Mainz. In einer katholischen Kita in Mainz hat es sexuelle Übergriffe zwischen Kindern gegeben. Bistum spricht von „Schweigekartell“.

Nach der Serie sexueller Übergriffe unter Kindern in einer katholischen Kita in Mainz ist die Betreuung von Eltern und Kindern angelaufen. Der Kinderschutzbund richtete einen Krisenstab ein. In der Kita soll es nach Angaben des Bistums Mainz schon länger schwere sexuelle Übergriffe gegeben haben. Das Bistum berichtete von Erpressung und Gewalt, ein Kind soll zum Beispiel eine Verletzung im Genitalbereich erlitten haben. Fast alle der 55 Kinder sollen irgendwie betroffen sein. Das Bistum beruft sich bei den Angaben auf die Eltern. Es kündigte allen sieben Mitarbeitern fristlos und wirft ihnen vor, die Aufsichtspflicht verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelt. Die Kita ist bis September geschlossen.

„Bestürzung“, „Fassungslosigkeit“ und „Entsetzen“ sind die eindringlichsten Vokabeln, die Generalvikar Dietmar Giebelmann im Bischöflichen Ordinariat artikuliert. Er selbst wirkt, um es profan zu formulieren, erschüttert. Durch ein Schweigekartell haben die pädagogischen Mitarbeiter der Kita Mariae Königin in Mainz-Weisenau monatelang massive Gewalt und sexuelle Übergriffe von Kindern, begangen an Kindern, zugelassen. So die Überzeugung des Bistums.

Die Mainzer Anklagebehörde ermittelt wegen des Verdachts auf Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, fahrlässige Körperverletzung, unterlassene Hilfeleistung und Aussetzung. In Verdacht stehen Beschäftigte der Kita – wie viele und welche, sei noch nicht absehbar, so die Behörde.

Giebelmann bittet die betroffenen Kinder und Eltern auch im Namen von Kardinal Karl Lehmann um Verzeihung, „auch wenn ich weiß, dass eine Entschuldigung sehr wenig ist.“ Dem Bistum ist bewusst, dass ihm Verantwortung zugemessen wird bei diesem Skandal.

Pfarrgemeinde spricht von Erpressungen und Morddrohungen

Die katholische Pfarrei Mariae Himmelfahrt hatte die Kita am 2. Juni geschlossen und erst eine Woche später die Eltern über den Grund informiert. Zu „einem bereits bekannten erhöhten Maß an Aggressivität, Gewalt und Diebstahl“ seien Schilderungen von Kindern von sexuellen Übergriffen, begangen von Kindern, gekommen. In einem Brief an die Eltern, berichtet die Mainzer Allgemeine Zeitung, spreche die Pfarrgemeinde dezidiert von Erpressungen und Morddrohungen. Kinder seien gezwungen worden, „den Po hinzustrecken, damit ihnen Gegenstände in den Anus eingeführt werden – wiederholt und über einen längeren Zeitraum.“ In dem Brief folgen weitere Schilderungen über massive Gewalt und sexuelle Übergriffe.

Kinder, die wegen solcher Gewaltaktionen ein stark verändertes Verhalten zeigten, wurden von ihren Eltern befragt und schilderten daraufhin die Vorkommnisse. Eltern äußerten sich in der Folge entsetzt – auch über die Informationspolitik der Kirche. Erst am Mittwoch, 10. Juni, als Eltern sich an die Öffentlichkeit wandten, informierte das Bistum die Staatsanwaltschaft.

Das Bistum zeigt sich fassungslos, wie Derartiges über so lange Zeit in der Kita unentdeckt bleiben konnte. Zu erklären, so Giebelmann, sei dies letztlich nur durch ein geschlossenes System des Schweigens: Das Erziehungspersonal habe weder den Träger, die Kirchengemeinde, noch das Bistum von Vorkommnissen unterrichtet, obwohl es vier bis fünf Monate zuvor Hinweise von Eltern etwa über Verletzungen ihrer Kinder im Genitalbereich gegeben habe.

In der Einrichtung seien zuletzt 55 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren gewesen. „Wie in einer Kita ein solcher Gesamtgeist der Verrohung entstehen konnte, ist mir unbegreiflich“, so der Generalvikar.