Er nannte es “Zoologisches Paradies“. Am 7. Mai 1907 revolutionierte ein Hamburger Tierhändler das Bild des Tierparks. Sein Geheimnis: Panoramen ohne Gitterstäbe, die den Besucher in fremde Welten versetzten.

Die Kritiker waren schnell verstummt. "Wir machen diese Hagenbeckereien nicht mit!", hatten entrüstete Zoodirektoren Carl Hagenbeck noch vor der Gründung seines eigenen Tierparks an den Kopf geworfen. Gitterlose Freianlagen, aufwendige Kunstfelsen, Panorama-Ansichten - in einem Zoo! Wo käme man denn da hin! Der Hamburger Kaufmann aus St.Pauli ließ die Kritik mit stoischer, hanseatischer Ruhe an sich abprallen. Am 7. Mai 1907, einem Dienstag, eröffnete er auf einem 27 Hektar großen Gelände in Stellingen, das damals noch zu Preußen gehörte, "Carl Hagenbecks Zoologisches Paradies - Zoologischer Garten der Zukunft". Und schuf damit Maßstäbe in der Gehegegestaltung, die heute noch weltweit kopiert werden. Jetzt jährt sich dieses Ereignis zum 100. Mal.

Der damals bereits knapp 63-jährige Carl Hagenbeck eröffnete bei Weitem nicht den ersten Zoo in Deutschland (das war der Berliner Zoo, 1844). Es war nicht einmal der einzige Zoo für Hamburg. Denn auf dem heutigen Gelände von Planten un Blomen existierte bereits "Der Zoologische", wie die Hamburger den ersten Zoologischen Garten der Hansestadt nannten. In Konkurrenz zu dem Stellinger Betrieb konnte er jedoch nicht mithalten. 1930 wurde aus dem Zoo am Dammtor ein Volks- und Vergnügungspark.

Die Panorama-Idee ließ er sich patentieren

Was Carl Hagenbeck von allen anderen Menagerien und Zoologischen Gärten unterschied, war seine Panorama-Idee, die er schon seit Jahrzehnten erprobt hatte und schließlich, nach der erfolgreichen Vorführung eines Stückchens nachgebildeter Arktis auf der Berliner Gewerbeausstellung 1896, sich auch patentieren ließ. Im folgenden Jahr kaufte er für 35000 Goldmark das Gelände in Stellingen und zog mit seinem Tierhandel 1902 aus der Stadt hierher.

Begonnen hatte die Hagenbecksche Tiergeschichte bereits ein halbes Jahrhundert zuvor, als Finkenwerder Störfischer Carls Vater, dem Fischhändler Gottfried Clas Carl Hagenbeck, als Beifang sechs Seehunde mitbrachten. Vater Hagenbeck stellte sie am 8. März 1848 auf dem Spielbudenplatz zur Schau - die Geschäftsidee der Tierpräsentation war geboren.

In den kommenden Jahren kauft Hagenbeck verschiedene weitere Tiere an, führt sie vor und verkauft sie dann weiter. 1859 steigt sein Sohn Carl, 15-jährig, gemeinsam mit den Geschwistern in das Tierhandelsgeschäft ein. Bereits ein Jahr später verkauft er schon für 1700 Taler Tiere an die Zoos in Berlin, Köln und Dresden.

Der Betrieb wächst kontinuierlich. Am 1. Januar 1866 übernimmt ihn Carl Hagenbeck, mittlerweile 21 Jahre alt, vollends von seinem Vater. 1874 schlägt der befreundete Maler Heinrich Leutemann ihm vor, dass ein Transport von Rentieren nach Hamburg von einer Lappländerfamilie begleitet wird: Es ist die Geburtsstunde der Völkerschauen. Knapp 60 Jahre lang wird Hagenbeck von da an mit Sioux-Indianern, Nubiern, Singhalesen, Kalmücken und Eskimos die weite Welt nach Hamburg und auf Tournee nach Deutschland bringen.

Im April 1887 eröffnet, neben dem Tierhandel, mit "Carl Hagenbecks Internationalem Circus und Singhalesen-Karawane" auf dem Hamburger Heiligengeistfeld ein weiteres Standbein der Familie Hagenbeck. Carl Hagenbeck hat den Zirkus ganz nach dem amerikanischen Vorbild von Barnum & Bailey aufgebaut und betraut seinen Schwager Heinrich Mehrmann mit der Leitung. Er selber widmet sich in diesen Jahren bereits ganz seinen Panoramen, die mit der Eröffnung des Tierparks in Stellingen ihre Erfüllung finden.

