Aix-en-Provence. Im Skandal um den Brustimplantate-Hersteller PIP hat der Berufungsprozess begonnen. Hunderttausende Frauen waren weltweit betroffen.

Es ist einer der größten Medizinskandale der Geschichte: Hunderttausenden Frauen weltweit wurden Brustimplantate des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt - mit billigem Industriesilikon. Am Montag hat der Berufungsprozess gegen den Gründer der Firma und vier frühere Mitarbeiter im französischen Aix-en-Provence begonnen.

Vor Gericht erschien der 76-jährige Gründer von PIP, Jean-Claude Mas, als freier Mann. Im Dezember 2013 war er in erster Instanz wegen Betrugs und Verbrauchertäuschung zu vier Jahren Haft, 75.000 Euro Strafe und einem Berufsverbot verurteilt worden. Er ging jedoch in Berufung.

„Ich akzeptiere nicht, dass dies als schwerer Betrug gewertet wird“, antwortete der Angeklagte am Montag laut der französischen Nachrichtenagentur AFP auf die Frage des Richters, warum er in Berufung gegangen sei. Das Silikon in den Kissen sei auch nicht schädlich, hatte er stets betont. Der Opferanwalt Laurent Gaudon äußerte sich empört über solche Sätze: „Es ist für die Opfer unerträglich zu hören, dass das Produkt nicht gefährlich sein soll. Viele haben gesundheitliche Probleme, haben Silikonkügelchen in den Brüsten“, sagte er.

Mehr als 18.000 Frauen ließen sich Implantate austauschen

Der Skandal um PIP hatte im Jahr 2010 begonnen, nachdem die zuständige französische Behörde Sicherheitsmängel an den Implantaten fand. Die Kissen können demnach nicht nur weitaus häufiger reißen als andere Implantate, sie enthalten auch Industriesilikon. Allein in Frankreich ließen sich deshalb bis März 2015 mehr als 18.000 Frauen die Implantate austauschen; die französischen Behörden hatten diesen Schritt empfohlen. Andere Länder wie Venezuela folgten, Deutsche sind ebenfalls davon betroffen. Mittlerweile wurde das Unternehmen zwangsliquidiert.

Auch der TÜV Rheinland ist Nebenkläger in dem Verfahren in Aix-en-Provence. In erster Instanz waren die Prüfer, die den Produktionsprozess von PIP zertifiziert hatten, als Opfer der Täuschung anerkannt worden. Dies sahen auch andere Gerichte so. Zwar wurde der TÜV in einem Zivilverfahren in Toulon 2013 zu einer Entschädigung der Opfer verurteilt, dieses Urteil wurde in der zweiten Instanz aber wieder kassiert: Das Prüfunternehmen habe seine Verpflichtungen durchaus erfüllt.

Im neuen Prozess war der Gerichtssaal für den Ansturm von Geschädigten und Zuschauern zu klein. Das Gericht verlegte deshalb die Verhandlung in ein Kongresszentrum. Die Verhandlungen laufen bis zum 27. November, das Urteil wird erst einige Monate später erwartet.