Nach einem Gebet für Tugce, wird der Leichnam der jungen Frau nach islamischem Ritus beigesetzt. Die Schwester von Jonny K. behauptet indes, der Tod hätte verhindert werden können.

Wächtersbach. Trauer um Tugce: Der traurige Abschied der getöteten Studentin Tugce A. begann in einem schmucklosen Gewerbegebiet von Wächtersbach. Dort stand neben einer Holzwerkstatt und Bahngleisen das gelbe Moschee-Gebäude des örtlichen Türkisch-Islamischen Kulturvereins (Ditib). Das grau-kalte Wetter verstärkte die bedrückende Atmosphäre. Im Freien bahrten Helfer den dunkelbraunen, geschmückten Sarg mit dem Leichnam der jungen Lehramtsstudentin auf.

Viele der rund 1300 Trauergäste weinten, als ein Gebet für Tugce gesprochen wurde, die nach einer Prügelattacke in Offenbach ins Koma fiel und daraus nicht mehr erwachte. Die Lehramtsstudentin ist zum Symbol für Zivilcourage geworden. Doch ihre Hilfsbereitschaft, zwei Mädchen, die an einer Toilette von mehreren Männern belästigt worden waren, zu helfen, fiel ihr dabei zum Verhängnis.

„Wir sind alle sehr traurig. Das ist eine sehr emotionale Situation für uns“, sagte der Ditib-Vorsitzende von Wächtersbach, Hakan Akbulut.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, erwiesen Tugce die letzte Ehre. Nach der Zeremonie wurde der Leichnam auf dem Friedhof ihrer Geburtsstadt Bad Soden-Salmünster nach islamischem Ritus beigesetzt. Die Trauergäste wurden in mehreren Bussen transportiert, die Landstraße wurde zeitweilig für den Verkehr gesperrt.

„Es hätte auch meine Tochter sein können“


Auf zwei Tischen vor dem Moschee-Gebäude lagen zahlreiche Blumengebinde, mit denen die Menschen ihre Anteilnahme und Trauer ausdrücken. Ein Gesteck aus rosa und weißen Rosen trug ein Band mit der Aufschrift: „Es hätte auch meine Tochter sein können“. An einem anderen stand: „Unser Engel, Du wirst immer in unseren Herzen bleiben.“

Die tragische Geschichte der Lehramtsstudentin hatte zahlreiche Menschen bewegt, viele drückten Entsetzen und Trauer über die sozialen Netzwerke im Internet aus. Egi Deidda (42) und ihre Tochter Alicia (14) kamen aus dem nahen Maintal zur Trauerfeier nach Wächtersbach. „Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie. Ich hätte wahrscheinlich wie viele andere weggeschaut“, sagte die Mutter über Tugce.

Schon am vergangenen Freitag war es vor der Klinik in Offenbach, in der die Studentin behandelt wurde, zu sehr bewegenden Szenen gekommen. Es war Tugces 23. Geburtstag. Am Abend, als die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt wurden, harrten rund 1500 Menschen vor dem Krankenhaus aus. Auf einem Klavier spielte ein Musiker die Lieblingsstücke von Tugce, darunter auch eines, das die Lehramtsstudentin selbst auf der Abschiedsfeier ihrer Schulklasse gespielt hatte.

Staatsanwaltschaft will 2015 Anklage erheben


Inzwischen sickerte auch durch, dass voraussichtlich in den ersten Monaten 2015 Anklage gegen den mutmaßlichen Schläger erhoben wird. „In Haftsachen, insbesondere mit Jugendlichen, sollte möglichst innerhalb von sechs Monaten angeklagt werden und die Hauptverhandlung beginnen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Offenbach.

Mit dem Ergebnis aller Obduktionsergebnisse sei im Januar zu rechnen. Zur aktuellen Ermittlungsarbeit gehöre auch, die Qualität des Videos vom Tatgeschehen auf dem Parkplatz vor dem Offenbacher Schnellrestaurant verbessern zu lassen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung mit Todesfolge gegen den mutmaßlichen, 18 Jahre alten Täter. Dieser sitzt in U-Haft und schweigt. Für einen Tötungsvorsatz gebe es keine Anhaltspunkte, sagte der Staatsanwalt.

Die Bundesregierung begrüßt derweil die Idee eines Verdienstordens für Tugce. Regierung und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten „große Sympathie“ für die Gedanken, „die der Bundespräsident da geäußert hat“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin.

Schwester von Jonny K.: Jugendgerichte haben Schuld


Die Schwester des Berliner Prügelopfers Jonny K. behauptet indes, dass der Tod von Tugce mit strengeren Urteilen von Jugendgerichten hätte verhindert werden können. Hätte man diesen Menschen vorher schon ein bisschen mehr wachgerüttelt und ihm klare Grenzen gezeigt, wäre es vielleicht nicht zu dieser Tat gekommen“, sagte Tina K. am Mittwoch im RBB-Inforadio. „Ich schüttele den Kopf, wenn ich höre, dass solche Täter vorher schon auffällig waren.“

Der Fall Tugce erinnert an den 20-jährigen Jonny K., der 2012 auf dem Berliner Alexanderplatz von mehreren Männern totgeprügelt wurde. Seine Schwester Tina engagiert sich seitdem für Zivilcourage.