Der ,Musical-Star Carolin Fortenbacher sang fünf Jahre die Hauptrolle in dem Musical “Mamma Mia“. Jetzt will sie beim Eurovision Song Contest starten.

Hamburg. Das hat sie gern. Dieses leichte Chaos. Schnelle Schritte. Eine lautstarke, herzliche Umarmung für ihre Freundin Souâd Amrani, Betreiberin des kleinen Cafes "Fleur de Piment" am Eppendorfer Baum. Erstickt fast an ihrem raumfüllenden Lachen. Redet los wie ein Wasserfall. Die Zunge brennt mit ihr durch. Gefühle liegen bloß. Ja, so sei das bei ihr. Total beknackt. Holland in Not, sagt sie. Carolin Fortenbacher, die in dem Musical "Mamma Mia" fünf Jahre lang die Hauptrolle der Donna sang und spielte und am 6. März beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest im Schauspielhaus dabei ist. Mit dem einzigen deutschsprachigen Lied "Hinterm Ozean".

Der turbulente Auftritt ist eine gute Tarnung. Dahinter verbirgt sich viel: Vorsicht und Wachsamkeit. Scheu und Verletzlichkeit. Brüche und Kanten. Ihr ansteckendes Lachen ist Lebens-freude und Schutzschild. Die schnoddrigen Sprüche Erdung für ihre überbordenden Gefühle. Wie in ihren Liedern in dem neuen Album "Drama", das am 7. März erscheint. Unter dem Namen Fortenbacher. Ohne Carolin. Das sei zu lang fürs Plattencover und höre sich außerdem zu sehr nach Schlagersängerin an, sagt sie. Das sei sie nicht. Sie singe keine Schlager, keinen Pop, keinen Rock, keinen Jazz, keine Klassik. Was dann? Alles dazwischen, sagt sie. "Ich nenne es dramatischen Pop." Neue Interpretationen großer internationaler Songs mit deutschen Texten. So könne sie ihre Gefühle am besten vermitteln. Liebe, Trennung, Einsamkeit. Und auch Wehmut. Oh ja. Wie in dem Charles-Aznavour-Komposition "She", die bei ihr "Sie" heißt. Das Lied einer Mutter, die erkennen muss, dass ihre Tochter ihr langsam entwächst. Das rührt, sagt sie. Und sei ganz speziell für ihre zwölfjährige Tochter Celine. Die findet das leider völlig uncool, weil sie gerade mitten in der Pubertät steckt. Ihre Mutter allerdings findet Celine total cool. Nennt sie auch "Drama Queen", weil sie alles so dramatisiere im Leben.

Das Leben ist aber auch voller Dramatik, sagt Carolin Fortenbacher. Wie ihre Scheidung vor zweieinhalb Jahren. Tagsüber nacktes Gefühlschaos und abends auf die Bühne. Schrecklich, schrecklich. Fünfzehn gemeinsame Jahre. Ein gemeinsames Kind. Kampf. Der totale Absturz. Die Angst und Panik der Tochter. Die eigene Wut und Verzweiflung und dann auch im Nachhinein Trauer, "wieviel da eigentlich flöten gegangen ist". Die Flucht in die nächste Liebe. Wieder ein Ende. Große Bühne, sagt sie. Alles, was Frauen so drauf haben. Klamotten aus dem Fenster werfen. Und denken, ach komm doch wieder zurück! Das ist wirklich mein ganzes Leben, dieses Album, sagt sie. Ein Seelenstriptease? Ja, aber auch mit viel Humor. Sie könne alles schnell wieder weglachen. Schlechte Laune, Streit, Herzschmerz . . .

Unterbrechung. Souâd preist ihren ganz speziellen marokkanischen Kaffee an. Mit Zimt und Weihrauch. Antidepressivum und Aphrodisiakum in der Tasse. Großes Gelächter. Das brauche sie gerade nicht, sagt Carolin Fortenbacher und nimmt lieber einen Tee. Depressiv sei sie nicht. Und gerade Single. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Und das sei gut so. Für ihre Tochter, die sie gerade sehr braucht. Und natürlich auch für den Beruf.

Aber kein Dauerzustand, sagt sie dann. Dafür möge sie Männer viel zu gern.

Wo war ich gerade stehen geblieben? fragt sie. Die großen Gefühle des Lebens. Die Liebe. Genau. Dabei rede sie sich manchmal um Kopf und Kragen. Das sei so bei ihr. Entscheidungen aus dem Bauch heraus, die ihr manchmal zum Verhängnis werden. Privat. Nicht im Beruf. Da wusste sie schon sehr früh, wohin sie wollte. Sah sich mit sechs Jahren unter einem großen Lichtkegel auf der Bühne stehen. Dem berühmten Marlene-Dietrich-Lichtkegel, unter dem sie beim Eurovisionswettbewerb singen wird. Es ist ein großer Schritt, sagt sie. Aus der kuscheligen familiären Theaterwelt allein hinaus ins Rampenlicht. Sich nicht mehr hinter einer Rolle, dem Regisseur, den Mitspielern verstecken können. Nur noch sie selber sein. "Ich stehe da als Fortenbacher. Punkt". Aber es sei ihr Traum gewesen: das eigene Ding durchziehen, eine eigene Show machen. Das müsse sie ausprobieren. Und das sei gar nicht . . .

