Ab dem 11. Januar steht Schauspielerin Anne Weber wieder auf der Bühne des St.-Pauli-Theaters in “Der Gott des Gemetzels“.

Hamburg. So lässt sich das neue Jahr doch gut an. Mit viel Gelächter und einem Crashkurs in Sachen Tango vom Feinsten. Dem argentinischen Tango. Nicht dem aus der Tanzstunde, den Sie draufhaben, sagt sie. Anne Weber, die ab dem 11. Januar wieder auf der Bühne des St.-Pauli-Theaters in "Der Gott des Gemetzels" auf der Bühne steht. Zum dritten Mal schon. Als eine der beiden Ehefrauen, in dem zu einem heftigen Schlagabtausch um pädagogische Grundsätze entgleitenden Kampf, den sich zwei Ehepaare liefern. Und von dem sie begeistert erzählt. Bis uns der Tango dazwischenkommt.

Hier im Szenecafé Gnosa mit den besten Torten und Kuchen Hamburgs an der Langen Reihe sind die netten Kellner durch nichts zu erschüttern. Auch nicht durch einen Tanzkursus zwischen den Tischen. Tango ist Anne Webers andere große Leidenschaft. Und sie mag gar nicht glauben, dass man dieses "Tanzschulbeckenbodengerangel" für sinnlich halten kann. Also, sagt sie entschieden. Kommen Sie. Das Gewicht nach vorne auf die Beine. So. Die Unterkörper schön getrennt, damit die Beine Platz zum Wirbeln haben. Nur die Oberkörper haben Kontakt. Ganz intim. Wange an Wange. "Das ist sinnlich!", sagt sie entschieden und lacht.

Ende der Vorstellung. Wir kehren zurück zum Chai Tee und Cappuccino. Und zu Anne Weber. Die so zart und zerbrechlich wirkt. Mit braunen, grün gesprenkelten Augen und einer klaren, leicht angerauten Stimme. Dabei hätte sie gerne eine richtige Soulstimme, sagt sie schnell. Und, nein, zerbrechlich sei sie auch nicht. Eher zäh. Gestählt durch die Jahre auf der Gesamtschule in Kiel. Ein richtiger Kotzbrocken sei sie damals gewesen. Besserwisserisch und altklug. Ein typisches Einzelkind, das statt sozialem Miteinander lernte, sich unsichtbar zu machen. Bis die Theatergruppe dank einer kreativen Lehrerin zu ihrer Rettung wurde.

Sie geht ganz schön mit sich ins Gericht. Diese früh schon mit dem Boy-Gobert-Preis ausgezeichnete und zur besten deutschen Nachwuchsschauspielerin gekürte Anne Weber. Undiplomatisch sei sie, müsse - sobald ihr eine Laus über die Leber laufe - sofort alles klären. Psychologisches Taktieren gehe ihr ab. Das habe ihr das Leben schwer gemacht, damals am Hamburger Schauspielhaus, als sie gerade eine ihrer größten Krisen durchmachte. Sie konnte sich einfach nicht zurechtfinden in dieser Welt des Staatstheaters. Dem Zwang, sich an die herrschenden Regie-Moden anzupassen. Kam sich plötzlich verunsichert vor, zu wenig selbstbewusst, orientierungslos. Saß zwischen allen Stühlen.

Und spielte doch die Titelrolle im "Käthchen von Heilbronn". Ausgerechnet diese Rolle! Eine von Selbstaufopferung und Unterwerfung geprägte junge Frau. Unterordnung und Fürsorglichkeit, nö, sagt sie. Davon wollte sie sich damals doch privat gerade befreien. Es gab harte Grabenkämpfe in den Proben, bis ihr bewusst wurde, dass Märchen und Mythen auf der Bühne existieren dürfen. Und dann habe es ihr richtig Spaß gemacht. Ach, sagt sie, klar, die Liebe als Himmelsmacht. Davon total überwältigt werden, danach sehnen wir uns doch alle. Schneewittchen, wach geküsst von einem Prinzen! Und lacht. Trotzdem - sie sei eher realistisch, pragmatisch.

Seit knapp 14 Jahren lebt Anne Weber mit Franz Wittenbrink zusammen, der mit seinen Liederabenden ein neues Theatergenre erfand und mit dem sie gemeinsam ab März im St.-Pauli-Theater als Dramaturgin in dem Liederabend "Ritze" zusammenarbeiten wird. Mal nicht wie sonst als Schauspielerin und Sängerin - und ein großes Abenteuer. So was liebe sie.

Genau wie diese kleinen Nischen, die sie sich neben der Schauspielerei geschaffen habe. Tangotanzen, erlernt im El-abrazo-Studio in Altona und immer mal wieder in Buenos Aires mit Freunden voll ausgelebt. Das A-cappella-Singen mit der Gruppe Jo's affair, mit der sie bei der in diesem Jahr in Hamburg stattfindenden Innenministerkonferenz auftreten wird. Und ja, Mundharmonika spiele sie auch noch. Zusammen mit einer Freundin, die Akkordeon spielt. Und sie wandere gern. Liebe die Natur. Und erzählt von der erstaunlichen Parallelwelt in St. Georg, die sie so fasziniert. Ihr kleiner Garten hinter dem Häuschen, das in einem Hinterhof liegt, drüben im "schmuddeligen Teil von St. Georg", in dem sie gerne buddle und den sie nicht allzu vergärtnern will, um den erstaunlich vielen Singvögeln Platz zu lassen. Und gesteht lachend, dass sie immer fürchte, nicht schnell genug am Telefon zu sein, wenn es drinnen klingelt. Es könnte doch Hollywood sein, sagt sie. Robert Altmann etwa, der Regisseur von "Short Cuts". Oder ist der schon tot? Ja. Nun, dann Woody Allen. Das sei ihr Wunsch an dieses Jahr. Endlich eine richtige große Filmrolle. Nicht unbedingt Hollywood. Nein. Es gibt doch so viele gute deutsche Regisseure, sagt sie, wie Christian Petzold zum Beispiel. In diesem heiß umkämpften Feld von Fernsehen und Film ist sie bisher wenig präsent. Ein echter Jammer. Denn sie hat schon etwas sehr Eindringliches und Eigenes und bei allem Selbstzweifel etwas mädchenhaft Sinnliches. "Finden Sie?", fragt sie. Dankeschön. Kichert und bestellt sich noch einen Chai Tee.

Wir reden über Zukunftsängste. Dass sie davon so langsam loskomme. Von ihren pessimistischen Phasen. Dass sie sich endlich mit sich angefreundet habe. Und im Moment alles stimme. Privat und beruflich. Dass sie endlich mit einer gewissen Heiterkeit an die Dinge herangehen könne. Einer größeren Distanz. Die Vorzüge des Älterwerdens, sagt sie lachend. Und knubbelt dann versonnen an ihrer schafwollenen Stola herum. Was für eine Mischung! Gelächter und leise Melancholie. Lebensfreude und "dieser traurige Gedanke, den man tanzen kann", wie der verstorbene argentinische Komponist Enrique Santos Discébolo den Tango nannte. Und das alles in Winterstiefeln.