Der Amerikaner Nicholas Sparks ist ein Bestseller-Autor, dessen Thema die Geister scheidet. Die Liebe. Seine Romane sind sichere Drehbücher für erfolgreiche Filme (“Message in a Bottle“). Wir haben mit ihm gesprochen.

Mal ehrlich. Fast jeder hat schon mal einen Sparks auf dem Nachttisch gehabt. Auch wenn der 42-jährige Bestseller-Autor die Meinungen spaltet wie kaum ein anderer Schriftsteller. Nicholas Sparks schreibt Romane über die Liebe. Für die einen produziert er nur sentimentalen Kitsch. Andere verschlingen seine Werke. Zu seinen bekanntesten Romanen gehören "Message in a Bottle" ("Weit wie das Meer"), der mit Kevin Costner verfilmt wurde, oder "Das Schweigen des Glücks". In seinem bislang letzten Buch "Bis zum letzten Tag" (Heyne) lernt ein Liebesunfähiger, endlich seinem Herz zu folgen. Sparks' Romane werden in 46 Sprachen übersetzt. Wie gelingt es einem Schriftsteller, Frauen rund um die Welt Tränen in die Augen zu treiben?

Wir treffen Nicholas Sparks im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten. Er ist zu Gast in einer Suite im vierten Stock mit Blick auf die Außenalster. Es dauert etwas, bis er öffnet. Dann grüßt er mit mittelfestem Händedruck und strahlend weißem Lächeln. Er sieht aus wie ein Baseballspieler, sein Kopf wirkt etwas klein zwischen den breiten Schultern. Er trägt ein ausgewaschenes Sweatshirt, braune Stoffhose und bequeme Lederschuhe. Auf dem Couchtisch steht eine Etagere, auf der bis auf ein paar Petit Fours alles leergegessen ist. Nicholas Sparks setzt sich in eine Ecke des Sofas, schlägt ein Bein über das andere und faltet die Hände über dem Kopf. Er lächelt freundlich, seine Stimme ist wohlklingend. Nur unter seinen Augen haben sich blasse Ringe gebildet.


Journal:

Wie schaffen Sie es eigentlich, Frauen auf der ganzen Welt zum Heulen zu bringen?

Nicholas Sparks:

Gefühle hervorrufen, ohne zu manipulieren, dramatisch sein, ohne melodramatisch zu klingen - das ist hart, aber durch meine Bücher können Frauen eine Menge Emotionen durchleben. Sie wollen nichts Trauriges in ihrem eigenen Leben, aber sie wollen immer wissen, wie es ist, zu leiden. Durch den Blick der anderen ist das Leiden leichter.



Und wie bewirken Sie diese Gefühlsausbrüche?

Ich schreibe nur das, was mich selbst bewegt. Vieles, was ich mir ausdenke, war alles andere als einfach niederzuschreiben. Ich habe zum Beispiel sehr unter dem Tod meiner Eltern gelitten. Mein Vater inspirierte mich zur Figur des Garrett Blake in "Weit wie das Meer". Ich habe erlebt, wie meine Schwester mit ihrer Krebserkrankung kämpfte, nur, um am Ende doch zu sterben. Sie wurde Jamie Sullivan, in "Zeit im Wind". Ich habe miterlebt, wie zwei wundervolle Freunde von mir im Abstand von wenigen Monaten starben. Sie haben mir viel zum Thema wahre Liebe beigebracht und wurden Noah und Allie in "Wie ein einziger Tag". Und ich habe einen Sohn, der mich zu meiner Geschichte "Das Schweigen des Glücks" inspirierte.



Sind Sie hoffnungslos romantisch?

Na ja, hin und wieder ist doch jeder sensibel und romantisch. Auf jeden Fall glaube ich an die Liebe auf den ersten Blick. Meine Frau kannte ich erst zwei Tage, als ich ihr sagte, dass wir heiraten werden. Sie dachte, ich sei total verrückt geworden. Heute sind wir seit 20 Jahren verheiratet.



Es muss anstrengend sein, Menschen zum Weinen zu bringen.

Das ist wirklich ein sehr, sehr harter Job. Schreiben ist, als würde man einen Berg erklimmen. Ein berühmter Bergsteiger antwortete einmal auf die Frage, warum er auf den höchsten Berg will: "Weil er da ist." Ich habe das damals nicht verstanden. Aber ich kann es jetzt, nach meinem 14. Bestseller, sehr gut nachvollziehen. Ich schreibe, weil das Schreiben eben da ist. Was sollte ich sonst machen?



Fast jedes Jahr schreiben Sie einen Bestseller - ist jedes neue Buch ein neuer Achttausender?

Es ist wirklich fast eine sportliche Herausforderung. Wenn ich ein Buch schreibe, denk' ich immer, ich kann es besser machen als das vorherige. Ich genieße es, eine gute Arbeit zu vollenden. Wenn ich es geschafft habe, setze ich mich aufs Sofa neben meine Frau und sage: "Das ist es." Sie sagt dann meistens: "Gut gemacht, Sweety."



