Paris. Staatsanwaltschaft bestätigt Medienberichte, wonach der Copilot der abgestürzten Germanwings-Maschine im Internet nach Zyankali suchte.

Der Copilot der abgestürzten Germanwings-Maschine hat im Internet nach Zyankali, Valium und tödlichen Medikamenten-Cocktails gesucht - offenbar um sich allein das Leben zu nehmen. Ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte am Freitag Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR.

Offiziell war bislang nur bekannt, dass sich Andreas L. über „Möglichkeiten der Selbsttötung“ informiert hatte. Den Ermittlern zufolge hatte der 27-Jährige seine Suizidgedanken niemandem offenbart: Weder Angehörige, Ärzte noch Arbeitgeber hätten davon etwas gewusst, hieß es am Freitag.

Andreas L. habe sich sogar über Patientenverfügungen informiert, offenbar für den Fall, dass ein Suizid misslingen könnte. Im Dezember 2014 habe er begonnen, zahlreiche Ärzte aufzusuchen. Davor seien fünf Jahre lang keine gesundheitlichen Auffälligkeiten feststellbar.

Andreas L. soll den Airbus am 24. März auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in den französischen Alpen zum Absturz gebracht haben. Alle 150 Menschen an Bord kamen ums Leben. Die meisten Opfer stammten aus Deutschland. Die 16 verunglückten Schüler aus Haltern am See sollen von diesem Freitag an beigesetzt werden.

Nach Angaben der Ermittlern klagte L. ab Dezember über massive Seh- und Schlafstörungen. Neurologen seien von einer Angststörung ausgegangen. Ein Mediziner habe einen „psychosomatischen Beschwerdekomplex“ diagnostiziert. Diese Krankschreibung habe L. seinem Arbeitgeber aber vorenthalten. Die Ermittlerkommission „Alpen“ habe 46 Patientenakten von L. ausgewertet.

Laut französischer Staatsanwaltschaft war der Copilot fluguntauglich. „Er war nicht mehr in der Lage, ein Flugzeug zu fliegen“, hatte Staatsanwalt Brice Robin in Paris gesagt. Der 27-Jährige sei instabil und psychisch krank gewesen.

Die Marseiller Staatsanwaltschaft will auch eine mögliche Verantwortung der Fluggesellschaft und der Konzernmutter Lufthansa klären. Es gebe aber bisher keinerlei Beweise, dass Germanwings oder Lufthansa Informationen über den aktuellen Gesundheitszustand Copiloten gehabt hätten.

Zuvor hatte Staatsanwalt Brice Robin am Donnerstag über weitere Details informiert. Mehr als vier Stunden nahm er sich Zeit, um in Paris Angehörige der Opfer von Germanwings-Flug 4U9525 über bisherige Ermittlungen zu informieren. Auch im Brennpunkt des internationalen Interesses versuchte der Staatsanwalt von Marseille, zunächst dem unermesslichen Leid der Familien mit möglichst umfassenden Antworten gerecht zu werden. „Die Hinterbliebenen haben ein Anrecht darauf“, begründete er das nach einem ähnlichen Termin in Marseille.

Auftritte französischer Staatsanwälte lassen gelegentlich Gedanken an höfische Rituale aufkommen. Robin gab sich bei seinen medienwirksamen Einsätzen meist bescheiden. Im Scheinwerferlicht blitzte auch gelegentlich ein Hang zu feiner Selbstironie auf. Etwa wenn er sein - nach eigener Einschätzung - schwächelndes Englisch für Antworten auf internationale Reporterfragen nutzen soll.

Seit dem Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März in den südostfranzösischen Alpen ist der 63-Jährige als Staatsanwalt von Marseille für die Aufklärung des Unglücks zuständig. Die Dimension des Falls ist auch für den erfahrenen Ermittler nicht alltäglich: ein vom Copiloten vorsätzlich herbeigeführter Absturz, 150 Opfer aus mehreren Nationen, eine Vielzahl trauernder Angehöriger auf der Suche nach Erklärungen und bohrende Fragen internationaler Medien.

Genervt zeigte sich Robin, wenn Informationen über Medien nach außen sickerten. So fragte er nach ersten Berichten der „New York Times“ über die tödlichen Absichten des Copiloten: „Merkt man mir etwa an, dass ich ungehalten bin?“

Wie sehr auch ihn der aktuelle Fall mitzunehmen scheint, zeigt sich, wenn er Details seiner Ermittlungen etwa zum Unglücksverlauf oder zur Krankheitsgeschichte des Copiloten wiederholt, um sie zu bekräftigen und so das Unglaubliche in die Realität zu holen.

Andere Schlagzeilen wären ihm lieber, etwa auf Sportblättern. Der Zeitung „La Provence“ sagte er, er wäre zufrieden, wenn er „die Titelseite von L’Équipe machen würde“. Eine Anspielung auf einen seiner großen Fälle, bei dem er gegen in Frankreich als Sporthelden verehrte Handball-Profis wegen gekaufter Spiele vorging.

Aufsehenerregende Ermittlungen sind Robin nicht unbekannt. Marseille wird in Frankreich auch die „Hauptstadt des Verbrechens“ genannt: Organisierte Kriminalität, Bandenkriege, regelmäßige Erschießungskommandos auf offener Straße. Die Justizbehörde in der Hafenstadt am Mittelmeer gilt als wichtiger Posten für einen „Staatsanwalt der Republik“, wie Robins offizieller Titel lautet.

So war Robin zuständig im Skandal um Pferdefleisch, das als Rind verkauft wurde. Auch die Akten zum Auftragsmord an der wegen Reichtum und Einfluss „Vize-Fürstin“ genannten monegassischen Immobilienerbin Hélène Pastor lagen auf dem Schreibtisch von Robin. (dpa)