Im August beginnt für viele Jugendliche die Ausbildungszeit. Lehrlinge wagen den ersten Schritt in den neuen Job. Abendblatt-Redakteurin Anne Dewitz testet die beliebtesten Ausbildungsberufe und solche, die noch freie Stellen haben. Oder neu geschaffen wurden - wie der des Speiseeisherstellers.

Kein Lakritzeis da, stellt die Frau enttäuscht fest. Das mag sie am liebsten. Es wird aus Türkisch Pfeffer, scharfen Lakritzbonbons, die mit Salmiakpulver gefüllt sind, gemacht. Eine Spezialität des Hauses, die es nur gelegentlich gibt. Doch bei dem breiten Angebot fällt es nicht schwer, auf eine andere Sorte auszuweichen.

Ein bisschen aufgeregt stehe ich vor dem Eisladen "Kleine Pause" an der Wohlwillstraße 37. Der Blick scannt die Auslage. Rund zwanzig verschiedene Eissorten türmen sich in farbenfrohen Hügeln vor mir auf. Nebenan, in der dazugehörigen urigen Eckkneipe, die seit 22 Jahren zu St. Pauli gehört, ist es um elf Uhr noch ganz ruhig. Vom gegenüberliegenden Spielplatz weht das ausgelassene Kreischen der Kinder und die ermahnenden Rufe der Mütter herüber.

Doch ich höre sie nur gedämpft. Schließlich erfordern wichtige Entscheidungen vollste Konzentration: Omis Schokokeks oder lieber Schwarzwälder Kirschtorte? Das ist hier die Frage. Und wonach schmeckt eigentlich Herrentorte? Bounty, Kokoseis mit Schokosplittern, klingt exotisch und schmeckt bestimmt auch so. Alle werde ich nicht probieren können, überlege ich. Ich muss mich entscheiden. Doch die Wahl ist eine Qual. Ich bekenne: Eis ist eine meiner wenigen Schwächen. Nur mein eiserner Willen und eine Scheibe zwischen dem Eis und mir halten mich davon ab, mich mit einem großen Löffel durch die Eisberge zu wühlen.

Und so erscheint es wie ein Wirklichkeit gewordener Traum, dass es seit dem ersten August einen Ausbildungsberuf gibt, der es ermöglicht, seine eigenen Lieblingssorten zu kreieren - den des Speiseeisherstellers.

Ein Beruf, der auf Grundlage der Initiative eines Fachverbandes vollständig neu entwickelt wurde und selbstständigen Speiseeisherstellern die Rekrutierung geeigneter Fachkräfte ermöglichen soll. Denn bisher waren Eishersteller zumeist Autodidakten. So wie Rolf D. Der gelernte Koch stellt das Eis für die "Kleine Pause" her. Er erwartet mich schon. Schweren Herzens löse ich den Blick von der Eisauslage und folge ihm in die Küche. Jetzt habe ich gar keine Sorte kosten können. Zu lange gezögert. "Später", tröste ich mich.

Stolz zeigt St.-Pauli-Urgestein Rolf, der sonst Musiker auf dem Hurricane-Festival bekocht und selbst in einer Band spielt, mir sein blitzsauberes, aber sehr schmales "Versuchslabor" und dessen Herzstück - die Eismaschine. Hier stellt er Standardsorten her. Schokolade, Vanille und Stracciatella sind allzeit beliebte Klassiker und müssen immer vorrätig sein. Hier kreiert er aber auch neue Eissorten. Jägermeistereis war während der EM der Renner. Der Mann ist ein Genie. Sich mit Eis betrinken, das klingt fantastisch. Portweineis gibt es im Winter, genauso wie Lebkuchen- und Zimt-Pflaumen-Eis. Im Sommer sind es eher Fruchteis-Sorten, je nach Saison aus frischer Frucht. "Die Qualität steht im Vordergrund", sagt Rolf. Wirkt sich aber nicht auf den Preis aus. Der ist mit 70 Cent pro Kugel vergleichsweise günstig.

Walnuss-Schoko ist sein neuester Renner. Und genau das wollen wir jetzt zubereiten. Doch bevor wir loslegen, erst einmal Hände desinfizieren. Hygiene geht über alles.

Wir wollen mit den hellen Sorten beginnen und uns zu den dunklen vorarbeiten. "Das ist effektiver", sagt Rolf.

