hafen entfernt. Zwölf Pflegebedürftige leben in der Apartmentanlage in Einzel-, Zwei- oder Dreibettzimmern. Die Räume sind klein und schlicht eingerichtet. „Das ist kein Problem“, sagt Tom Kalisch. Meistens seien die Bewohner ohnehin auf der Terrasse, am Strand oder in den beiden Wohnzimmern. Rund 2800 Euro kostet ein Pflegeplatz bei CuraVital im Monat. Kalisch will auch Dependancen auf Gran Canaria und Fuerteventura eröffnen.

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Es geht natürlich auch weiter weg. Viel weiter weg. Der Schweizer Martin Woodtli etwa gründete 2004 in einem Vorort von Chiang Mai, der zweitgrößten Stadt Thailands, das Alzheimer-Therapiezentrum Baan Kamlangchay, der Name bedeutet übersetzt „Betreuung des Herzens“. Ein Drama in seiner eigenen Familie gab für Woodtli den Anstoß für den Berufsstart in Thailand. Als seine Mutter an Alzheimer erkrankte, nahm sich der verzweifelte Vater das Leben. Bei der Suche nach einem Heim kam Woodtli schließlich auf den Gedanken, selbst ein Heim in Thailand zu eröffnen.

In den sieben kleinen Häusern mit Gemeinschaftspool leben inzwischen zwölf bis 14 Demenzkranke aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, betreut von mehr als 30 Pflegekräften – ein Personalschlüssel, der in Deutschland undenkbar wäre. „Jeder Gast bekommt von uns drei Betreuerinnen an die Seite gestellt, die nur für ihn da sind“, sagt Woodtli. Möglich machen es die niedrigen Personalkosten, eine Pflegerin in Thailand verdient nur zwischen 300 und 500 Euro pro Monat. In Baan Kamlangchay kostet ein Pflegeplatz rund 2700 Euro im Monat.

Oftmals ist der Preis deutlich wichtiger als gutes Wetter oder ein exzellenter Personalschlüssel. Entsprechend interessant sind für manche Pflegebedürftige und Angehörige Heime östlich von Deutschland, die in der Regel nur rund 1000 bis 1500 Euro im Monat kosten. Auch dies liegt in erster Linie an den deutlich niedrigeren Personal- und Lebenshaltungskosten. Gute Heime in Polen, in Slowenien oder in der Slowakei haben durchaus deutschen Standard, baulich sind sie mitunter sogar besser ausgestattet.

Der Preisvergleich zwischen Heimen in Deutschland und im Ausland ist indes schwierig, denn: Die Pflegeversicherung zahlt an deutsche Bewohner in Heimen im Ausland in der Regel nur das deutlich niedrigere Pflegegeld, dies beträgt nach der von Januar 2017 an geltenden Pflegereform maximal 901 Euro beim höchsten Pflegegrad. Und diese Leistung wird auch nur an Bewohner von Heimen gezahlt, die sich in einem EU-Land befinden oder aber in der Schweiz, in Liechtenstein, in Norwegen oder in Island. Nur in Ausnahmefällen ist es möglich, dass auch Sachleistungen der Pflegeversicherung für die stationäre Pflege gewährt werden. Dies könnte sich allerdings in absehbarer Zeit ändern.

Politiker haben in den vergangenen Jahren immer wieder die Diskussion angestoßen, dass die Pflegeversicherung sich auch im Ausland an Heimkosten direkt beteiligen solle. Grundsätzlich halten großen Kassen wie die AOK und die Barmer das Thema für diskussionswürdig – vor allem vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahren auch die sogenannten 68er ins Pflegealter kommen, eine Generation, die grundsätzlich reisefreudiger ist. Ein gravierendes Problem wird indes bleiben: Heime im Ausland, die Leistungen aus der Pflegekasse erhalten würden, müssten auch geprüft werden. In Spanien können Senioren, die seit mindestens fünf Jahren dort leben, Leistungen aus der neuen spanischen Pflegeversicherung beantragen.

Wer sich dagegen in Asien oder Afrika pflegen lässt, wird wohl weiter leer ausgehen. Dort wird auch kein Pflegegeld gezahlt. Dies macht Heime in Osteuropa natürlich finanziell noch attraktiver. Die Agentur Seniorpalace, die Plätze in der Slowakei, Tschechien, Polen, Ungarn und Kroatien vermittelt, rechnet vor, dass ein besonders günstiger Platz nach Abzug des Pflegegeldes nur noch rund 500 Euro kostet. Neben fünf Mahlzeiten am Tag und der Reinigung der Wäsche sind mitunter sogar Friseur-, Maniküre- und Pediküretermine inklusive. Laut Seniorpalace beherrscht das Personal in den Seniorendomizilen entlang der Grenzen zu Deutschland und Österreich die deutsche Sprache mehr oder weniger gut. Und auch in den anderen Domizilen sei in jeder Dienstschicht zumindest eine Pflegerin mit Deutschkenntnissen im Einsatz.

