Superstars, Supermodels, Superminister − Ein Unwort hat unsere Alltagssprache erobert. Wir tanken nicht nur Super, wir reden auch so. Jeder darf mal ein Supermann sein. Ist wirklich alles super?

Alexander Klaws, gerade mal 19, darf sich seit einer Woche "Superstar" nennen. Die von RTL perfektionierte Karaoke-Show "Deutschland sucht den Superstar", eine Endlosschleife aus Medienhype, Bohlen- Platitüden und Peinlichkeiten, fand ihren würdigen Abschluss in einem finalen Meer aus Tränen - und Superlativen. Menschen wie du und ich waren für ein paar Tage aus der Anonymität getreten und präsentierten superstarke Supersachen und supercoole Supersongs. Alles super, oder was? Das Wort Superstar hatte der Popart-Künstler Andy Warhol in den späten Sechzigern für die Mitglieder seiner New Yorker Factory ersonnen. 1971 fand es mit Andrew Lloyd Webbers Musical "Jesus Christ Superstar" Eingang in die Alltagssprache. Damals erhielt die erstaunliche Karriere des lateinischen Adverbs super, eigentlich "oben, darüber, über hinaus", das laut Wörterbuch "einen besonders hohen Grad von etwas" ausdrückt, einen entscheidenden Anstoß. Inzwischen ist das Wort super im inflationären Gebrauch. In einer beliebigen Woche tauchte der Begriff "super" in allen möglichen Variationen in der Bild-Zeitung in 114 Artikeln auf, in der Welt 85 Mal, in der FAZ 60 Mal und in der Süddeutschen wie im Hamburger Abendblatt jeweils 57 Mal. Wenn alles nicht mehr hilft, muss es eben super sein. Deshalb machte der Kanzler Wolfgang Clement zum Superminister. Eine Idee, die Willy Brandt schon vor 30 Jahren mit Karl Schiller umsetzte. Super stand einmal für etwas Außergewöhnliches. Der Superman, Vorbild aller Superhelden, rettete in den 30er-Jahren immerhin noch die Welt. Supermächte (heute nur noch eine) entschieden über das Schicksal derselben. Die Supermärkte, die aus den USA kamen, schufen ein völlig neues Einkaufsgefühl. Die Super Constellation war ein ganz besonderes Flugzeug für lange Strecken. Superbenzin mit ein paar mehr Oktan symbolisierte den Tiger im Tank und reichlich Pferdestärken unter der Haube ("Super, Ingo! Nicht Diesel"). Die Superbowl im American Football war eindeutig das herausragende Ereignis ihrer Sportart. Und ein Super-GAU versuchte, das Risiko beim Umgang mit der Kernenergie in Worte zu fassen. Als 1989 der Satiriker Max Goldt auf einem Live-Album fragte: "Was ist super?", war das Unwort eigentlich schon überholt. Mit Steffi Graf verabschiedete sich auch die Floskel "Sssuper gespielt" in den Ruhestand, die unsägliche Koseform "supi" und die Steigerung "supersuper" schienen ausgestanden. MTVGeneration und Werbewelt quälten den Zeitgeist mit anderen Superlativen: Wenn krass nicht reichte, musste es eben giga, hyper, mega oder ultra sein. Jetzt ist das Nicht-Wort plötzlich wieder aus der Mottenkiste der Umgangssprache aufgetaucht. Alles ist wieder supertoll, supergut, superlustig, superschön. Bei jedem Gang über einen Büroflur schallt aus irgendeinem Raum ein fröhliches "Super". Widerstand zwecklos! RTL und Bohlen sprangen auf einen fahrenden Zug. Für den Sender ist die Sache super gelaufen. Sie haben die Wahl: die Internet- Suchmaschine Google findet unter dem Stichwort "super" 1,13 Millionen Einträge. Etwa Superwetter, Superpreise, Superpleite, Superkleber, Superspieler, Super Illu, Super RTL, Super Dickmann’s, Super-Urlaub, Super Last Minute, Super Sexy, Superweib, Supermodel, Supernasen, Supersonntag, -montag, -dienstag und so fort. Und weil die sechs Richtigen im Lotto nicht reichten, erfanden die Glücksspielzentralen Superzahl und Super sechs. "Die Sprache ist die äußere Erscheinung des Geistes der Völker", wusste schon Wilhelm von Humboldt (1767-1835). Zwei Jahrhunderte später sind wir zwischen Internet und SMS auf dem Weg zum funktionalen Analphabeten - und bestätigen aufs grausamste die Ahnung von Johann Gottlieb Fichte (1762-1814): "Die Beschaffenheit seiner Sprache hat unermesslichen Einfluss auf die ganze menschliche Entwicklung eines Volkes." Na super!