Zunächst müssen die Zutaten abgemessen werden. Wie viele Liter Milch und Sahne gebraucht werden, verrät eine Rezepttabelle an der Wand. Die Mengen an Zucker können allerdings von den Vorgaben abweichen, je nachdem wie warm es draußen ist. "Denn Zucker macht das Eis weicher", erklärt Rolf. Dem kann mit Dextrose begegnet werden, die steuert gegen. Schließlich soll das Eis idealerweise cremig, nicht zu hart und nicht zu weich, sein. Und die Mengen müssen natürlich immer die gleichen sein und deshalb abgewogen werden, damit der Geschmack immer gleich bleibt.

Rolf nimmt einen Stabmixer in XXL-Format zur Hand und verrührt alle Zutaten. Dann kippt er das Gemisch zum Pasteurisieren in einen Trichter der Eismaschine. "Mit Schwung hinein in die gute Stube", kommentiert Rolf. Ich schaue ihm erst mal über die Schulter, wie er ein paar Knöpfe drückt und die Maschine in Gang setzt. Das Gemisch wird langsam auf 85 Grad Celsius erhitzt. Bei 82 Grad werden Keime in der Milch abgetötet. Das dauert jetzt erst einmal zehn Minuten.

Zeit, das Haselnusseis anzurühren. Doch vorher desinfiziert Rolf die Arbeitsfläche und wischt sie mit Papiertüchern bis sie glänzt.

Erneut messen wir Milch, Sahne, Zucker, Dextrose und Bindungsmittel nach Rezept ab und verrühren das Ganze. Jetzt kommt aber statt der Walnuss-paste Haselnussmus hinzu. Rolf öffnet den Deckel der Dose. "Ein Naturprodukt", sagt er und zeigt mir den braunen Inhalt. Ein Duft erfüllt die kleine Küche, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Viel besser als Nutella. Ehrlich.

Die Eismaschine piept. Die Pasteurisierung ist abgeschlossen. Rolf öffnet einen Hahn, und das erhitzte Walnusseis-Gemisch fließt in die darunter liegende Kammer. Hier wird es auf minus 14 Grad gekühlt. Rolf stellt den Härtegrad auf zehn ein. Die Maschine rührt unentwegt. Allmählich wird die Konsistenz fester. Die Eismaschine ist mit einem kleinen Wasserschlauch ausgestattet. Damit spült Rolf die obere Kammer aus. Jetzt kann ich oben das Haselnusseis-Gemisch zum Pasteurisieren eingefüllen. Mittlerweile ist das Walnusseis schön cremig und kann abgefüllt werden. Rolf reicht mir eine vorgekühlte Metallwanne. Dann öffnet er die Eiskammer. Wie in Zeitlupe spuckt die Maschine das Eis stoßweise aus. Mit einer Kelle füllt Rolf das Eis in den Behälter. Als der Boden mit der ersten Schicht bedeckt ist, schließt er die Luke. Nun wird das Eis marmoriert. Dazu tröpfelt er mit einem Löffel großzügig warme, flüssige Schokolade über die Eiscreme. Dann öffnet Rolf wieder die Kammer, für die zweite Schicht. Bis der Behälter gefüllt ist. Gehackte Walnüsse runden das Kunstwerk ab. Jetzt muss das Eis schockgefroren werden. Während Rolf die Wannen ins Tiefkühlfach verfrachtet, übernehme ich die Qualitätskontrolle und lecke die Kelle ab. Fantastisch. Diese Aufgabe nehme ich sehr ernst. Und so prüfe ich kritisch auch alle anderen Sorten, die wir zubereiten: Haselnusseis, Stracciatella, Joghurtkirsch und Joghurtmandarine, Schokoladeneis. Jedes Mal sieht mich Rolf über seinen Brillenrand hinweg an und wartet auf mein Urteil. So viele lobende Worte sind mir in einem Jahr nicht über die Lippen gekommen.

Für das Kirscheis wiege ich Sauerkirschen, Zucker und Wasser ab. Ich schmeiße den Pürierstab an. Da es keine Milch enthält, muss das Eis diesmal nicht pasteurisiert werden und geht gleich zum Kühlen in die Eiskammer. Die letzte Eissorte für heute. Rolf und ich sitzen noch eine Weile zufrieden vor der Eisdiele in der Sonne und beobachten das Treiben auf der anderen Straßenseite. Was denn seine Lieblingssorte wäre, frage ich ihn. "Ach weißt du, ich mag eigentlich gar kein Eis." Und das sagt jemand, der Eissorten wie "Minze mit Besuch vom Dom" kreiert.


In der letzten Folge: Anne Dewitz als&160; Restaurantfachfrau