Im Horrorfilm Shining spielt Jack Nicholson den Schriftsteller Jack Torrance, der seitenweise “Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“ auf seiner Schreibmaschine tippt. Wie der Film endet, dürfte jedem noch in Erinnerung sein. Die “Dramaturgische Ambulanz“ sorgt dafür, dass im wahren Leben niemand durchdreht.

Versuch dich zu erinnern. Was ist damals passiert? Hast du deine Geliebte umgebracht?" Daniel Douglas Wissmann sieht angestrengt zu Boden, blickt dann Meike Parussel direkt in die Augen und sagt: "Es wäre möglich." "Super", sagt Meike Parussel. "Das ist doch ein guter Anfang."

Die 45-jährige diplomierte Musiktheater-Regisseurin hilft Autoren wie Daniel Wissmann, Schreibblockaden zu lösen. Seit einem halben Jahr ist sie mit ihrer "Dramaklinik" online. Durch Coaching und szenisches Arbeiten an "dramaturgischen Problemzonen" entwickelt sie gemeinsam mit ihrem Kunden neue Ideen. Was sie von anderen Autorenberatern abhebt? Meike Parussel hat eine therapeutische Ausbildung. "Unter vier Augen mit dem Autoren geht es auch ans Eingemachte", sagt sie. Wenn beim Autor zum Beispiel der Haussegen schiefhängt oder andere Ereignisse im Leben des Kunden zu einer mentalen Blockade führen. "Ich will Raum für Ausdruck schaffen, eine Möglichkeit, Emotionen freien Lauf zu lassen", erklärt sie.

Mit Daniel Wissmann arbeitet sie ausschließlich an der Szene. Der 45-Jährige hat bereits Drehbücher für TV-Serien wie "Die Straßen von Berlin", "Wolffs Revier", "Bella Block" oder "GSG9", Hörspiele und Romane veröffentlicht. Er arbeitet an einem neuen Drehbuch. In der Mitte des zweiten Aktes ist er ins Stocken geraten. "Manchmal findet man zu Hause nicht die Ruhe zum Schreiben oder die Gedanken drehen sich im Kreis", sagt Daniel Wissmann. Also hat er sich mit Meike Parussel zu einem Spaziergang an der Alster getroffen, um die Szenen bis dahin durchzusprechen und auf neue Gedanken zu kommen. Bewegung und frische Luft tun ihr Übriges. "Viele Autoren arbeiten bevorzugt an kraftvollen, inspirierenden Orten", sagt Meike Parussel. Und da das Angebot speziell auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten ist, kann das auf der Elbe, im Literaturhaus, im Hafen, der Kunsthalle oder eben an der Alster sein.

Zunächst erzählt der Autor, worum es in der Geschichte geht. Meike Parussel hört zu, stellt dann gezielt Fragen. Durch szenisches Arbeiten werden die Protagonisten auf die Probe gestellt. Dazu begeben sie sich in die Figuren hinein, untersuchen die Logik des Plots, decken Unstimmigkeiten auf. "Coachen heißt eben auch, sie ein bisschen zu pieksen", sagt sie. Meike Parussel und Daniel Wissmann stehen sich auf dem Bootssteg gegenüber. Sie fordert ihn auf, in die Rolle seines Helden zu schlüpfen. Ihm fällt das zunächst nicht leicht. Er fühlt sich etwas unbehaglich, spricht immer wieder in der dritten Person von seinem Helden. Doch Meike Parussel lässt nicht locker, bohrt weiter: Was will der Held eigentlich? Wie sieht er aus? Was motiviert sein Handeln? Sie spielt ihn an, "wirft ihm Bälle zu", wie sie es nennt. Schließlich findet sich Daniel Wissmann in seine Rolle hinein und antwortet als seine Hauptfigur Marco. Daniel Wissmann geht unbewusst in eine gebeugte Haltung, die dem gebrochenen Charakter seiner Figur entspricht. Ein spannender Dialog entsteht. Durch das Nachspielen werden Ungereimtheiten aufgedeckt. Es zeigt sich, an welcher Stelle die Geschichte nicht ganz rund läuft. Die Szene nimmt eine unerwartete Wende.

Daniel Wissmann spürt, dass es eine gute Geschichte wird. "Bisher hatte ich nur noch nicht die richtige Schublade geöffnet", sagt er. Meike Parussel hat ihm geholfen, den Schlüssel für die Schublade mit der fertigen Geschichte zu finden. "Im Nachhinein denke ich, da hätte ich auch selbst drauf kommen können", sagt Daniel Wissmann. "Aber manchmal braucht es eben doch jemanden, der den Schalter umlegt." Den Kopf voller neuer Ideen geht Daniel Wissmann nach Hause, um diese gleich aufzuschreiben.


Info: Meike M. Parussel, Tarpenbekstraße 57, 20251 Hamburg, Telefon: 41 26 99 87

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