Heike Gätjen trifft den Hautarzt Volker Steinkraus. Der Gründer des Dermatologikums Hamburg hat sein Element gefunden.

Hamburg. Für ihn ist sie alles zugleich: Liebe, Leidenschaft, Faszination, Beruf und Hobby - die menschliche Haut. Ihr sei er hoffnungslos verfallen, gesteht Professor Volker Steinkraus, Hautarzt und Gründer des Dermatologikums Hamburg.

Eine Liebe, die ihn relativ spät erwischt hat. Und weil das eine lange Geschichte ist, auf deren Erzählung er sich mit Sorgfalt und großem Ernst vorbereitet hat, ziehen wir uns in einen ruhigen Raum im Restaurant des Side-Hotels zurück. Genau gegenüber von seinem vorübergehenden Domizil an der Drehbahn. Und bei Tomatenbrotsalat und Wasser wird Volker Steinkraus vom bedächtigen, detailverliebten Erzähler zum fliegenden Derwisch in Sachen Haut. Die Krawatte verrutscht, ein Hemdknopf springt auf. Ein heiteres Grübchen zeigt sich am Kinn. Lange Sätze verkürzen sich zum Stakkato.

Die Kindheit in Hanstedt. "Im Dunstkreis des Reiterzentrums Luhmühlen." Daher auch seine große Begeisterung für die Reiterei. Noch heute reitet er fast täglich. Auf seiner Hannoveraner Stute Molly. M - o - Doppel-l - Ypsilon, sagt er.

Die Eltern arbeiten von früh bis spät im familieneigenen Kaufhaus Dittmer, in dem es alles gibt. Anzüge, Teelöffel, Möbel, Kerzen, Wurst. Volker und sein älterer Bruder sollen das Geschäft übernehmen. Volker zögert, macht erst eine Banklehre, weiß am Ende, dass er das nicht sein Leben lang machen will. Genauso wenig wie eine Karriere als Profisportler, mit der er kurz liebäugelt, als er während seiner Zeit bei der Bundeswehr Mannschaftsmeister im Modernen Fünfkampf wird. Schwimmen, Reiten, Laufen, Fechten und Schießen. Er wechselt zur Sportmedizin. So à la Müller-Wohlfahrt, der Schöne mit den wehenden Haaren? Nein, nein, sagt er leicht irritiert. Wir bleiben kurz beim Fußball hängen. Seiner Liebe zum HSV, seiner Freude daran, dass Hamburg jetzt zwei Klubs in der Bundesliga hat, und haken kurz noch Ballacks Knöchel ab. Sprechen über die große Chance, die er, Volker Steinkraus, darin sehe. "Diese fantastischen neuen Konstellationen, die sich aus der Not ergeben!"

Chancen erkennen und ergreifen sei überhaupt das Größte, sagt Volker Steinkraus. Er erzählt von dem Artikel über Kinderdermatologie, den er während des Examens las. Von dem Knoten, den er in sich platzen fühlte. So, sagt er und schnippt mit den Fingern. Die Haut! Das facettenreichste Organ überhaupt! Mit allem, was sich so darauf abspielt. Vom Pickel, dem eingewachsenen Nagel über Schuppenflechte, Allergien, bis zu Tumoren. Und auch ästhetische Probleme, die heute zehn Prozent ausmachten, mit steigender Tendenz. Wir schweifen kurz ab zum Botox-to-go-Hype. Die Spritze beim Kaffeekränzchen? Nein. Und nochmals nein, sagt er. So ein Eingriff gehöre in sterile Räume. Und ja, das werde auch in seiner Klinik gemacht. Er erzählt von der Gratwanderung "zwischen medizinischer Indikation und privaten Wünschen". Und wie sehr er sich darüber ärgere, wenn sein Dermatologikum Beautyklinik genannt werde. Irgendwie habe er das Gefühl, dass er sich ständig rechtfertigen müsse. Ach, und auch der Begriff Anti-Aging. Völlig falsch. So unsinnig wie "Anti-Sonnenuntergang". Gegen das Altern sei kein Kraut gewachsen. Die genetische Veranlagung und das kalendarische Alter könne man nicht beeinflussen. Nur für den Lebensstil, der den Zustand der Haut stark beeinflusse, dafür sei man selber verantwortlich. Das Sündenregister ist lang: zu wenig Schlaf, Rauchen, Stress ...

Seine Haut ist glatt und fast faltenfrei. Ja, sagt Volker Steinkraus ernsthaft, auch botoxfrei. Er schlafe gut und viel, sei ein Naturfreak und habe heute Morgen schon in aller Frühe Blumen gepflanzt. Kleine Mauerblümchen. Auch Glücksgefühle, positive Gedanken, Energien, machen jünger, sagt er. Daraus schöpfe er Kraft. Für seine Stiftung auch, die Stipendien an junge Ärzte aus der Dritten Welt vergibt. Aus Kambodscha, Indien, Haiti. Sie lernen bei ihm alles über die Haut, und er lerne alles über ihr Leben. Bei abendlichen Gesprächen, beim Essen und Trinken. Begegnungen mit Menschen, sagt er, gehörten für ihn zum Glück. Zufriedenheit, das Angekommensein im Beruf, in der Familie.

Und auch über Eitelkeit reden wir noch ein bisschen. "Eitle Menschen leben länger", sagt Volker Steinkraus. Das belegten Untersuchungen. Auch wenn "eitel" leider einen so negativen Beigeschmack habe. Nur ein besseres Wort falle ihm auch nicht ein. Und so ist es das Einzige, was auf der Strecke bleibt. Bei diesem langen Exkurs über die Haut. Dieses Organ, das selbst die Architektur beflügle, sagt Volker Steinkraus. Die Architektur sei seine andere Leidenschaft. Da gebe es wunderbare Zitate. Wie dieses: Die Architektur sei die dritte Haut des Menschen. Nach der richtigen Haut und der Kleidung. Faszinierend! Haut und Fotografie müsse er auch noch kurz erwähnen. Dieses Zusammenspiel von Dermatologikum, dem Fotografen F.C. Gundlach, den beiden Kunsthochschulen. Die Haut künstlerisch darstellen! Alle drei Jahre! Genial! Faszinierend! Dann greift er zum Handy, sagt: "Schwester Ines, um sieben bin ich drüben." Und weg ist er.