1902 hatten hierfür die Erdarbeiten begonnen. 1905 werden die Panorama-Anlagen und die großen Freisichtgehege fertiggestellt. So können 1906 die letzten Tiere aus Hamburg nach Stellingen umsiedeln. Die heute noch als Hagenbeck-Silhouette bekannte, künstlich aufgebaute Felsenlandschaft wird in dieser Zeit von dem Schweizer Bildhauer Urs Eggenschwyler geschaffen - aus mit Zement beschichteten Drahtgeflechten, die über Holzgerüste gespannt sind.

Mit den "Dschungel-Nächten" steuert der Tierpark in das neue Jahrtausend

Carl Hagenbecks Plan ist aufgegangen: Der Tierpark floriert. Nach der schweren Versorgungslage im Ersten Weltkrieg und den dadurch entstandenen Tierverlusten muss der Zoo allerdings von 1918 bis 1922 schließen. Der Gründer erlebt diese schweren Jahre nicht mehr mit: Er stirbt im April 1913, 68-jährig. Seine Söhne Heinrich und Lorenz übernehmen das Geschäft.

Der Zweite Weltkrieg trifft den Tierpark noch härter. Fliegerbomben legen den Park 1943 in Schutt und Asche. 450 Tiere und neun Mitarbeiter werden getötet. Carl-Heinrich Hagenbeck, der Sohn von Heinrich Hagenbeck, baut Anfang der 50er-Jahre mit den Freisichtanlagen für Giraffen und Tiger erste neue Gehege auf.

1960 kann der damalige Hamburger Bürgermeister, Max Brauer, das Troparium eröffnen, das nun, fast 50 Jahre später, mit einem spektakulären Neubau kurz vor der Vollendung steht. 1971 folgt als nächstes großes Gebäude das Delfinarium. Als Carl-Heinrich Hagenbeck 1977 stirbt, übernimmt mit seinem Sohn Dr. Claus Hagenbeck bereits die vierte Generation die Leitung des Familienunternehmens.

Als Seniorchef steht ihm Dietrich Hagenbeck zur Seite, der Sohn von CarlLorenz Hagenbeck. Nach Dietrich Hagenbecks Tod 1982 tritt, als erste Frau in der Geschichte des Unternehmens, seine Tochter Caroline Hagenbeck mit in die Geschäftsleitung ein. 1988 übergibt sie ihren Posten an ihren Ehemann, Joachim Weinlig-Hagenbeck, einen der beiden heutigen Tierparkchefs.

Mit dem Start der "Dschungel-Nächte", den großen Zuchterfolgen der asiatischen Elefanten und der Gründung der Stiftung Tierpark Hagenbeck und des Vereins der Freunde des Tierparks Hagenbeck e.V. (1998) in den 80er- und 90er-Jahren steuert das Unternehmen das neue Jahrtausend an. Dieses wird mit einer der auffälligsten baulichen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte eingeläutet: Der Verlegung des Eingangs vom historischen Elefantentor hin zu einem neuen Haupteingang nahe der U-Bahn-Station Hagenbecks Tierpark.

2004, zum Ausscheiden Claus Hagenbecks aus dem Dienst und der Übergabe seiner Geschäfte an seinen Schwiegersohn, Dr. Stephan Hering-Hagenbeck, wird dann das von Claus Hagenbeck entworfene Orang-Utan-Haus mit auffahrbarer Kuppel eingeweiht.

Der außergewöhnliche Bau gibt den Startschuss für die Neuzeit bei Hagenbeck. Er ist darüberhinaus das erste Zoogebäude, an dem sich die Stadt Hamburg finanziell beteiligt hat - bis dahin war Hagenbecks Tierpark als einziger Deutscher Zoo dieser Größenordnung rein privat finanziert. Auch das 22 Millionen teure Jubiläums-Bauwerk, das Tropen-Aquarium, wird zur Hälfte durch die Stadt Hamburg finanziert.

Eine völlig neue Erlebniswelt - wie schon vor hundert Jahren

Wenn es bis zum Geburtstag am 7. Mai 2007 auch noch nicht ganz fertig sein wird, arbeiten Carl Hagenbecks Nachfahren mit Hochdruck daran, die Besucher wie 1907 mit einer völlig neuen Erlebniswelt zu begeistern. Damit es auch in den nächsten 100 Jahren heißt: "Geh'n wir mal zu Hagenbeck."