Hamburg. Hamburgs große Tennisarena soll bis zum Jahr 2022 abgerissen werden. Dafür entsteht ein neues Sportzentrum für Hockey und Tennis.

Derzeit wird im Tennisstadion am Hamburger Rothenbaum von morgens bis abends gebaggert. Die besten Beachvolleyballspieler der Welt sind zu Gast in der Stadt und spielen in Harvestehude auf der Anlage des Clubs an der Alster die letzten Tickets für die Olympischen Sommerspiele im August in Rio de Janeiro aus. Eines davon buchten am Freitagmittag zwei Clubmitglieder: Markus Böckermann/Lars Flüggen schlugen sich das erste Mal zu Olympia.

Thomas Wiedermann hätte gern auf der Tribüne Beifall gezollt, seine Anwesenheit war jedoch 50 Meter weiter im Clubhaus mehr gefragt. Der Vereinspräsident hatte Großes zu verkünden.

Am Rothenbaum soll ein neues Sportzentrum für Hockey und Tennis entstehen. Die Mitgliederversammlung hatte dazu am Donnerstagabend mit großer Mehrheit das Mandat erteilt, 84 Prozent der Anwesenden stimmten den Plänen zu, aber vor allem Tennisspieler dagegen. „Wir stehen jetzt am Beginn eines langen Weges“, sagte Wiedermann. Wird aus der Vision ein Projekt, könnten 2019 die Bagger anrollen und im Jahr 2022 alles fertig sein.

Eine kleine Revolution

In der nächsten Woche laufen die Planungen an. 200.000 Euro will sich der Traditionsclub den ersten Schritt kosten lassen. Die 3800 Mitglieder sollen in Workshops bis zum nächsten Frühjahr diesen Weg begleiten. Auch für die Zeit danach verspricht Wiedermann „größtmögliche Transparenz nach innen und außen“. Im Club werden die Ideen seit vier Jahren diskutiert, verschiedene Entwürfe von Architekten lagen bereits vor, nun scheint es ernsthaft an die Realisierung zu gehen.

Das Vorhaben ist eine kleine Revolution. Von den bisherigen Aufbauten auf dem Gelände zwischen Haller- und Hansastraße, Rothenbaumchaussee und Mittelweg sollen nur die Tennis- und Hockeyhalle sowie das Schwimmbad an ihren Standorten erhalten werden. Der Rest würde neu oder umgebaut. Das für heutige Anforderungen mit 13.200 Zuschauerplätzen überdimensionierte Tennisstadion soll abgerissen werden, eine Sportarena mit mobilem Dach für mindestens 7500 Zuschauer an der Ecke Hallerstraße/Rothenbaumchaussee neu entstehen. Dieses Stadion soll fünf Meter in die Erde eingelassen und auch von Hallensportarten wie Basketball oder Handball genutzt werden können.

Die Verlegung der Arena vom Zen­trum an den Rand des Areals würde die Lärmbelästigung für die Anwohner der Hansastraße reduzieren. Mit einer unterirdischen Tiefgarage mit 800 Stellplätzen könnte die Parkplatzsituation in dem Quartier bei Veranstaltungen entlastet werden. Alle Tiefbauarbeiten sind wegen des benachbarten U-Bahn-Schachts nicht unproblematisch.

Zwei zentrale Hockeyplätze

Das neue Clubhaus wäre an der Hansastraße vorgesehen. Das künftige Bild der Anlage würde von zwei zentralen Hockeyplätzen geprägt, die neben der Arena vorgesehen sind. Mindestens zwölf Tennisplätze sollen, neu verteilt, erhalten bleiben. Ob weiter am Rothenbaum ausschließlich auf Asche gespielt wird, auch das sagte Wiedermann, sei offen. „Unser Ziel ist es, den internationalen Bekanntheitsgrad der Anlage am Rothenbaum von ,Tennis am Rothenbaum‘ zu ,Sport am Rothenbaum‘ zu erweitern“, sagte Wiedermann. „Der Verein sieht in der zukunftsweisenden Umgestaltung und Modernisierung der Gesamtanlage eine Chance für den traditionsreichen Hamburger Tennisstandort. Gemeinsam mit dem Deutschen Tennis Bund (DTB) will der Club dem internationalen Tennissport auch weiter eine professionelle Heimat geben.“