Neue Unterbrechung. Souâd bringt eine Tarte Tatin. Spezial, spezial. Apfel, Karamel, in der Pfanne umgedreht und nein, geht nicht auf die Hüften. Reine Vitamine. Geschworen.

Also, sagt Carolin Fortenbacher, da, da, da, was wollte ich nur sagen? Aus Schaden wird man klug, waren wir da? Eigentlich nicht. Egal, sagt sie. Das käme auch in ihren Liedern vor. Manchmal frage sie sich, ob sie einige Dinge nur mache, damit sie hinterher etwas auf den Deckel bekomme. Auf jeden Fall lerne sie einfach nichts dazu. Bei Männern. Auch wenn sie ein ziemlich nachdenklicher Mensch sei, sagt ihr Ex-Mann immer, mit dem sie jetzt wieder viel zusammen lachen kann. Danach denke sie immer nach.

Zurück zur kleinen Carolin. Mit dem Drang zur großen Bühne. Der Vater Sportlehrer, die Mutter Erzieherin. Zu Hause wurde viel auf Leistung geachtet. In Schule und Sport. Ihr Bruder spielt Squash in der Nationalmannschaft und Volleyball beim HSV. Carolin geht zur Ballettschule. Ihre erste große Liebe ist deutscher Squashmeister! Mit dreizehn tanzt sie bei John Neumeier vor. Wird abgelehnt. "Vom Oberkörper tauglich, vom Unterbau schon zu muskulös." Nicht grazil, eher bodenständig, sagt sie. Nach der mittleren Reife will Carolin endlich zum Theater. Die Eltern bestehen auf einem zweiten Standbein. Sie wird Kosmetikerin und Visagistin. Daher also diese riesigen, dramatisch geschminkten, abgrundtiefen Augen? Nein, das sei das Werk von Astrid Michel, der Frau, die auch Jodie Foster frisiert habe und da am Nebentisch sitzt. Und sie auch für den Auftritt im Schauspielhaus stylen wird. Das hätte man auch ganz gern. Ja, ruft Astrid Michel rüber, bei Ihnen würde ich zu blaugrau und mauve greifen. Kein dicker Balken. Nur leicht verwischt. Carolin Fortenbacher lacht. Ansteckend. Freude kommt auf an den eng stehenden Tischen. Ich könnte auch Lachtherapeutin werden, sagt sie.

Irgendwie laufen wir dauernd aus der Spur. Ihre Ausbildung also. Die Zeit im Studio Ullmann auf der Uhlenhorst, dem Vorläufer der Stage School in Hamburg. Dort lernt sie Tanz, Schauspiel und in Workhops Gesang. Unterrichtet nebenbei Aerobic und Jazzdance in der Kaifu Lodge. Lernt dabei Mike kennen, den Patenonkel ihrer Tochter. Nein, nicht der Vater. Das war doch Pjotr, der polnische Balletttänzer, der seit der Scheidung wieder in Warschau lebt.

Ach, Carolin. Ja, sagt sie, das geht ein bisschen durcheinander. Vor dem Start ihrer Karriere eröffnet sie mit Mike in Wandsbek ein Fitnesscenter. Bleibt vier Jahre dabei. Und dann 1984 endlich das Theater. Erste Engagements in Kassel und Bochum. "Die Legende von James Dean", "Der Mann von La Mancha", "Evita". Viele große Rollen in großen Häusern folgen. Sogar mit der Tochter im Bauch auf der Bühne, sagt sie, bis zum neunten Monat. Das Casting für "Mamma Mia" in Hamburg. Siebenmal muss sie vorsprechen, -tanzen und -singen. Beim letzten Mal in der Musikhalle mit zwei Bismarckheringen im Magen. Wie das? Ja, sagt sie, das war so nervenaufwühlend, so spannend, das habe sie nicht mehr ausgehalten. Bei einer Freundin fand sie Seelentrost und einen starken Cocktail. Am nächsten Morgen hat sie ihren "Wahnsinnsbrand" mit zwei Heringen kuriert. Danach sei sie total locker drauf gewesen, bekam die Rolle der Donna und war endlich wieder sesshaft in Hamburg.

Wir reden noch ein bisschen über Verantwortung im Leben. Dass man sich der immer wieder stellen müsse. Vor allem, wenn man nicht mehr allein sei. Eine Tochter habe. Und über die Sache mit den Männern. Dass sie dabei irgendwie nie aus Schaden klug werde. Und das auch gar nicht wolle, sagt sie lachend. Das sei eben volles Risiko. Letztlich gehe alles gut aus im Leben. Man müsse nur daran glauben.

Und damit es nicht gar zu ernsthaft wird, kommt noch eine ganz andere Liebe auf. Die wunderbare kleine Vespa. Ihr Roller. Vorne Harley, hinten Ente. Hellblau, silber und weiß. Der dazu passende Helm in Silber. Die Lederjacke türkis und hellblau. "Wenn schon, dann richtig!" Souâd kommt mit Nachschub aus der marokkanischen Wunder-Kaffeekanne. Ein Schuss noch drauf, ruft Carolin Fortenbacher lachend. Und dann - Eppendorf, geh' in Deckung: Wir kommen.