Die wiedervereinte Republik ist bald zwei Jahrzehnte alt. Der Fotograf Reto Klar und sein Vater Dieter haben auf einer ungewöhnlichen Deutschlandreise Orte in Ost und West gesucht, die den gleichen Namen tragen. Das Journal stellt einige ihrer Bilder in einer Serie vor.

Bergen (West) hat 4900 Einwohner und liegt im Chiemgau im südöstlichen Bayern. Die Menschen pflegen ihre Traditionen, sie jodeln und tanzen, lieben bayerische Kost und Bauerntheater. Ihren Hausberg, den Hochfelln, finden sie "wie gemalt", nutzen ihn zum Wandern, Skifahren, Mountainbiking. Und sie können ein naturwissenschaftliches Phänomen vorweisen: Auf der Spitze des 1674 Meter hohen Alpengipfels finden Wanderer fossile Korallen und Muscheln. Sie sind Überbleibsel ehemaliten Meeresbodens, den gewaltige Naturkräfte über Hunderte Kilometer zusammengeschoben haben. Bergen galt lange als "rotes Dorf" im schwarzen Bayern. Denn viele Einwohner arbeiteten in der Maxhütte, der größten Eisenhütte Bayerns, und waren gewerkschaftlich und sozialdemokratisch organisiert. Heute ist die Maxhütte ein Museum.

Bergen (Ost) liegt auf der Insel Rügen und ist mit 14 000 Einwohnern dreimal so groß wie sein bayrisches Pendant. Als Kreisstadt ist Bergen gleichsam Inselhauptstadt. Der historische Stadtkern, der nach der Wende aufwendig restauriert wurde, hieß in seiner ersten Erwähnung vor gut 700 Jahren "Villa montis", Hügeldorf. Die Bergstadt wurde auf einer 90 Meter hohen eiszeitlichen Stauchmoräne angelegt. Die Aussicht vom Ernst-Moritz-Arndt-Turm (der Dichter wurde hier 1769 geboren) ist grandios. Die Marienkirche von 1193 ist der älteste erhaltene Backsteinbau Mecklenburg-Vorpommerns.

Ein Mann, der für "seine" Insel kämpft. Ständig ist Uwe Hinz (59) unterwegs, um Kulturgut zu schützen, oder um Interessierten die Schönheit der Insel Rügen und die Schätze der Inselhauptstadt Bergen zu zeigen. Als Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung von "St. Marien und der historischen Altstadt von Bergen auf Rügen" organisiert er Vorträge und kulturelle Veranstaltungen. "Ich liebe meine Heimat", sagt er. Dafür nimmt er in Kauf, dass ihm fast keine Freizeit mehr bleibt.

Denn auch seinem Beruf muss Kürschnermeister Uwe Hinz noch nachgehen. Zusammen mit seiner Frau Beate betreibt er eine der letzten Kürschnereien in Mecklenburg-Vorpommern. Gleichzeitig hat das aktive Ehepaar weitere Geschäftszweige aufgebaut, zum Beispiel ein Pfeifen- und Tabakkabinett. Die Kunden können dort köstliche Tabake schmauchen und edle Weine genießen.

Seine historischen Kleider und den feinen Zylinder legt Uwe Hinz an, wenn er als "Magister historicus" seine Stadt- oder Rügenführungen macht. Sogar Kleinstgruppen ab zwei Personen können sich bei ihm melden. "Die Menge macht es nicht aus. Das Interesse an den historischen Dingen ist ausschlaggebend", findet der Magister. "Wer eine historische Stadtführung mitgemacht hat, der sieht Bergen mit ganz anderen Augen", ist Uwe Hinz überzeugt. Seine Leidenschaft für die Schönheiten der Stadt möchte er gern auf die Besucher übertragen.

Das Foto von Uwe Hinz entstand bei Sturm und Regen in der Nähe des 118 Meter hohen Königsstuhls. Ganz in der Nähe hat Caspar David Friedrich 1818 das berühmte Gemälde "Kreidefelsen auf Rügen" geschaffen.

Sorgen bereiten den Einwohnern von Rügen die Erdrutsche an den berühmten Kreidefelsen. Uwe Hinz, selbst in seinem Herzen ein Romantiker, ist überzeugt, dass die durch Kreide und Mergel weiß schimmernde Steilküste den Menschen noch lange Freude bereiten wird. "Dennoch ist alles endlich", sagt er. "Der Mensch kann dieser Zerstörung nicht Einhalt gebieten. Das muss er begreifen. Der Mensch ist selbst nur ein Teil dieser Schöpfung wie der Baum und das Reh."

Der politische Umschwung durch die Wiedervereinigung hat auch auf Rügen vieles verändert. Für Hinz ging das alles etwas zu schnell. Der Kürschnermeister: "Ein langsameres Zusammenwachsen von DDR und Bundesrepublik wäre für alle sicherlich angenehmer und besser gewesen."

Informationen zum Buchprojekt "Spiegelungen" von Reto und Dieter Klar im Internet unter www.spiegelungen-dasbuch.de