Die versöhnlichen Töne gegenüber dem DTB sind wohl vonnöten, muss der Tennisbund doch am Ende den Überlegungen zustimmen. Vizepräsident Ralf Eberhard Böcker stellte dann auch unmissverständlich klar, „dass die Verbandszentrale in Hamburg bleiben soll und dass wir nur Pläne akzeptieren werden, die juristisch und wirtschaftlich mit den Interessen des DTB vereinbar sind“.

Der Verband will das internationale Herrenturnier, das in diesem Jahr vom 9. bis 17. Juli am Rothenbaum gespielt wird, über das Jahr 2018 in Hamburg halten. In zwei Jahren erlischt die laufende Lizenz. Die Verhandlungen mit der Spielergewerkschaft ATP über eine Weiterführung haben begonnen. „Alle Anforderungen der ATP müssen auch auf der künftigen Anlage umsetzbar sein“, forderte Böcker. Die Option, wieder zu einem höherwertigen Turnier zurückzukehren, soll ebenfalls offengehalten werden. Dafür wären 10.000 Zuschauerplätze erforderlich. „Das, was notwendig ist, wollen wir möglich machen“, sagte Wiedermann. Das alte Stadion werde erst abgerissen, wenn das neue steht.

Tennisturnier zurückgestuft

Bis 2008 schlug am Rothenbaum die absolute Weltklasse auf, 2009 stufte die ATP die Veranstaltung jedoch in die dritte Kategorie nach den Grand-Slam- und Masters-Turnieren ab. In jenem Jahr übernahm der ehemalige Wimbledonsieger Michael Stich mit seiner Hamburg sports & entertainment GmbH (HSE) die Ausrichtung und rettete das Turnier. Im vergangenen Jahr gewann der Spanier Rafael Nadal am Rothenbaum.

Stich bekräftigte erneut seine Absicht, das Turnier über 2018 hinaus veranstalten zu wollen, sagte aber auch: „Uns sind bislang die Pläne weder vom DTB noch vom Club an der Alster vorgestellt worden. Wir sind sehr gespannt darauf und stehen dem Vorhaben aufgeschlossen gegenüber. Besonders wichtig ist für uns bei einem Neubau der Arena die Zuschauerkapazität und eine moderne Dachkonstruktion.“

Die rechtliche Lage am Rothenbaum ist kompliziert. Das Grundstück gehört der Stadt. Per Erbpachtrecht befindet sich der Standort bis 2049 im Besitz des Clubs an der Alster, das Tennisstadion wiederum ist Eigentum des DTB und wird von ihm verwaltet. Die Geschäftsstelle des Verbandes sitzt auf drei Etagen in der Südtribüne. Das Stadion wurde in den 1990er-Jahren für rund 30 Millionen Euro auf seine heutige Kapazität aufgestockt und mit einem mobilen Zeltdach versehen. Das Turnier wird von Stichs HSE ausgerichtet.

Dessen Verträge mit dem DTB gelten bis 2018. Die Stadt begrüßt das Projekt. Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) zum Abendblatt: „Ich konnte mich im gemeinsamen Gespräch mit den Akteuren des Clubs an der Alster, des DTB und des Bezirksamtes Eimsbüttel von der guten Zusammenarbeit aller überzeugen. Insbesondere Alster und DTB ziehen an einem Strang, um eine ausgesprochen beeindruckende Vision für den über die Grenzen hinaus bekannten Traditionsstandort Rothenbaum zu entwickeln und zu verwirklichen. Es sind wegweisende Schritte getan worden. Das Projekt ist ein Aufbruch und ein wichtiges Signal für die Sportstadt Hamburg. Wichtig dabei ist, dass der Tennissport mit dem bisherigen ATP-Turnier weiter das Flaggschiff dieser Planungen ist und am Standort bleibt.“

