Heike Gätjen trifft jede Woche Menschen aus Hamburg. Heute Lisa Kosok, Museumsdirektorin.

Sie hat ein paar gute Sprüche drauf. Und dabei immer so ein unergründliches Glitzern in den Augen. Wie bei dem Lebensmotto aus dem Kohlenpott: Vor der Hacke ist es duster. Das haben die Kumpel im Stollen schon klar erkannt, sagt sie. Man weiß im Leben nie, was kommt. Bei ihr ist es bisher immer ganz gut gelaufen. Professor Dr. Lisa Kosok, seit Februar kommissarische Vorstandsvorsitzende der neu gegründeten Stiftung Historische Museen Hamburg, bis Ende dieses Monats noch Direktorin des Museums der Arbeit und ab Juli dann Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte, kurz Hamburgmuseum genannt.

So viele Ämter und Titel wollen sortiert werden. Und das machen wir. Auf dem Weg zum Restaurant T.R.U.D.E auf dem Museumsgelände. Vorbei an dem Schneidrand des Riesenbohrers für die vierte Elbtunnelröhre, einer Straßenwalze, die auch Kinder als Museumsbesucher mal fahren dürfen und mit einem Zwischenstopp an dem frisch polierten knallegelben Postmofa von 1971.

Das mit dem Professorentitel ist noch einfach. Er kommt und geht mit dem Amt. Die Zusammenlegung der vier stadt- und kulturgeschichtlich ausgerichteten Hamburger Museen, Helms-Museum, Altonaer Museum, Museum für Arbeit und Hamburgmuseum, seit Beginn dieses Jahres ist da schon schwieriger. Es sollen "museumsübergreifende Arbeitsstrukturen entwickelt, die Ausstellungen gemeinsam geplant und abgestimmt werden, die Sammlungspolitik ebenfalls." Und das brauche eine ordnende Hand. Und viel Kommunikation und Absprache. "Mit Letztentscheidungsrecht", sagt Lisa Kosok - mehr aber auch nicht. Das gehöre an anderer Stelle erörtert.

Im T.R.U.D.E ist viel los. Leute aus den umliegenden Büros sitzen in der Sonne. Ist das nicht schön hier? sagt Lisa Kosok. "Vorwärts wie rückwärts leicht zu behalten." Als sie 1993 vom Ruhr-Museum in Essen als Stellvertreterin hierher kam, wuchsen noch Birken aus den Dächern vom Zerfall bedrohter Gebäude des historischen Fabrikensembles an der Maurienstraße. Es gab noch kleine "Nischengewerbe" aus der Nachkriegszeit. Automechaniker und Kfz-Lackierer. Und jetzt, sagt Lisa Kosok, sei es der schönste Standort Barmbeks. Ein weiter Weg, der viel Geduld und Spucke und einen langen Atem beim Umgang mit öffentlichen Mitteln abverlange und ja, dann sei es auch Zeit zu neuen Ufern aufzubrechen. Nach 15 Jahren am selben Haus. Ihre ruhrgebietstypische Bodenständigkeit nennt sie diese langjährige Treue. Und hat wieder dieses Glitzern im Blick.

Blaugrüne Augen, oder? Nein, sagt sie eher uneindeutig. Wir nehmen uns lieber was Eindeutiges vor. Ihre Biografie. Bei etwas Essbarem. Nein, sagt sie. Nur ein Latte Macchiato. Hungrig rede es sich besser. Es war keine geplante, gradlinige Biografie. Weichen, Kreuzungen, Entscheidungen gab es immer wieder. An Zufall oder Schicksal glaube sie nicht. Lange kam sie nicht raus aus der Ecke Bottrop, Essen Dortmund. Oder wollte nicht? Was, fragt Lisa Kosok schnell, wo sind Sie denn geboren? In Cottbus. Und wie lange sind Sie da nicht rausgekommen? Knappe fünfzehn Monate. Ja, sagt sie und muss dann doch lachen. Friede also.

Lisa Kosok ist eine offene, heitere und gut gelaunte Gesprächspartnerin. Mit leichten Warnsiganlen. Einem abblockendem Hmm. Einem langen präzise formulierten Satz, der geschickt an allzu großer Nähe vorbeisteuert. Und auch kleinen Pfeilspitzen im Blick. Das macht ihr Spaß. Ja, sagt sie, wenn man so ne gewisse Unruhe verströme, das sei doch okay. Vor allem jetzt, wo es so viele gut gemeinte Ratschläge für sie gäbe wegen der Museumsumstrukturierung. Wie ihr liebster - Frau Kosok, Sie müssen jetzt ganz männlich sein.

