Früher suchten Alleinstehende im Freundeskreis, gingen zu Tanzcafés und schalteten Kontaktanzeigen. Heute bietet die Technik immer mehr Möglichkeiten - doch wirklich treffen muss sich niemand mehr.

Auf der Suche nach Wärme, Halt und Liebe kommen Städter manchmal auf abstruse Ideen: Sie greifen zum Hörer, um "schnell zu flirten", neudeutsch auch Telefonspeeddaten genannt.

Den Vorgänger, Speeddaten, kennt mittelerweile fast jeder: Sieben Männer treffen sieben Frauen, reden jeweils sieben Minuten miteinander und kreuzen anschließend auf einem Zettel an, ob sie das Gegenüber wiedersehen möchten. Bei Übereinstimmung werden die Kontaktdaten vom Veranstalter zugeschickt. Einem Treffen steht dann nichts mehr im Weg. Sieben Dates in nicht mal einer Stunde. Das ist Effektivität.

Nicht zu verwechseln mit einem Rendezvous. Herzklopfen, die Was-ziehe-ich-an?-Frage, nasse Hände, vor Aufregung kleckern bei Kerzenschein, Quatsch reden. All das fällt weg und wird gegen einen analytischen Blick eingetauscht, der mögliche Partner nach einer Checkliste scannt.

So, und wer dachte, das wäre bereits der Gipfel des Pragmatischen, der irrt.

Denn die Firma "Speeddaten" (heißt wirklich so) hat zusammen mit der Partnerschaftsbörse "amio.de" eine weitere Innovation auf den Liebesmarkt gebracht: das Telefonspeeddaten - traditionelles Speeddaten mit dem " Komfort, von der heimischen Couch aus zu flirten ". Gut, wie praktisch, könnte man meinen. Denn die Vorteile liegen ja auf der Hand: Aufrüschen - entfällt. Sieht sowieso niemand. Nebenbei kann man einen Berg Wäsche wegbügeln.

Optische Reize? Völlig überbewertet. Warum sonst gibt es Speeddaten auch im Dunkeln? Nur eine weitere Variante. Dabei tragen die Teilnehmer schwarze Schlafbrillen.

Nun muss man nicht mehr in das Antlitz seiner Verabredung blicken. Was durchaus große Vorteile mit sich bringen kann, wie jeder weiß, der schon einmal beim Speeddaten war.

Gerüche? Nicht immer von Vorteil. Und am Telefon zum Glück nicht übertragbar. Damit entfällt dann auch das Duschen. Klinisch rein ist das nicht, aber eben auf das Wesentliche reduziert, auf die Stimme. Aber reicht das?

Laut Kommunikationsexperten spiele die bei der Partnerwahl sowieso die Hauptrolle: Wer sich nach einem Höreindruck nicht abwendet, hat ein echtes Interesse an dieser Person. Auf die Stimme kommt es also an.

Und alles ist so einfach: Zunächst für eine Telefonsitzung registrieren. Zu Beginn erhalten Singles dann eine SMS mit der Telefonnummer, über die sie sich in eine "Session" in ihrer Region einwählen können. Jeweils ein Mann und eine Frau, die voneinander nur ihre Vornamen erfahren, telefonieren miteinander. Drei Minuten lang. Dann wird das Gespräch automatisch abgebrochen. Das Telefonsystem schaltet den nächsten Gesprächspartner zu. Am Ende eines jeden Gesprächs steht eine Entscheidung an: Kontakt erwünscht oder nicht? Nur wenn beide zustimmen, werden später die Daten übermittelt. Klar, nun könnten Clevere das System untergraben und die drei Minuten nutzen, Telefonnummern auszutauschen. Allerdings laufen sie dann Gefahr, ihren Gesprächspartner tatsächlich treffen zu müssen.

Doch seltsamerweise zeigten sich "Deutschlands einsame Herzen" den Vorteilen bisher noch wenig aufgeschlossen. Und so lockten die Anbieter mit einer kostenfreien Schnupperwoche. Denn normalerweise ist eine Gebühr in Höhe von 13,99 Euro fällig. Plus eigene Kosten ins Festnetz.

Trotz des unschlagbaren Angebots musste das Telefonspeeddaten in Hamburg mangels Interesse abgesagt werden. Was soll's. Nutzen wir die gewonnene Zeit, um unsere Avatare zum Flirten in ein virtuelles Second-Life-Café zu schicken.