Was am Rothenbaum zu tun ist, steht im Masterplan Active City, der demnächst im Senat beschlossen werden soll: „Wegen des Alters der Gesamtanlage, dem erheblichen Modernisierungsstau, fehlendem barrierefreien Zugang, Sanierung des Zeltdachs, der Tribünen und der Funktionsräume sind dringend Maßnahmen zum Erhalt des hochkarätigen Tennissports in Hamburg notwendig.“ Da zur Sanierung des Tennisstadions derzeit keine finanziellen Mittel verfügbar scheinen, müssen andere Lösungen erwogen werden. Fazit: „Die Verhältnismäßigkeit einer Sanierung des Stadions in Anbetracht der geringen Auslastung wird bezweifelt.“

Der Club an der Alsterwill die Gesamtkosten tragen

Die Sanierungskosten des Tennisstadions werden auf acht Millionen Euro geschätzt. Die Instandsetzung des Daches ist überfällig. Die Kosten müsste der Tennisbund als Eigner übernehmen, der klamme DTB ist dazu finanziell nicht in der Lage. Abriss und Neubau sollten daher auch im Verbandsinteresse sein.

Was die Umgestaltung des Geländes kosten wird, ist derzeit nicht absehbar, ein höherer zweistelliger Millionenbetrag scheint realistisch. Der Club an der Alster hat beschlossen, die gesamte Finanzierung zu übernehmen. Dazu wäre es nötig, dass der Verein seine Anlage am Wellingsbütteler Pfeilshof veräußern kann. Dort steht ein Clubhaus, drei Naturrasen-Hockeyplätze und ein Kunstrasenplatz. Wiedermann: „Zwei große Anlagen sind eine zu viel. Wir wollen uns auf unseren innerstädtischen Standort konzentrieren, denn die meisten Mitglieder kommen aus dieser Gegend.“

Für den Verkauf des Geländes in Wellingsbüttel ist wie für den Umbau der Anlage am Rothenbaum eine Änderung des Bebauungsplanes erforderlich. Das kann zwei bis drei Jahre dauern. Auch die Anwohner will der Club an der Alster von Beginn an in seine Planungen einbeziehen. Besonders sensibel scheint die Lage am Rothenbaum. Bisher sind hier neben einem zweiwöchigen Tennisturnier nur acht weitere Veranstaltungstage erlaubt. Setzt Alster seine Pläne um, würden auf der Anlage künftig auch Hockey-Bundesligaspiele bei Damen und Herren ausgetragen, der gesamte Sportbetrieb erheblich an Umfang zunehmen.

Der Verein plant, auch weitere Maßnahmen zur Talentförderung und den Ausbau der Kooperationen mit den anliegenden Schulen. Als Voraussetzung für seine Investitionstätigkeit wünscht sich der Club eine Verlängerung des Erbpachtrechts um mindestens 30 Jahre. „Das ist jedoch keine Voraussetzung“ sagte Clubpräsident Wiedermann.

Die Grundstimmung in den Behörden ist bisher positiv. Im Masterplan Active City heißt es nämlich weiter zu diesem Projekt: „Die Zukunftsfähigkeit des traditionsreichen Sportstandortes scheint gleichermaßen gewährleistet wie die verträgliche Integration von Sportnutzungen in das städtische Umfeld im Sinne einer lebendigen Stadt der kurzen Wege. Es empfiehlt sich daher, die Planungen des Clubs an der Alster unterstützend zu begleiten und gemeinsam nach einer tragfähigen Lösung für den Sport unter Berücksichtigung der Belange seitens der Anwohnerschaft und des DTB zu suchen.“