Mailand. Der Mann eröffnete im gut geschützten Justizpalast plötzlich das Feuer und erschoss zwei Menschen. Augenzeugen berichten von Panik im Gericht.

Die Polizei hat den Täter bei seiner Flucht auf einem Motorroller gefasst, doch die Spekulationen über die Hintergründe der Todesschüsse in einem Mailänder Gericht gehen weiter. War es eine Tat aus Verzweiflung über eine private Pleite? Ein des betrügerischen Bankrotts angeklagter Mann hat im Mailänder Justizpalast das Feuer eröffnet, seinen Anwalt und einen Richter erschossen und zwei Mitangeklagte verletzt. Nach Angaben der Rettungskräfte wurde in dem Gebäude die Leiche eines dritten Mannes gefunden, der offenbar einem Herzinfarkt erlag. Der Täter flüchtete auf einem Motorroller, konnte von der Polizei aber rund 25 Kilometer außerhalb Mailands festgenommen werden.

Viele Details waren am Nachmittag noch unklar, nach übereinstimmenden Berichten aber eröffnete der Mann am Morgen das Feuer in dem Gerichtssaal im dritten Stock, in dem seine Verhandlung stattfand. Anschließend lief er in den zweiten Stock und erschoss dort Richter Fernando Ciampi in dessen Büro. Einer der Mitangeklagten erlitt schwerste Verletzungen.

Die Polizei ging zunächst davon aus, dass sich der Schütze nach der Tat weiter im Gebäude verschanzt hielt. Die Zugänge wurden gesperrt und die Menschen in Sicherheit gebracht. Es herrschte Panik und große Konfusion, vor dem Gebäude warteten mehrere Krankenwagen. In Wirklichkeit aber war der Mann bereits mit einem Motorroller geflüchtet. Wie Innenminister Angelino Alfano über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, wurde der Flüchtige schließlich in der Ortschaft Vimercate nordöstlich von Mailand geschnappt und in eine Kaserne der Polizei gebracht.

Unklar war zunächst, wie der Mann mit seiner Waffe in das Gebäude gelangen konnte, da die Eingänge mit Metalldetektoren kontrolliert werden. Der Justizpalast steht im historischen Zentrum von Mailand, nur wenige Straßen vom Dom und dem Geschäftsviertel entfernt.

Eine Journalistin der Agentur OmniMilano, Anna Bernasconi Deluca, hielt sich gerade in der Vorhalle im dritten Stock auf, als rund 20 Meter von ihr entfernt die Schüsse fielen. "Ich hörte mindestens vier Schüsse und sah, wie die Leute aus dem Saal flüchteten", erzählte sie der Nachrichtenagentur AFP. "Ich versteckte mich hinter einer Säule. Später ging ich in den Saal, und da sah ich zwei Verletzte". Offenbar habe der Mann erst seinen Anwalt erschossen, sich dann den Zuschauern zugewandt und auf seine beiden Mitangeklagten gezielt.

Italienischen Medienberichten zufolge musste sich der 57-Jährige wegen des Bankrotts einer Immobilienagentur im Jahr 2008 verantworten, an der er mit 55 Prozent beteiligt war. Der Anwalt Valerio Maraniello sagte AFP, er kenne den mutmaßlichen Schützen, er habe ihn vor Jahren gemeinsam mit dem Kollegen vertreten, der heute erschossen worden sei.

Er habe ihn als "aggressiv und ein wenig paranoid" erlebt, sagte Maraniello: "Er war stets davon überzeugt, dass man ihn übers Ohr hauen will. Auf Ratschläge hörte er nie". Deshalb habe er die Zusammenarbeit mit dem 57-Jährigen beendet.

Ein Kollege des erschossenen Richters äußerte sich "schockiert" über den Angriff. "Ich kannte Richter Ciampi persönlich", sagte Gherardo Colombo vor dem Gerichtsgebäude. "Es ist einfach absurd, dass jemand auf diese Weise stirbt", sagte er weiter.

Innenminister Alfano beriet gerade in Mailand mit dem staatlichen Komitee für öffentliche Sicherheit und Ordnung über die Weltausstellung Expo 2015, die am 1. Mai in der italienischen Metropole eröffnet wird. Nach den Schüssen im Justizpalast wurde die Sitzung unterbrochen. Der Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini, äußerte sich besorgt über den Vorfall: "Wenn wir bei der Expo denselben Grad an Sicherheit haben wie im Justizpalast, dann kann ich mir die möglichen Pläne von Terroristen gut vorstellen." (AFP/HA)