Wer Macht hat, kann auch sexy sein - oder sich das zumindest einbilden. Aber wer will schon mit denen tauschen, die Liebe kaufen?

Fett tropfte von seinen fleischigen Lippen. Wieder biss der Polizeichef ins Hühnerbein, während seine rechte Hand unter das Oberteil der fülligen Sekretärin fuhr, die auf seinem Schoß saß. Wie ein Maulwurf wanderten seine Finger unter ihrem rosafarbenen Stretch-Samt aufwärts und stoppten kurz vor ihren Rundungen. Breit grinste der Comisario seinem Gegenüber ins Gesicht, der in der feucht-heißen Luft unruhig auf einem Holzschemel herumrutschte, und sagte: "Mein Freund, es wird schon etwas kosten, wenn du deinen Führerschein zurückhaben willst."

Selten zeigt sich Macht so offensichtlich-schmierig wie sie jener Honduras-Reisende erlebte, der mit EU-Führerschein ein Moped steuerte und in die Fänge eines Polizei-Fürsten geriet, der Gonzales hieß und zudem noch einen Schnurrbart trug. Nun sind nicht alle Männer grobschlächtig. Doch auch wenn es sich nicht um offenen Sexismus handelt, sich je nach Wohlstand feinere Strukturen bilden: Das Muster ist überall auf der Welt das gleiche. Vermögende versammeln um sich Fleisch im Überfluss, während Abhängige darben müssen. Schließlich will - und schließlich muss jeder mal irgendwo reinbeißen. Das ruft im gesellschaftlichen Bedürfnisspiel einen ewigen Mitspieler der Macht auf den Plan, ob absichtlich-plump oder subtil-unauffällig herbeigeführt: nagenden Neid.

Wer schaut schon gerne beim Bankett zu, wenn die eigene Küche kalt bleibt? Ja, Frauen können jetzt auch ruhig hinhören, wenn Madonna (50) zitiert wird: "Ich liebe junge Männer! Sie wissen zwar nicht, was sie tun, aber dafür die ganze Nacht lang."

Wie aber muss man damit umgehen? Im Fall des schnurrbärtigen Gonzales ist das einfach: Er ist abstoßend, einschüchternd, geschmacklos. Auch Italiens Staatschef Silvio Berlusconi (72) ist in diesem Sinne keine Herausforderung. Stellen wir uns diesen Mann vor, den Mann, über den der Komiker Beppe Grillo sagte, er sehe aus wie ein Toter, der für seine Verwandten noch einmal schön gemacht wurde. Stellen wir uns vor, wie er in Modekatalogen blättert, sich eines der jungen Models aussucht und ihm von seinen Untertanen kleine "Aufmerksamkeiten" überbringen lässt, so rein freundschaftlich.

Irgendwie scheint Italien genauso weit weg wie Südamerika. Berlusconi setzt auf leichte Beute. Seine Attraktivität ist wächsern wie geliftete Wangen. Nur mit Geld und Einfluss zu punkten, das entspricht dem Niveau, fettige Broiler als Statussymbol einzusetzen.

Komplexer stimuliert wurde kürzlich der gepflegte Sozialneid der Deutschen. Carla Bruni besuchte die beliebte Wettshow mit Thomas Gottschalk. Frauen wie Männer mussten nicht nur erkennen, dass die Femme fatale schöner lächelt als die Fußballer-Gattin Sylvie van der Vaart neben ihr auf dem Sofa, dabei nicht nur unverschämt sympathisch wirkte, sondern zu allem Überfluss auch noch als Musikerin ernst genommen werden muss. Das ist zu viel! Wie kommt ein konservativer und auch noch kleinwüchsiger Politiker wie Nicolas Sarkozy zu einer solchen Trophäe? Das ist doch unseriös. Mal angenommen, ein gestählter Kanzlergatte würde zur besten Sendezeit elegant ins Mikrofon hauchen. Wetten, dass eine Welle der Missgunst die Wiederwahl der Regierungschefin gefährden würde? Macht gönnt man Angela Merkel ja noch, solange sie nicht auch noch Wahnsinns-Sex hat mit einem Übermann, der das auch noch freiwillig tut.

Die unbequeme Wahrheit ist: Sarkozy ist selbst eine Trophäe, Bruni die Jägerin. Élysée-Palast, Staatsreisen, gewiefte Politik. Wer würde das nicht gerne zu bieten haben? Jeder will zugleich Jäger und wertvolle Beute sein. Nicht viel tun müssen für einen Volltreffer. Wer will schon einen Wanderpokal, der billig zu kaufen ist, aus welchen Gründen auch immer. Horst Seehofer berührt diese sensiblen Gefühlszentren übrigens überhaupt nicht. Die Geschichte mit seiner schwangeren Geliebten roch nach Ärger und ist nah dran an der mühsamen Lebenswirklichkeit. Da waren Gespräche zu hören, und nicht nur am Stammtisch, und nicht nur unter Männern, etwa so: "Hihi, der Horst, jetzt steht er aber unter Druck. Und seine kratzbürstige Ehefrau, hast du ihr Foto gesehen? Was der sich anhören muss, auweia ..."

Zuverlässige Rettung für den Bürger ist aber immerhin noch der Vorwurf der Doppelmoral. So war jenes Urlaubsfoto von Sarkozy und Bruni ein schwacher Trost: In der Ebene von Gizeh stieg der Präsident, seiner Gattin folgend, eine Treppe empor und fasste ihr reflexartig an den wohlgeformten Hintern. Dabei schaute er wie ein Kind, das sein Glück nicht fassen kann. Na also: Der feine Präsident denkt auch nur an das eine. Was für ein Primitivling!

Schade nur, dass wir im Grunde alle manchmal so sind, aber nicht darüber reden. Einzig öffentlich über die Tabuisierung von Sex zu sprechen, ist kein Problem: Dass Horst Seehofer die Ehe anpreist, sie aber heimlich untergräbt, weil er ja nicht zu seinen niederen Trieben stehen kann - diese These ist zwar richtig, vor allem aber salonfähig. Und dass Sarkozy den Staatsmann gibt, seine Hände aber nicht unter Kontrolle hat. Der Philosoph Michel Foucault, zufällig auch ein Franzose, nennt das Reden vom Nicht-Reden: "Die modernen Gesellschaften zeichnen sich nicht dadurch aus, dass sie den Sex ins Dunkel verbannen, sondern dass sie unablässig von ihm sprechen und ihn als das Geheimnis geltend machen."

Wohltuend wäre es wohl, offener über die Wünsche zu sprechen, die mal erfüllt werden, mal unerfüllt bleiben. Jeder Mensch hat sie, der sich Liebe, Sex und Zärtlichkeit mit alltäglichen Mitteln verdienen muss. Das kann ganz schön peinlich sein. Doch wirklich tief nagt nur der verborgene Neid.

Übrigens: Wer Rom besucht, Silvio Berlusconis Regierungssitz, kann abends in Bars alleinstehende Italiener beobachten, die flirten und sich mühen. Die sehen meist nicht aus wie Models, sind aber gut angezogen. Neulich, hört man, küsste dort ein Mädchen einen Bürokaufmann aus der Vorstadt, über den sie nichts wusste, als dass er charmant lächelte. Eine solche Szene hat Berlusconi bestimmt auch schon beobachtet. Wenn er neidisch war, hat er das sicherlich niemals verraten.