Berlin. Griechenland versinkt in Regenmassen. Nun droht neue Gefahr. Werden die Unwetter im Mittelmeerraum häufiger? Ein Meteorologe klärt auf.

Achilleas Beos steht da wie ein Prophet im Alten Testament. Knietief im Wasser predigt er den Autofahrern, die auf einer überfluteten Straße seine Stadt verlassen wollen. "Wo wollt ihr hin? Bleibt zu Hause!", ermahnt der Bürgermeister von Volos in einem Facebook-Video lautstark seine Mitbürger, während am dunklen Himmel Blitze zucken, als würde Zeus hoch droben auf dem Olymp ein Strafgericht abhalten.

In der Tat scheint es so, als käme gerade eine Plage biblischen Ausmaßes über Zentralgriechenland. Seit Tagen gießt es in Strömen. Einige Wettermodelle gehen bis zum Sonntagmorgen von 650 Litern Regen pro Quadratmeter aus Zum Vergleich: In Berlin fällt so viel in einem ganzen Jahr. Die Autobahn zwischen Athen und Thessaloniki musste gesperrt werden. Ganze Ortschaften sind von der Außenwelt abgeschnitten, der Strom ist ausgefallen. Es gab bereits mehrere Todesopfer.

Was Medicane und Hurrikan unterscheidet

Eine Hauptstraße in Volos nach dem Regensturm.
Eine Hauptstraße in Volos nach dem Regensturm. © Thodoris Nikolaou/AP/dpa

Wie konnte es zu dieser Regen-Apokalypse kommen? Schuld ist ein kräftiges Höhentief, das seit Tagen südwestlich von Griechenland mehr oder weniger vor Ort liegt. Es schaufelt beständig sehr feuchte, warme und zu Schauern und Gewittern neigende Luft heran", sagt Meteorologe Helge Tuschy vom Deutschen Wetterdienst (DWD) dieser Redaktion. Das Ergebnis seien "verheerende Niederschläge". Kurz zuvor hatte es Spanien getroffen. Heftige Unwetter mit Starkregen waren über die iberische Halbinsel hinweggezogen. Auch hier gab es Tote und schwere Schäden.

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Während sich das Wetter in Griechenland bis Freitag langsam beruhigen soll, droht andernorts neues Ungemach. Nach Ansicht von Experten könnte es zu einem sogenannten "Medicane" kommen. Der Begriff setzt sich aus "Mediterranean" und "Hurricane" zusammen und bezeichnet ein Tropensturm-ähnliches Tief im Mittelmeerraum "Dieser Begriff ist jedoch etwas irreführend, da bereits von einem Medicane gesprochen wird, wenn die Windgeschwindigkeiten noch unter der 120 km/h liegen", erklärt Helge Tuschy. Dies sei die untere Schwelle eines Hurrikans. Ein weiterer Unterschied laut Tuschy: Sehr häufig liege über einem solchen Sturm, wie auch im aktuellen Fall, ein Höhentief, was bei den rein tropischen Systemen nicht der Fall sei.

Medicane wütete über dem Ionischen Meer

Dennoch seien auch im Mittelmeer bereits Stürme aufgetreten, "die vorübergehend alle Kriterien für eine tropische Benennung erfüllten", erklärt Tuschy und nennt als Beispiel den Sturm "Ianos", der im September 2020 über die südlichen Inseln des Ionischen Meeres herfiel und beispielsweise im Hafen von Zakynthos reihenweise Jachten versenkte. Die Übergänge zwischen einem tropenähnlichen Sturm und einem Medicane seien fließend, so Tuschy. Mitunter sei es nicht einfach, eine exakte Benennung vorzunehmen.

2020 tobte auf Zakynthos ein Medicane
2020 tobte auf Zakynthos ein Medicane © dpa | Eurokinissi

Dass sich aus dem Sturmtief über Griechenland ein Medicane entwickeln könnte, ist laut Tuschy nicht unwahrscheinlich. "Das Höhentief wird vom Bodentief 'Daniel' begleitet, Beide befinden sich über 26 bis 28 Grad warmem Meerwasser. Die Frage ist, wie viel Konvektion in Form von Schauern und Gewittern sich zentrumsnah von 'Daniel' ausbilden kann", sagt der DWD-Experte. Laut der aktuelle Wettermodelle werde sich "Daniel" nach Süden verlagern "und der arid geprägten Region Libyens viel Regen und heftigen Wind bringen, was zu Problemen führen dürfte", ist sich Tuschy sicher.

Mehr Stürme: Rolle des Klimawandels bisher unklar

Weniger sicher ist sich der Meteorologe, ob heftige Stürme und Medicanes in Zukunft häufiger vorkommen. "Sicherlich 'helfen' die immer wärmeren Meerestemperaturen, denn diese sind ein Baustein für die Entwicklung eines solchen Sturms. Dazu benötigen wir jedoch meist ein kräftiges Höhentief, das über das Mittelmeer zieht und lange vor Ort verweilt. Beides kann man klimatologisch bisher keiner Trendaussage unterwerfen", schränkt Tuschy ein.

Ob der Klimawandel zu mehr schweren Stürmen führen werde, lasse sich bisher nicht beurteilen. Einen "indirekten Zusammenhang" gebe es sicherlich, so der Meteorologe. Immer wärmere Wassertemperaturen trügen dazu bei, dass sich Tiefs wie "Daniel" öfter entwickeln könnten. Neu sei das Phänomen Medicane aber nicht. "Das hat es auch schon früher gegeben", sagt Tuschy.