Berlin. Beliebte Urlaubsziele wehren sich zu Recht gegen Massentourismus. Die Politik muss etwas ändern – aber jeder einzelne Urlauber auch.

Die wollen uns nicht mehr. Uns deutsche Touristen, mit unseren dicken Geldbeuteln. „Una cerveza, por favor“ oder „I‘m sorry, I‘m not from here“ – alles umsonst einstudiert. Nicht mehr nur auf Mallorca wehren sie sich, jetzt auch auf den Kanaren, wo wir uns bisher noch für willkommen hielten. In Amsterdam wollen sie ihre Grachten wieder für sich haben und in Frankreich ist Monate vor den Olympischen Sommerspielen schon die Rede vom drohenden Kollaps.

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Und nicht nur wir Deutschen fühlen uns nicht länger erwünscht. Touristen-Bashing betrifft auch andere Nationalitäten, für die das Reisen nach Jahrzehnten des wachsenden Wohlstands zu einer Art Grundbedürfnis geworden ist. In anderen Worten: Immer mehr Menschen haben das Geld und damit auch den Wunsch nach Strandurlaub an der Costa Blanca oder Städtetrips nach Rom. Reisen bildet – und macht sich gut auf Instagram. Die Schattenseiten des Tourismus – Müll, Lärm, Überfüllung – blenden wir dabei gekonnt aus. Wenn es um unseren wohl verdienten Urlaub geht, sind wir Egoisten.

Und die Einheimischen? Leben davon und leiden darunter, zum Beispiel auf Naxos oder Santorin. Dort regnet es kaum noch und das wenige vorhandene Wasser fließt in die Hotelpools, während die Griechen sich im Sparen üben. Sie kaufen teures Wasser vom Festland und noch teurere Wasseraufbereitungsanlagen. Von den katastrophalen Auswirkungen für die Umwelt ganz zu schweigen.

Massentourismus: Verantwortliche müssen Konsequenzen ziehen

In Florenz sieht man derweil das „soziale Gleichgewicht“ bedroht. Bürgermeister-Anwärter Eike Schmidt malt ein düsteres Bild vom entvölkerten Stadtkern und Studierenden, die vor lauter Hotels selbst keine bezahlbare Bleibe mehr finden. Kein italienisches Einzelschicksal: Ketten wie „Airbnb“ erobern besonders touristische Stadtteile in Großstädten, darunter auch Berlin.

Jessica Hock ist Redakteurin im „Ressort Leben“ der Funke Zentralredaktion.
Jessica Hock ist Redakteurin im „Ressort Leben“ der Funke Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Fest steht: Der Massentourismus geht an die Existenz. Da gibt es jene, die sich mehr Respekt von Touristen wünschen und jene, die klarmachen: Wir hassen nicht euch, sondern wünschen uns Unterstützung von der Politik. Denn die kann Kreuzfahrtschiffe in Venedigs Häfen verbieten, Tagestickets für Touristen einführen oder über den Sommer die Landungsgebühren auf winzigen Mittelmeerinseln erhöhen, auf denen jedes zusätzliche Auto eines zu viel ist.

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Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, fordert eine einheitliche Regelung von der EU, die die Umwandlung von „umkämpftem Wohnraum“ in Ferienwohnungen eindämmen soll. Wenn es um bereits bestehende Hotels geht, können die Städte die Zahl der Betten begrenzen, sodass mehr Urlauber auf Randzeiten ausweichen. Eine Übernachtungssteuer, die Kurzurlauber härter trifft als diejenigen, die eine Woche bleiben oder höhere Gebühren für den ÖPNV, wie es sie im Sommer in Cinque Terre geben soll – alles Maßnahmen für einen nachhaltigeren Tourismus.

Handlungsbedarf besteht auch bei jedem Einzelnen

Wer das unfair findet und sich über steigende Preise ärgert, sollte sich einmal ernsthaft fragen, ob ein paar Euro mehr auf der Urlaubsrechnung ihn von der Buchung abhalten würden. Denn es braucht letztlich nicht nur die Politik und die Tourismusbranche, die den Bau neuer Betten-Burgen überdenken sollte. Ein globales Problem wie der Massentourismus geht alle an und beginnt beim einzelnen Urlauber.

Wenn man aber am Flughafen mit Schmährufen begrüßt wird und die Nord- und Ostseestrände genauso überlaufen sind wie Es Trenc auf Mallorca, wirft das die berechtigte Frage auf: Wo kann man überhaupt noch Urlaub machen? Eine mögliche Antwort: Überall, aber mit Maß und Ziel. Wer kann, bucht außerhalb der Saison. Wer in Deutschland lebt, kann viele – auch weniger bekannte – Reiseziele mit dem Zug erreichen. Wer fliegen will, soll das tun – aber reicht nicht einmal im Jahr und muss es bei nur einer Woche wirklich das Flugzeug sein? Und grundsätzlich gilt: Wer sich danebenbenimmt, darf sich nicht wundern, wenn er nicht mehr willkommen ist.