Ist die Freude der Arbeit gewichen?

Es ist anstrengend, Bücher zu schreiben, die weltweit zehn Millionen Auflage haben. Ich muss damit 80-Jährige, 12-Jährige und 30-Jährige befriedigen. Die meisten Leser altern mit ihrem Autor. Meine Zielgruppe aber ist weitgefächert. Ich gehe in jedem Buch auf jedes Alter ein.



Was bedenken Sie bei der Entwicklung Ihrer Charaktere?

Die Art, wie sie die Welt sehen und sich ausdrücken. Meine Figur kann sagen: "Ich hasse meine Mutter." Oder: "Meine Mutter ist einfach nur daneben." Das ist ein großer Unterschied. Ich tippe so lange, bis ich die Stimme hören kann.



Und wenn es um ganze Passagen geht?

Es gibt eine alte Regel: zeigen, nicht erzählen. Ich schreibe nicht sofort: "Ich liebe sie." Wenn ich diese Worte schreibe, muss der Leser so weit sein, dass er sagt: "Endlich sagt er es! Ich wusste schon vor zehn Seiten, als er unter dem Sternenhimmel lag, dass er sie liebt." Bis ich das schaffe, vergeht Zeit. Ich schreibe, und es klingt falsch, aber ich weiß nicht sofort, wie ich es ändern kann. Ich lasse es liegen. Lese noch mal. Ändere. Es kann einen Tag dauern, bis ein emotional dichter Absatz entsteht.



Wundern Sie sich eigentlich, warum Sie so erfolgreich sind?

Eigentlich nicht, denn ich war mir über die Marktlücke im Klaren, bevor ich anfing. Wenn man zu selten liest und sich nicht für verschiedenste Genres interessiert, erkennt man Marktlücken nicht. Bis in die 70er-Jahre hatte bis auf Edgar Allan Poe niemand Horrorliteratur geschrieben. Erst Steven King fing damit wieder an. Religiöse Thriller waren das populärste literarische Thema in den 50er-Jahren: "Spartakus", "Ben Hur". 20 Jahre lang machte so etwas keiner mehr. Dann kam Dan Brown, brachte ein bisschen modernes Flair in die Geschichte und nannte sie den "Da Vinci Code" - ein Millionenseller! Zwischen 1950 und 1974 gab es kaum Liebesgeschichten. Bis "Love Story" auf den Markt kam. Viel später folgte der "Pferdeflüsterer". Ich war nicht mal der erste, der die Liebeslücke füllte, aber die anderen schreiben nicht mehr.



Wenn es nicht diese Lücke gegeben hätte, wären sie im Horror-Genre gelandet?

Wahrscheinlich. Ich würde auch gern "Harry Potter" geschrieben haben. Dann müsste ich nicht mehr schreiben.



Müssen Sie das denn?

Ich könnte aufhören. Geld spielt keine Rolle mehr für mich. Ich habe genug davon. Aber ich tue es wegen der Herausforderung. Ich habe noch nicht mein persönliches Ziel erreicht. Ich will das beste Buch schreiben, das in mir ist. Die perfekte Geschichte.



Sie haben fünf Kinder, eine Ehefrau und einen Hund. Wie schaffen Sie es, sich aufs Schreiben zu konzentrieren?

Das geht ganz gut. Ich kann bei Lärm genauso wie bei Stille schreiben. "Wie ein einziger Tag" schrieb ich auf meinem Wohnzimmerteppich, während meine Kinder auf mir herumkrabbelten. Ich schreibe in Hotelzimmern, im Garten, im Flugzeug. Ich lese nur den letzten Absatz, dann bin ich wieder mitten in der Geschichte.



Wie findet es Ihre Frau, dass Sie beim Schreiben Ihr Herz Millionen von Frauen öffnen?

Ganz so ist es ja nicht. Und sie hat ja auch etwas davon. Einmal im Jahr schreibe ich meiner Frau einen Liebesbrief. Meistens zu ihrem Geburtstag. Ich formuliere ihn auf dem Computer, bis er sitzt. Das kann drei oder vier Tage dauern, und er ist eine unglaubliche Herausforderung. Er soll ja nicht zu schnulzig klingen. Aber auch nicht zu nüchtern. Perfekt eben.



Was macht einen erfolgreichen Autoren aus?

Als guter Schreiber muss man ein guter Leser sein. Auch ein guter Beobachter. Man muss ehrlich zu sich selbst sein. Dein Stil ist deiner, man ist, was man ist. Dazu sollte man stehen. Es gibt viele schlechte Bücher, die verlegt werden. Es sind Bücher, die wirklich nur mit einer Technik geschrieben wurden. Da fehlt es an Talent. Das sind einfach keine guten Bücher.


Seine PR-Frau flüstert ihm, dass seine Frau Cathy angerufen hat. Nicholas Sparks blickt um sich, als stehe sie irgendwo im Raum. Dann fragt er, was sie gesagt hat. Sie bittet um Rückruf, sagt die PR-Frau. Und schon vergisst Sparks, sich zu verabschieden und sucht nach seinem Telefon.