Gätjen trifft ... Peter Krämer. Der Millionär spricht über den Verzicht auf Statussymbole und den Wunsch, die Welt zu verändern

Hamburg. Er meldet sich gern zu Wort. Der millionenschwere Reeder Peter Krämer, Chef des von seinem Vater 1958 gegründeten Familienunternehmens Marine Service Gruppe, macht sich in Artikeln, Reden, Vorträgen und auch mal von der Kirchenkanzel Luft. Plädiert für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer auf private Großvermögen. Fordert eine gerechtere Steuergesetzgebung, um die Schere zwischen Arm und Reich wenigstens ein bisschen zu schließen. Warnt vor dem demografischen Albtraum, der spätestens 2050 auf uns zukommt: zu wenig Erwerbstätige, zu viele Rentner. Die Wahl zwischen Pest und Cholera letztlich.

Peter Krämer redet einfach gern. Und singen kann er auch. Hier in seinem Büro an der Mattentwiete legt er plötzlich los. Lautstark und in tiefem Bariton: "All the best for Africa, all the best for Africa, hhmmm hhmmm, we will save the continent." So gut, dass man verstehen kann, warum der große US-Sänger, Schauspieler und Entertainer Harry Belafonte mit einstimmte und alle Gäste der Unicef-Einladung in einem Berliner Hotel auch. Das war an Krämers 55. Geburtstag, als er das Geburtstagsständchen ihm zu Ehren zur Afrikahymne umfunktionierte und damit klarmachte, was ihm am Herzen liegt: die von der Nelson-Mandela-Foundation und Unicef International gegründete und von ihm finanziell und persönlich mitgetragene, sehr erfolgreiche Initiative "Schulen für Afrika".

An seinem 60. Geburtstag in der vergangenen Woche allerdings hat er sich ausgeklinkt, ist mit einem seiner besten Freunde an die Ostsee gefahren und hat nonstop darüber diskutiert, ob "Der Fremde" oder "Die Pest" das wichtigste Werk des französischen Schriftstellers und Philosophen Albert Camus sei. Das hört sich ein bisschen nach studentischem Debattierklub an. Nein, sagt Peter Krämer, er liebe einfach das Gespräch, brauche den Dialog, Anstöße für immer neue Ideen und Menschen, die ihm auch mal auf gut Kölsch sagen: Das ist ja Kappes, was du dir da ausgedacht hast. These und Antithese könnten manchmal eine wunderbare Synthesis ergeben, sagt er leicht pathetisch.

Peter Krämer hat schon etwas Raumfüllendes an sich. Vielleicht auch etwas Dominantes, gesteht er zögernd. Er schlägt gerne große Bögen im Gespräch, vor allem nach dem mit Vorsicht zu genießenden Satz: "Lassen Sie mich das mal so formulieren ...", und besitzt genügend Selbstironie, um - dabei ertappt - auch darüber lachen zu können.

Als Kind war er ein zaghafter kleiner Kerl. Stotterte, wurde dafür gehänselt, traute sich nicht auf Bäume zu klettern, auf Mauern zu balancieren, brauchte lange Zeit, sich davon zu befreien. Die Höhenangst ist geblieben. Eine Fahrt über die Köhlbrandbrücke treibt ihm noch heute den Angstschweiß auf die Stirn, genau wie die 25 Meter aufragenden, schmalen Gangways seiner Tankschiffe.

Als Elfjähriger ist er Zuhörer bei politischen Auseinandersetzungen seines erzkonservativen Vaters und dem SPD-nahen älteren Bruder. Als 17-Jähriger organisiert er die erste Schülerdemo für mehr Mitbestimmung, kämpft gegen Ungerechtigkeit und allzu große Bequemlichkeit. Ein Kämpfer, nicht um des Motzens willen, so ein Mitschüler, sondern aus Überzeugung.

Peter Krämer will Lehrer werden, so einer wie der von ihm verehrte Deutschlehrer am Walddörfer Gymnasium. Will mehr als Wissen vermitteln, mehr bewegen, als sich für den richtigen Platz des Cola-Automaten einzusetzen. Will Fragen stellen, das Über-den-Tellerrand-hinaus-Gucken fördern. Ein Soziologiestudium bricht er mangels Berufsaussichten ab und steigt noch vor Beendigung seiner Promotion nach dem mit Auszeichnung bestandenen Zweiten juristischen Staatsexamen in die Familienfirma ein. Dank seiner unkonventionellen Ideen wird er schnell zum "Roten Reeder" in der hanseatischen Kaufmannsszene gekürt.

Und dann bleiben wir noch kurz bei Statussymbolen hängen, von denen er absolut nichts hält. Eine preiswerte Armbanduhr trägt er, fährt einen 80er-Jahre-Mercedes und wohnt in einer Mietwohnung in Marienthal. Statussymbole seien für ihn ein Ausdruck der Leere. Leere mit Doppel e, bitte. Und dieses kleine feine gestickte P.K. auf seinem Oberhemd? Ein Ausrutscher nur. Für fünf Dollar aus Hongkong.

Es ist schon ein weiter Weg des 20-Jährigen, der noch einen Monat nach dem Abitur täglich zur großen Pause auf den Schulhof zurückkehrt, sich von der Geborgenheit der Schule nicht lösen mag. Auf der Suche ist er nach Heimat, nach Sicherheit. Hin zu diesem selbstbewussten Machtmenschen, der hier endlich sein Zuhause gefunden hat. "Hier in meinem Büro", sagt er mit weit ausholender Geste. Mit diesen Bildern. Er erzählt von seiner Bewunderung für den großen Maler Pablo Picasso, dessen ungeheure Lebenskraft und Lebenslust. Das, was ihn selber auch antreibe, verbunden mit dem Wunsch, die Welt verändern zu wollen. Mit "Schulen für Afrika" hat er es schon ein bisschen geschafft: Mehr als eine Million Kinder im südlichen Afrika können dank dieser Kampagne zur Schule gehen.

Dann springt er auf, geht zum Fenster. "Sie sollten mich tanzen sehen", sagt er. Wenn der erste Neuschnee liegt. Dann müsse er raus, ihn tanzend genießen. Aus schierer Lust und Lebensfreude. An diesem Tag hat es keinen neuen Schnee gegeben. Wie schade.