Die Journalistin Maria von Welser ist noch bis September Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg. Was sie plant, verriet sie Heike Gätjen.

Hamburg. Gemischtwarenläden hat sie nicht so gern. Das hat sie gezeigt, als sie im ZDF das Frauenjournal "Mona Lisa" übernahm und umkrempelte. Weg von der bunten Mischung aus Küche, Kosmetik, Klatsch hin zu gesellschaftlichen Schieflagen. Abtreibung, Altersarmut bei Frauen, Kindesmisshandlungen. Und davon hat sie bis heute nicht gelassen. Ihr Buch "Leben im Teufelskreis - Kinderarmut in Deutschland" ist gerade erschienen. Maria von Welser, Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg.

Sie hat es wie immer geschafft einen Parkplatz zu kriegen. Selbst hier am Eppendorfer Baum zur Mittagszeit. Ein Naturtalent sei das, sagt sie. Zum Ärger ihres Mannes, der lieber schon den ersten freien Platz in weiter Entfernung nehme. Hier im Bistro Engelke sitze sie gern, weil es so schön unkompliziert sei. Bestellt eine Brühe ohne Ravioli und den Gemüseteller. Eine energiegeladene Frau, die diszipliniert ist und isst. Keine Kohlehydrate, kein Fett, kein Zucker. Minus zehn Kilo habe sie so geschafft. In einem halben Jahr.

Im September läuft ihr Vertrag beim NDR aus. Das müsse man dann intelligent gestalten, sagt sie. Dieses dritte Leben. Anschlussverwendung heiße so was bei der Bundeswehr. Was für ein Wort! Das habe sie von ihrem dritten Ehemann, einem pensionierten Luftwaffen-Offizier. Sie werde sich dann also weiterverwenden als stellvertretende Vorsitzende von Unicef Deutschland und habe auch noch was anderes Spannendes in Aussicht - "wird noch nicht verraten". Und könne mehr schreiben. Sie ist ohnehin gerade dran an einem neuen Buch. Thema: Weisheit. Schwierig, oder? Sie könne ja die provokante These aufstellen: Weisheit ist weiblich. Aber das klappe nicht ganz. Und schon ist sie wieder mittendrin. In ihrem Lieblingsthema: Geschlechterrollen. Ein Dauerbrenner? Ja, sagt sie, wenn man als lebendige Frau in der Welt steht, dann komme man einfach nicht daran vorbei.

Ihr Wechsel 2003 vom ZDF zur ARD war ein großer Schritt. Vom Leben vor der Kamera auf Verwaltungsflure. Sie habe schon immer beklagt, dass "da oben" Menschen sitzen, die nicht immer was vom Genre verstehen. Sie habe die Chance bekommen und genutzt: die "kalte blaue Suppe" in manchen Sendungen ersetzt durch wärmere Rottöne; einen neuen Musikteppich bei NDR 90,3; Moderatoren wie Alexander Bommes und Julia-Niharika Sen fürs "Hamburg Journal". Wir bleiben kurz hängen an Charlotte Roche, der Ex-Moderatorin von "Drei nach Neun" mit der hohen aufgeregten Piepsstimme. Die hätte sie nie genommen, sagt Maria von Welser entschieden. Falsche Tonlage!

Zum Journalismus kam die Tochter einer Moderedakteurin ausgerechnet über das, was sie heute das Abgrenzen vom Elternhaus nennt. Den Leistungssport. Als Deutsche Jugendmeisterin im Riesenslalom schrieb die 16-Jährige für eine Lokalzeitung über Skirennen. Und blieb dabei. 21 Jahre lang. Immer interessiert, engagiert. Vielfach geehrt für ihren Einsatz für die Rechte von Frauen. Von Ruanda bis zum Balkan. Und gerade auch in Deutschland. Und dann ist sie kaum noch zu bremsen. Dieses kälter gewordene soziale Klima ... Halt. Stopp. Ja, sagt sie, aber man kann doch nur meckern, wenn man weiß, worum es geht. Und als alleinerziehende Mutter habe sie alles rauf und runter durchgemacht. Fehlende Ganztagskindergärten und -schulen bis hin zum Schimpfwort Rabenmutter. Und ein schlechtes Gewissen gehabt? Also, sagt sie empört. Würden Sie diese Frage einem Mann stellen? Nein. Eben. Dann erübrige sich eine Antwort.

Wir bestellen Tee nach, einen doppelten Espresso und eine zweite Gabel fürs gemeinsame Herumstochern im Gemüse. Maria von Welser wühlt in ihrer großen Tasche. Zieht eine Tupperwaredose raus gefüllt mit Obstschnitzeln. Hier, sagt sie. Der Beweis, dass sie sonst mittags weniger üppig esse. Erzählt von dem Spruch einer Freundin aus Kindertagen: Gib der Maria ein paar Aktenordner in die Hand und einen weißen Kittel, und sie ist glücklich. Da sei schon was dran. Mal abgesehen vom Kittel. Sie habe es gern geordnet. Leide nicht an Verwaltungsratssitzungen und Direktorenkonferenzen.

Wir erörtern lachend die Frage, ob bundeswehrgestählte Männer ehetauglicher sind, weil sie gelernt haben, sich ein- und unterzuordnen. Lästern kurz über geflochtene Herrenschuhe. Ein Graus für sie. Und haken ihre private Vorliebe für "Tatort" und "Inspektor Barnaby" ab. Vor mehr als zehn Jahren ist Maria von Welser zur katholischen Kirche übergetreten. Sie, "das einzige Heidenkind" damals am Tegernsee. Im Katholizismus habe sie eine Heimat gefunden. Wärme und Toleranz. Und natürlich auch ein neues Schlachtfeld. Frauenmangel, Priesterzölibat.

Und dann erzählt sie von der längsten und bewegendsten Sendung ihres Lebens. Am 6. September 1997. Die Beerdigung von Prinzessin Diana. Als Anchorwoman saß sie im Mainzer Studio. Von 9 bis 17.20 Uhr. Ohne Pause. Und dann diese letzten Bilder! Ohne Kommentar. Ohne Ton. Nur die schmiedeeisernen Tore von Schloss Althorp, die sich langsam hinter dem Leichenwagen schlossen. Ihr war zum Heulen zumute. Und so ist es irgendwie doch ein Gemischtwarenladen geworden. Dieses Gespräch. Zefix Halleluja, würde Maria von Welser wahrscheinlich auf gut Bayerisch darüber fluchen. Denn das kann sie auch. Diese Frau, die es nicht gern allzu seicht hat.