So kann es einem gehen. Ihr, die als jüngste von vier Schwestern aufgewachsen ist. Alle Varianten und Finessen weiblichen Mit- und Gegeneinanders kennt, einschätzen und auch praktizieren kann, sagt sie. Und sich doch "am langen Ende für relativ verträglich, umgänglich und freundlich" halte. Zurück also zu ihrer Zeit an der Uni in Bochum, als das Ruhrgebiet "entdeckt" wurde. Industrieromantik gepflegt und kultiviert wurde. Wie in der ARD-Serie "Rote Erde". Lisa Kosok arbeitet in einem Sonderforschungsbereich, macht Ausstellungsberatung, hat Spaß daran. Wechselt zum Ruhr Museum in Essen unter einem Dach mit dem Folkwang-Museum. Ach, sagt sie, da haben wir Ausstellungen gemacht! Fotoüberlieferungen fürs Ruhrgebiet, Überleben im Krieg oder Viel Vergnügen! Öffentliche Lustbarkeiten - ihr Lieblingsthema seit ihrer Promotion über Freizeitkultur im Kaiserreich. Und eine der schönsten und auch erfolgreichsten die "Bärenlese". Die Kulturgeschichte des Teddybären. Von Privatleuten bestückt, die warme Kleidung für ihre Teddys nachreichten, weil es Winter war. So sind Sammler, sagt sie lachend. Von großer Hingabe. Sie hält sich nicht für langatmig genug, Sammlungen mit der gebotenen Intensität dauerhaft zu bearbeiten. Da gäbe es geeignetere Fachleute mit mehr Durchhaltevermögen. "Ich sorge dafür, dass das angeschoben wird und passiert." Sie sei gern schon einen Schritt weiter sobald ein Projekt eingetütet ist, funktioniert.

Eine Frau also immer auf dem Sprung. Oh nein, sagt sie, das höre sich so nach kreativem Chaos an, das sei wirklich nicht ihr Ding. Höchstens privat. Da gäbe es schon eine gewisse "gewachsene Unordnung". Im Job, da sei sie systematisch, brauche den Überblick, um Dinge aus der Distanz zu betrachten und zu ordnen. Geprägt auch von Erfahrung und Routine. Und großer Gelassenheit, sagt sie, wie sollte sie sich sonst ihr heiteres Gemüt bewahrt haben. "Es ist nicht mein Ding, die Welt immer nur mit ernsten Augen anzugucken." Und vielleicht sei es ja auch besser, einen nicht ganz einfachen Änderungsprozess mit einer Person zu versehen, die das Ganze nicht noch schwerer macht. Und, sagt sie schnell, damit ja kein Missverständnis aufkommt, man kann ja auch als heiterer Mensch sachlich und fachlich eine bestimmte Position vertreten, die durchaus ernst zu nehmen ist.

Und manchmal, gesteht Lisa Kosok, klinke sie sich einfach aus. Lege einen Schalter um und tue was völlig anderes. Etwas, bei dem man den Erfolg wenig später schon sieht, richtig in der Hand hält, sagt sie lachend. Zum Beispiel Selbstgenähtes auf der elektrischen Nähmaschine. Das Erbe ihrer Erziehung in einer katholischen Mädchenschule. Lehrerinnen, grauhaarig, Knoten, Faltenrock, Gesundheitsschuhe, unverheiratet, fürchterlich streng. Schminke galt als Teufelswerkzeug. Die nach den Miniröcken in Mode gekommenen Maximäntel - nein, sagt sie, das war ja ihr Vater, der fand, dass sie darin aussähe wie ein Kutscher und ihr das Tragen verbot. Irgendwie habe das am langen Ende alles nichts geschadet, sagt sie nachdenklich, vielleicht hat es einem die Möglichkeit gegeben ein bisschen provokativ zu werden.

Und was also näht sie sich selber? Nein, sagt sie lassen Sie uns dieses Thema bloß nicht auswalzen. Nur so viel vielleicht: Vieles ist als Kleid gestartet und endete als Kissen. Lisa Kosok lacht. Ach, sagt sie dann, es ist auf jeden Fall eine wie auch immer geartete Psychoentlastung.

Wir reden noch ein bisschen über Filme, die sie zuletzt gesehen hat. "No Country for Old Men". Großartig! "Indiana Jones", den sie nicht gerade aus Leidenschaft, sondern aus "sachlich motivierter Neugier" sehen will. Lernen wie Hollywood Blockbuster es schaffen, solche Begeisterung zu wecken. Das könnte man doch auch museumstechnisch ...

Und auch über das, was man einen gesunden Verdrängungsmechanismus nennt. Fragen, denen man sich nicht tagtäglich stellen muss. Wie der Sache mit dem Älterwerden. Da gibt es doch diesen ehrlichen Spruch von Marlene Dietrich, sagt Lisa Kosok: Zum Altwerden darf man nicht feige sein oder braucht viel Mut oder so. Und in ihren Augen blitzt es verdächtig nach einer Kampfansage.