Journal:

Können Sie selbst zeichnen oder malen?

Tori Amos:

Ich bin so schlecht. Es ist furchtbar. Meine Tochter könnte Ihnen da einiges erzählen. Aber meine Bücherregale sind voller Kunstbücher über Illustratoren und Maler. Für mein nächstes Album recherchiere ich gerade über die Präraffaeliten und die Dada-Bewegung.



Ihre Musik hat die Künstler zu den Comics inspiriert. Funktioniert das auch andersherum?

Komischerweise begann ich Musik zu hören, als ich mir die Comics ansah. Neue Musik. Es ist eine Art endloses Geben vom einen Medium zu anderen. Das gefällt mir sehr, weil ich immer enge Verbindungen zu visuellen Medien gespürt habe. Es ist schon komisch. Ich kann selbst nicht malen, aber wenn ich mir die Werke der Künstler ansehe, beginne ich zu hören.



Welche Vorgaben hatten die Künstler?

Ich wollte ihnen wirklich alle Freiheiten lassen. Sie sollten sich nicht unbedingt daran orientieren, was ich wollte. Der Song konnte auch eine Art Sprungbrett sein, der sie ganz woandershin beförderte. Auch stilistisch war alles offen.



Neil Gaiman nennt Sie in seinem Vorwort seine "Schwester im Verbrechen". Wie mag er das gemeint haben?

Wir versuchen beide alte Mythen wieder in die populäre Kultur hineinzuweben.



Sie selbst bezeichnen sich im Buch als "Spinne mit einer Schuhsammlung". Was bedeutet das?

Spinnen haben einen schlechten Ruf, dabei sind sie so schön. Mein Mann hat mir dabei geholfen, mich an sie zu gewöhnen. In den Mythen der Indianer weben diese Tiere auch Geschichten. (Amos' Mutter stammt von den Cherokee-Indianern ab.) Und mit ihren langen Beinen sollten wir sie eigentlich als etwas Glamouröses betrachten.



Und Ihre Schuhsammlung?

Ach, sie ist zu groß. Jeder weiß das. Aber wenn die Welt wirklich schlecht wird, könnte ich einige verleihen, wenn jemand Größe 37 oder 37 ½ hat.



Sie haben gerade Aufnahmen vom Anfang Ihrer Karriere beim Jazzfestival in Montreux 1991 und 1992 veröffentlicht. Wie hat sich das Geschäft seitdem verändert?

Ich möchte heute lieber ein Partner der Plattenfirmen sein als nur ein Einzelkünstler. Wenn ein Label Geld in dein Projekt steckt, hältst du selbst nicht viele Karten in der Hand. Wenn man das aber will, muss man sein eigener Investor sein. Das habe ich im Laufe der Jahre lernen müssen. Ich habe dafür gekämpft, dass die kreative Seite unverfälscht und intakt bleibt. Dies ist nicht die Zeit, in der Frauen unterwürfig sind, weder in der Ehe, noch im Musikgeschäft.



Wie haben sich die Songs des Albums weiterentwickelt?

Songs sind eigene Wesen. Wenn ich meine Sache gut mache, übersetze ich sie. Wenn ich zu viel mit mir selbst beschäftigt bin, schaffe ich das nicht.



Suzanne Vega hat erzählt, dass ihre Tochter manchmal eifersüchtig auf ihre Gitarre ist, weil die ihr den Platz auf dem Schoß streitig macht. War Ihre Tochter auch schon eifersüchtig auf Ihr Klavier?

Meistens sagte sie: "Mummy go rock!" Sie wusste Bescheid. Um mein nächstes Projekt zu finanzieren, nutzen wir gerade die Ersparnisse, die eigentlich für ihr Studium am College gedacht waren.



Wie findet sie das?

Sie hat gesagt: "Wer weiß, ob ich überhaupt zum College gehe". Aber das habe ich ihr versichert. Als sie klein war, hat sie mich tatsächlich mal gefragt, ob ich sie so sehr liebe wie mein Klavier.



Und?

Ich habe gesagt: Natürlich, aber es ist eine ganz andere Art von Liebe.



Für welches Projekt riskieren Sie das Ausbildungsgeld Ihrer Tochter?

Es ist eine Kombination von Songs und Filmen. Wir haben sie sehr schnell gedreht. In ihrer Machart erinnern sie an die von Mike Leigh. Bisher bin ich der einzige Investor. Ich überlege gerade, wem ich das anbieten soll, damit es der Welt zugänglich wird.



Und wann erblickt die Welt das Musical "The Light Princess"? Sie arbeiten doch an einer Adaptation von George MacDonalds Märchen mit dem Dramatiker Samuel Anderson für das British National Theatre?

Ich bin dabei. Es ist faszinierend, aber sehr komplex. Die Leute beim Theater sind sehr traditionsbewusst, ich bin eher in der Gegenwart verwurzelt. Wir bringen hoffentlich etwas Wagner und etwas Beatles-ähnliches hinein. Wir wollen alle in die gleiche Galaxis und dabei nicht allzu weit voneinander entfernt sein.



Zum Hören: Tori Amos. Live at Montreux 1991-1992. Eagle Rock (CD/DVD)