Ex-Geliebter der Prinzessin der Herzen weiß, wer Prinz Harrys Vater ist – behauptet ein neues Bühnenstück, das in London für Wirbel sorgt.

London. „Hand hoch, wer glaubt, dass der Tod Dianas ein Unfall war und kein Komplott?“ So wurden am Mittwochabend bei der Uraufführung eines neuen Theaterstücks in Londons Charing Cross Theatre von der Bühnenrampe aus die Zuschauer gefragt. Hinter der Wahrheit tauchen Konspirationstheorien auf, als Beleg, dass man niemandem trauen kann. „Truth, Lies, Diana“, (Wahrheit, Lügen, Diana), heißt das Doku-Drama.

Es geht noch einmal die seit Jahren durchgehechelten Fragen um Leben und Lieben der Prinzessin von Wales durch. Und an den wenigen hochgehobenen Händen in den Zuschauerreihen konnte man ablesen, wie weitgehend ungläubig das Publikum noch immer einigen „Fakten“ der Biografie der Ikone Di gegenübertritt.

Das betrifft vor allem die Umstände ihres Todes, aber auch die Frage, wer der biologische Vater ihres zweiten Kindes, Prinz Harry, sei: Charles, der Ehemann, oder der Liebhaber aus jenen Jahren, James Hewitt, Offizier in der königlichen Kavallerie und nach populärer Auffassung nichts anderes als ein Schurke, ein „cad“, wie man im Englischen sagt, freilich ein amouröser.

Regisseur und Hauptdarsteller in einer Person

Jon Conway, der Autor, der gleichzeitig als Regisseur und Hauptdarsteller seines Schauspiels fungiert, lässt das Publikum in dieser Frage am ausgestreckten Arm gleichsam verhungern: Keineswegs „belegt“ er die Vaterschaft Hewitts, was auch verwunderlich wäre, nachdem sich Hunderte vor ihm an dieser Frage ergebnislos abgearbeitet haben. Der Mann, der in dem Stück den Hewitt gibt, schweigt lediglich auf die Frage, ob er der Vater sei, und gibt damit korrekt wieder, was Conway in Gesprächen mit dem Rittmeister etablieren konnte.

Aber er tischt dennoch eine wichtige Neuigkeit auf, ebenfalls aus den Gesprächen mit Hewitt während der Zeit der Recherche für das Stück gewonnen: „Ich lernte Diana mindestens ein Jahr vor Harrys Geburt kennen“, also vor 1984, sagte der Rittmeister dem Autor und genehmigte diese Aussage als eines der Kernzitate im Stück selber. Damit widerspricht der Mann sich selbst: Denn noch vor zehn Jahren schwor er in Interviews und gerichtskräftigen Papieren, Diana erst kennengelernt zu haben, „als der kleine Harry schon laufen gelernt hatte“.

Heute also eine neue Version, ausweislich des Schauspiels, dem er nicht widerspricht: „Dass ich Diana schon mehr als ein Jahr vor Harrys Geburt kennenlernte“, konstatiert der Hewitt-Darsteller, „beweist natürlich noch lange nicht, dass ich der Vater bin. Es ist einfach eine unbequeme Wahrheit.“

Was aber ist Wahrheit? Als habe er das Publikum in der Causa Hewitt nicht schon genug auf die Folter gespannt, setzt Jon Conway diesen Äußerungen die Krone auf mit einem weiteren O-Ton Hewitts, der sich ebenfalls unter vier Augen von ihm hat bestätigen lassen: „Aber ich weiß, wer der Vater ist.“

Es ist erstaunlich, dass ein Autor fast 18 Jahre nach dem Tod der Prinzessin von Wales davon ausgeht, das Publikum interessiere sich für die sattsam ausgeleuchtete Geschichte, als lebe noch ein Element von Kitzel in dieser Saga. Conway hat einen aktuellen Dreh gefunden, alles erneut aufzurollen: das tiefe Misstrauen gegenüber allem, was Regierung und Establishment heißt.

Ein Sokrates des Boulevard

Aber der Regisseur geht nicht als Verschwörungsgläubiger an die Arbeit – das wäre nicht bühnenreif –, sondern als ein Sokrates des Boulevard, der den Zweifel lehrt an den Schlagzeilen und Behauptungen der Vergangenheit. Warum wurde Diana noch vor der Autopsie einbalsamiert? Etwa um die Frage nicht mehr klären zu können, ob sie schwanger war?

Die Bühnenhandlung ist denkbar einfach: Ein Journalist namens Ray begibt sich auf Diana-Spurensuche, in wechselnden Dialogen mit den Hauptakteuren der Story – dem Butler Burrell, Hewitt, Gerichtsvorsitzenden, französischen Polizisten, einem Diana-Buch-Autor, Ermittlern, Einflüsterern jeder Art und einer nicht benannten Figur, die immerfort rät, „am besten das Fragen zu unterlassen,“ weil es die Zukunft belaste und „die Vergangenheit zerstört“.

Um den historischen Stoff drapiert Conway ein Ehedrama zwischen Ray und seine Frau Suzy, die ihm untreu wird, weil sie seine Diana-Paranoia nicht mehr ertragen kann. Am Ende hört man vom Unfalltod des Journalisten, den die Zuschauer nur mit Zweifeln quittieren können, die denen am Tod Dianas ähneln – hat man ihn umgebracht, weil seine Recherchen bestimmten Kreisen nicht passten?

Im Grunde kommt das Stück keinen Zoll über den bisherigen Stand des Gewussten, Ungewussten und Unwissbaren hinaus. Zwar vermeidet Conway jede Sensationshascherei Es ist aber nichts dran an dem Stück, außer der Not eines Autors, der auch die Wahrheit nicht hat finden können. Dass es zum Zweifeln rät, ist das einzige Verdienst von „Wahrheit, Lügen, Diana“.