Was ist schon hip und was sind überhaupt Farben? Die sind doch eh nur da, um die eigene Unzulänglichkeit zu übertünchen, meint unsere Autorin, die Grau liebt.

Neulich traf ich mich mit drei Kolleginnen im Schanzenviertel. Alle sehr modebewusst und, sagen wir, in dieser Hinsicht durchaus experimentierfreudig. Auch was die Farbauswahl angeht. Sie tragen gern mal Gelb. Oder türkis. Oder gar Lila, wie es der derzeitige Trend mal wieder vorgibt. Wie es die Frauenzeitschriften zelebrieren.

Ich sehe das etwas anders. Eine der drei Kolleginnen kam mit einer Papiertüte einer Hamburger Boutique zum Treffen. Neugierig schauten wir alle in diese Tüte, in der sich drei langarmige T-Shirts befanden. In grau, schwarz und einem leichten, lieblichen Braunton. Wunderschöne - Schlammfarben. "Was für schöne Farben!", entfuhr es mir. Plötzlich waren sechs Augen auf mich gerichtet, als hätte sich Medusa verdreifacht. Stille, für den Bruchteil einer Sekunde, gefühlt wie eine Ewigkeit. Doch dann, plötzlich, fangen die drei Medusen an, mich auszulachen. "Farben! Hast du das gehört?", sagt die eine; "Huhu, tolle Farben, ja, haha", und so weiter.

So stand ich da, in meinem braunen Cordjacke und grauem Oberteil und fühlte mich irgendwie nackt. Für einen kurzen Augenblick dachte ich an innere Emigration. Doch dann entschied ich mich dagegen und verteidige hiermit das Recht auf modische Selbstbestimmung und die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mit den Schlammfarben!

Okay, zugegeben, es sind Farben, die keine sind. Grau. Champagner. Haut. Terrakotta. Mauve. Beige. Beigebraun. Beigebraunocker. Herrlich. Oder Ton. Und als Vollendung der Nichtfarben: Schwarz. Aber wer hat schon die Definitionshoheit über die Farbe an sich? Die "hippen" Männer und Frauen, die in Lila, Grün oder Sonnengelb herumlaufen? Oder noch schlimmer: In, oh Gott, Rosa? Sicher nicht. Höchstens das Deutsche Institut für Normung (DIN), die Mutter aller Definitionen. Und das klingt dann so:

"Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge des Menschen strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann."

Aha. Also brauchen wir Farben, um uns Struktur zu geben. Ich wage nun folgende These: Wenn jemand genug Struktur - übertragen auf den Menschen ist das gleichzusetzen mit Charakter und Ausstrahlung - hat, braucht er den Albtraum Farbpalette nicht.

Das wissen auch einige Modeschöpfer. Giorgio Armani beispielsweise, und der gilt ja wohl wirklich als hip. Zumindest bevor er angefangen hat, im Alter zu Pink, Neongelb und Ferrarirot zu (ver-)greifen. Es gab Zeiten, in denen er von Schlammfarben geschwärmt haben soll wie andere Menschen von ihren Kindern. Von ihm stammt auch der legendäre Satz: "Ich halte nichts von saisonalen Schaumschlägereien, weil Explosionen nicht von Dauer sind und nur Asche übrig bleibt."

Nun gut, Grau und Beige sind keine Farben des Regenbogens. Aber seien wir mal ehrlich: Hat jemals jemand den Schatz entdeckt, der sich am Fuße des Rogenbogens befinden soll?