Prinz Charles hat eine Meinung. Und er sagt sie auch, zu politischen, gesellschaftlichen, sozialen Themen. Für einen künftigen König ist das eine schlechte Angewohnheit. Kritiker befürchten: So spaltet er die Nation.

London. Queen Elizabeth II. steht am 6. Februar seit genau 63 Jahren an der Spitze des Vereinigten Königreichs. Über die Zukunft der Monarchie wird in Großbritannien derzeit eifrig diskutiert. Angeheizt durch eine neue, teils vorab veröffentlichte Biografie der US-Journalistin Catherine Mayer steht die Insel vor der Frage: Würde es mit Charles funktionieren? Der 66 Jahre alte Thronfolger und älteste Sohn von Elizabeth II. gilt seit Jahrzehnten als Reizfigur mit dem Potenzial, die Nation eher zu spalten als zu einen. Und das nicht nur wegen seiner Rolle in der Ehe mit der von vielen geliebten Prinzessin Diana.

Wie unangenehm dem Buckingham-Palast die öffentliche Debatte zu dem Thema ist, beweist die defensive Kommentierung, bevor das Buch überhaupt erschienen ist. Die Biografie Mayers sei nicht autorisiert, deshalb werde sie nicht kommentiert, heißt es schmallippig vom Hof. Um dann aber dennoch hinzuzufügen: Mayer habe für die Recherche zu ihrem Buch gar keinen besonders engen Kontakt zu Charles und seinem Hofstaat gehabt – eine Erkenntnis, die spät gereift ist. Mayer hatte bereits 2013 für das US-Magazin „Time“ ein paar Kernthesen ihres Buches aufgeschrieben – damals hatte der Palast keine Einwände gegen die Behauptung der Autorin, sie habe so viel Zugang wie keine andere Reporterin vor ihr bekommen.

Im Kern geht es um das Neutralitätsgebot, dem die britische Monarchie unterliegt, obwohl es kein geschriebenes Gesetz vorgibt. Elizabeth, die im September länger als jeder britische Monarch vor ihr die Krone getragen haben wird, hat sich in den 63 Jahren ihrer Regentschaft stets herausgehalten – und war damit gut gefahren. Die Rolle der 88-Jährigen ist heute unanfechtbar. Einige Historiker sind der Auffassung, nur die absolute politische Neutralität habe überhaupt das Überleben der Monarchie gesichert – etwa in der Krise nach dem Unfalltod Prinzessin Dianas 1997.

Charles ist alles andere als neutral

Die Krone, so lautet ihre auch im Palast verinnerlichte These, hat nur eine Chance zur Transformation in die Moderne, wenn sich unter ihrem Schutz alle Briten wiederfinden – und nicht nur die Kinder eines bestimmten Geistes, einer bestimmten Klasse oder einer bestimmten Glaubensrichtung. Oder anders formuliert: Wenn sich die Royals eines nicht leisten können, dann ist es, die Nation zu spalten.

Charles hat sich in den mehr als 60 Jahren seiner Zeit als Thronfolger alles andere als neutral verhalten. Dezidiert äußerte er seine Meinung etwa zu nachhaltiger Landwirtschaft und zum Klimawandel, aber auch zu architektonischen Fragen und zum Thema soziale Gerechtigkeit. Als er Sympathien für den Islam öffentlich machte, fragten seine Landsleute: „Darf das ein künftiges Oberhaupt der Kirche von England.“ Noch hat er laut Umfragen die Mehrheit auf seiner Seite.

Wie sehr sich Charles aus dem Fenster gelehnt und auch in der Downing Street eingemischt hat, könnten schon in den nächsten Wochen die wegen seiner leicht krakeligen Handschrift sogenannten Black-Spider-Memos (schwarze Spinnen-Notizen) erhellen. Die Zeitung „Guardian“ klagt seit Jahren auf die Herausgabe der Schriften, Charles – im Einklang mit der Regierung – will das verhindern. Der Supreme Court als höchstes britisches Gericht muss in den nächsten Wochen entscheiden.

„Neudefinition der Monarchie“

Die biografischen Notizen von Catherine Mayer erscheinen insofern glaubhaft, wenn sie die Wut seines Vaters Prinz Philip schildern. Der heute 93 Jahre alte und häufig als heimlicher Chef bei Hofe bezeichnete Prinzgemahl tat Charles gesellschaftspolitische Sichtweisen dem Buch zufolge als „Hirngespinste“ ab. „Er stellt seine eigenen Interessen über die königlichen Pflichten“, soll Philip gewettert haben. Die Queen, seine Ehefrau, habe er dabei auf seiner Seite.

Schon werden Vergleiche gezogen zu Elizabeths Onkel, König Edward VIII., der seine Liebe zu der geschiedenen US-Schauspielerin Wallis Simpson über die Krone stellte. Nach wenigen Monaten auf dem Thron dankte er ungekrönt ab – und stürzte die britische Monarchie damit in die wohl schwerste Krise der Neuzeit.

Die konservativen Kreise in den Fluren des Buckingham-Palastes befürchten angesichts des irgendwann unvermeidlichen Endes der Ära Elizabeth nicht weniger als „eine Neudefinition der Monarchie“. „Einige Höflinge und die Herrscherin selbst glauben, dass weder die Krone noch ihre Untertanen bereit sind, den Schock des Neuen zu ertragen“, heißt es in dem Buch.