Der Münchner Pflegekritiker Claus Fussek nennt es indes „pervers, wenn jemand seine Eltern nur deshalb nach Slowenien oder nach Polen schafft, damit ihm möglichst viel vom Erbe bleibt.“ Er warnt auch dringend davor, die Frage, ob der pflegebedürftige Angehörige in Deutschland oder im Ausland gepflegt wird, allein auf den wirtschaftlichen Aspekt zu reduzieren: „Im Mittelpunkt muss immer die Frage stehen, wo Mama oder Papa am besten gepflegt werden. Es geht um die Qualität der Pflege.“

Diese müsse in einem Heim in Osteuropa nicht prinzipiell schlechter sein: „Es gibt überall schlechte und gute Einrichtungen.“ In der Tat gilt etwa die Altenpflege-Ausbildung in Polen als sehr gut. „Aber entscheidend ist, dass die Kinder sich kümmern, ob im Ausland oder in Deutschland“, sagt Fussek. Einsamkeit sei das größte Problem in Heimen. Auf ein stabiles Band zur Familie sind Pflegebedürftige im Ausland besonders angewiesen. Denn mit Besuch von Nachbarn, Kegelclub-Mitgliedern oder Freunden aus Schützenvereinen, die bei einem Altenheim am Ort schon mal ab und an vorbeikommen, dürfen sie kaum rechnen. Zudem spielt sich, von wenigen gemeinsamen Ausflügen mal abgesehen, das Leben der alten Menschen fast ausschließlich im Heim ab, schon die Sprachbarriere hindert die meisten daran, Kontakte in der neuen Umgebung zu knüpfen. Besonders kritisch wird es bei einer schweren akuten Krankheit, denn mehr als rudimentäre Deutschkenntnisse des Personals darf niemand in einer polnischen oder slowenischen Klinik erwarten, warnt das Beratungsportal pflege.de.

Ohne Deutschkenntnisse könnten weder Pflegebedürftige ihre Bedürfnisse und Sorgen mit Pflegekräften und Ärzten besprechen, noch könnten Angehörige in Deutschland ordentlich über den Gesundheitszustand ihres Angehörigen informiert werden.

Rentenversicherung berät vor einem Umzug ins Ausland

Immerhin gewährt die Krankenkasse zumindest innerhalb der EU einem deutschen Versicherten Schutz, auch in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Mit Israel, Tunesien und der Türkei hat die Bundesregierung Sozialversicherungsabkommen getroffen, die auch den Krankenversicherungsschutz einschließen. Aber: Die Leistungen entsprechen nicht immer dem deutschen Standard, gerade bei Zahnbehandlungen.

Das Bundessozialgericht hat im Oktober 2005 allerdings entschieden, dass deutsche Rentner, die sich in einem EU-Land niederlassen, weiterhin Anspruch auf eine Krankenbehandlung in der Heimat haben. Die Kasse dürfe den Rentner nicht auf die ausländische Versicherung verweisen, die an seinem neuen Wohnort für seine Behandlung aufkommt. Dem Rentner werde im Ausland nämlich nach EU-Recht nur deshalb Versicherungsschutz gewährt, weil er Anspruch auf Leistungen hätte, wenn er in Deutschland wohnen würde. Der pflegebedürftige Rentner kann also für eine aufwendige Behandlung nach Deutschland zurückkehren.

Deutlich schwieriger ist dies bei einem Umzug nach Asien. Es ist unbedingt notwendig, dort eine private Krankenversicherung abzuschließen, die die Kosten abdeckt. Solche Policen sind zum Teil teurer als in Deutschland. Selbst die deutsche Botschaft vermittelt nur den Kontakt zu Ärzten oder Kliniken, geht aber nicht in Vorleistung.

Unproblematischer ist dagegen in der Regel die Rentenversicherung. Wer in Deutschland gesetzlich rentenversichert war, behält diese Ansprüche grundsätzlich auch im Ausland. Allerdings gibt es auch hier Einschränkungen, ganz besonders bei Erwerbsminderungsrenten. Die Deutsche Rentenversicherung rät daher, dass man sich vor einem Umzug informieren sollte, auch zur Frage der Besteuerung der Rente.

Über allem steht indes natürlich die Frage, ob man einem alten Menschen den Umzug ins Ausland noch zumuten darf. Dies gilt besonders für Demenzkranke, die schon ein Wechsel in ein wenige Kilometer entferntes Heim im eigenen Ort stressen kann. Fussek verweist darauf, dass man immer die Biografie des Bewohners im Auge haben sollte. Wer schon immer gern gereist sei, könne auch mit einem Umzug nach Thailand klarkommen. Ganz anders sähe es bei betagten Menschen aus, die immer in ihrem Kulturkreis gelebt hätten: „Ihnen darf man das eigentlich nicht antun.“

Kolumne Expertenrat

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