Im Prozess um den gewaltsamen Tod von Tugce Albayrak schildern Zeugen die massiven Beleidigungen durch Sanel M., die den Handgreiflichkeiten vorangingen.

Am zweiten Tag des Prozesses um den Tod von Tugce Albayrak vor dem Landgericht Darmstadt haben Freundinnen ihrer Gruppe ausgesagt. Sie berichteten am Montag über massive Beleidigungen durch den Angeklagten Sanel M. und seine Freunde, sobald sie das Offenbacher Schnellrestaurant in den frühen Morgenstunden betraten. So habe Sanel M. eine der ersten jungen Frauen mit den Worten „Schlampe, wie viel kostest du denn“ und „Du Transe“ beschimpft. Daraufhin hätten praktisch alle Gäste gelacht. Das gute Dutzend der Freundinnen, die eine Geburtstagsfeier beschließen wollten, habe sich dann weggesetzt in die Nähe der Toilettentreppe.

Von unten aus der Toilette war nach Aussage von Zeuginnen lauter Streit zu hören. Tugce, die zuvor schon auf der Toilette gewesen sei, sei aufgesprungen und die Treppe hinuntergerannt, zwei Zeuginnen folgten ihr. Im Türrahmen der Damentoilette standen nach ihren Angaben der Angeklagte und zwei Freunde, drinnen stand Tugce, daneben saßen zwei minderjährige Mädchen am Boden. Tugce habe die jungen Männer aufgefordert, die Toilette zu verlassen. Sanel M. sei ihr sehr nahe gekommen und habe sie beleidigt. Da seien aus der Männertoilette zwei Männer gekommen, hätten den Angeklagten und einen Freund gepackt und nach oben gezerrt.

Beleidigungen gingen draußen "erst richtig los"

Von oben habe Sanel M. zu Tugce heruntergerufen: „Du wirst noch sehen, du Schlampe, was du davon hast!“, sagte eine Zeugin. Die Männer hätten ihn und seine Freunde fortgewiesen, und die jungen Frauen hätten in Ruhe fertiggegessen. Anschließend seien sie zu einer Sitzgruppe vor die Tür gegangen, um zu rauchen. „Dann gingen die Beleidigungen erst richtig los“, sagte eine Zeugin. Ein BMW mit Freunden des Angeklagten habe direkt neben ihnen gehalten, Sanel M. sei mit noch mehr Freunden gekommen und habe gesagt: „Na ihr Nutten, da guckt ihr.“ Eine Gruppe von zehn bis 15 Jungs habe die Frauen umstellt.

Manche der Frauen hätten ihrerseits mit Kraftausdrücken geantwortet. „Die Auseinandersetzung hat sich hochgespielt“, sagte die Zeugin. Schließlich gingen die jungen Männer zu ihren Autos, und auch einige der Frauen gingen los, darunter Tugce. Eine Zeugin schilderte, wie ein Freund des Angeklagten sie fortwährend beleidigte, bis sie ihn zur Seite schubste, woraufhin er sie schlug. Eine Freundin sei dazwischen gegangen und habe den Schlag abgemildert. Die beiden seien zur Seite geflogen, beschrieb eine andere Zeugin den Vorfall.

Situation vor dem Schlag bleibt unklar

Sanel M. beleidigte Tugce einer Zeugin zufolge mit den Worten: „Deine Mutter ist eine Nutte, und du bist eine Nutte!“ Daraufhin habe Tugce zurückgegeben: „Du Hurensohn“. Über den Standort Sanels bei den letzten Beleidigungen vor dem Schlag gab es unterschiedliche Aussagen. Ein Verteidiger des Angeklagten hielt einer Zeugin vor, bei der Polizei ausgesagt zu haben, Sanel sei zu seinem Auto gegangen und nach Tugces Ruf wieder zurückgekommen. Daran erinnerte sich die Zeugin in der Verhandlung nicht mehr. Auch eine andere Zeugin hatte ein Weggehen von Sanel M. nicht bemerkt.

Unklar blieb die Situation unmittelbar vor dem Schlag mit Todesfolge. Ein Freund von Sanel M. soll sich zwischen ihn und Tugce gestellt haben, aber Sanel M. schlug an ihm vorbei zu. Eine Zeugin sagte, sie habe die Tat von ihrem zwei Meter entfernten Auto aus gesehen. Tugce sei von der Handfläche im Schläfenbereich getroffen worden, habe sofort die Augen geschlossen und sei umgekippt. Eine andere Zeugin, angehende Krankenschwester, beschrieb, dass die Niedergeschlagene krampfte, ihre Zunge nach hinten fiel und Blut aus dem verschmierten Kopf lief. Tugce habe auf ihr Rufen noch zweimal „ja“ gesagt.

Zeugen erinnern sich lückenhaft

Der mutmaßliche Täter und ein Freund liefen den Berichten nach zu ihrem Auto und wollten losfahren. Eine Zeugin riss die Fahrertür auf und rief nach eigenen Worten: „Komm raus und hilf!“ Die Antwort sei gewesen: „Verpiss dich, du Nutte!“ Dann fuhr das Auto los, und eine Freundin, die das Kennzeichen fotografierte, habe zur Seite springen müssen, um nicht überfahren zu werden.

Einige der Zeuginnen erinnerten sich nicht mehr so genau an die Geschehnisse, wie sie es bei den Polizeivernehmungen angegeben hatten, die der Vorsitzende Richter Jens Aßling und die Rechtsanwälte vorlasen. Die Anwälte des Angeklagten versuchten daher, die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen in Zweifel zu ziehen. Sie stellten mir ihren Fragen in den Vordergrund, dass die Zeuginnen sich Videos der Überwachungskamera im Internet angesehen und untereinander darüber geredet hatten. Der Prozess wird mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt. (epd)