Der Polizist, der die tödlichen Schüsse auf den schwarzen Teenager Michael Brown abgegeben hat, wird nicht angeklagt. Sofort kommt es zu heftigen Krawallen, Ferguson steht in Flammen. Demonstranten und Polizisten liefern sich Straßenschlachten.

Ferguson. Der weiße Polizist Darren Wilson wird nicht für seine Todesschüsse auf den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown in der US-Kleinstadt Ferguson (Missouri) angeklagt. Eine Grand Jury (Geschworenenjury) sehe keine hinreichenden Beweise für eine Straftat, gab Staatsanwalt Robert McCulloch am Montag in Clayton bekannt. Die seit Wochen vor sich hinschwelenden Proteste breiteten sich sofort zu einem Flächenbrand aus.

Gebäude stehen in Flammen, Polizist angeschossen

Die neuen Krawalle wegen des Falls Michael Brown in der US-Stadt Ferguson sind nach Einschätzung der Polizei noch schlimmer als direkt nach dem Tod des schwarzen Jugendlichen im August. Dutzende Gebäude stünden in Flammen, erklärte die Polizei im St. Louis County am Dienstag.

Ein Polizist wurde in einem Vorort von St. Louis in der Nähe von Ferguson angeschossen. Der Beamte wurde am Arm verletzt, es sei unklar, ob die Attacke im direkten Zusammenhang mit den Protesten steht.

Flugverkehr über Ferguson eingeschränkt

Angesichts der Unruhen nach der Jury-Entscheidung im Fall Michael Brown wird der Flugverkehr über der Kleinstadt Ferguson eingeschränkt. Das gab die US-Luftfahrtbehörde FAA am späten Montagabend (Ortszeit) bekannt.

Den Schritt begründete sie mit dem Ziel, „eine sichere Umgebung für die Aktivitäten der“ Polizei zu schaffen. Den Angaben zufolge wurden bereits zehn Flüge vom Airport Lambert-St. Louis umgeleitet. Nach Flughafenangaben sind nur ankommende Maschinen von der Maßnahme betroffen.

61 Festnahmen

Bei den Unruhen in der US-Stadt Ferguson nach der Entscheidung im Fall Michael Brown hat es 29 Festnahmen gegeben. Polizeiabsperrungen wurden überrannt, einige Demonstranten warfen den Angaben zufolge Steine und Flaschen und schlugen Scheiben von Streifenwagen ein. Die Polizei setzte Tränengas ein, um die Menge zu zerstreuen.

Die Jury: 25 Sitzungen, 60 Zeugen vernommen

Die drei schwarzen und neun weißen Geschworenen hätten sich in 25 Sitzungen mit dem Fall beschäftigt und 60 Zeugen vernommen. „Es ist keine Frage, dass Darren Wilson den Tod von Michael Brown verursacht hat, indem er ihn erschoss“, erläuterte McCulloch. „Aber die Pflicht der Grand Jury ist, die Fakten von Erfundenem zu trennen. Es existiert kein hinreichender Verdacht für irgendwelche Anklagepunkte.“

Unmittelbar nach der Verkündung der Entscheidung kam es in Ferguson bei Protestkundgebungen zu ersten Gewaltausbrüchen: Demonstranten warfen mit Flaschen und Ziegelsteinen auf Polizeifahrzeuge, wie die Sender CNN und MSNBC berichteten. CNN zeigte Bilder von Plünderungen. Außerdem seien mehrere Schaufensterscheiben von Läden zerschmettert worden. Nach CNN-Angaben setzte die Polizei Tränengas ein. MSNBC sprach dagegen von Rauchbomben. Im US-Fernsehen waren auch Bilder von vereinzelten Feuern zu sehen. Mehrere Schüsse seien zu hören gewesen, hieß es weiter.

Todesschüsse auf Michael Brown

Wilson hatte Brown am 9. August nach einer Auseinandersetzung erschossen. Der Tod des 18-Jährigen hatte in der 20.000-Einwohner- Stadt schwere Unruhen ausgelöst. Die Demonstranten forderten eine umfassende juristische Aufklärung. Der Polizist beruft sich auf Notwehr. Die Familie des Jugendlichen kritisierte die Entscheidung. „Wir sind zutiefst enttäuscht, dass sich der Killer unseres Kindes nicht den Konsequenzen seiner Taten stellen wird“, ließen seine Eltern über ihren Anwalt mitteilen. Gleichzeitig riefen sie Demonstranten gegen das Urteil auf, friedlich zu bleiben. „Auf Gewalt mit Gewalt zu antworten, ist keine angemessene Reaktion.“

Keine Entschuldigung für Gewalt

US-Präsident Obama wandte sich umgehend an die Presse, um das Urteil einer Geschworenenkammer zu verteidigen. „Wir sind eine Nation, die auf dem Rechtsstaatsprinzip gründet“, sagte er in Washington. „Wir müssen diese Entscheidung akzeptieren, die von der Jury zu treffen war.“ Zugleich rief Obama auf, nicht mit gewaltsamen Protesten zu reagieren. „Es gibt keine Entschuldigung für Gewalt“, sagte er. Die Polizei forderte er auf, friedliche Proteste mit Vorsicht und Zurückhaltung zu begleiten. Die Situation sei aber auch exemplarisch für gesellschaftliche Herausforderungen in den USA, sagte der Präsident. Es bestünden immer noch tiefes Misstrauen zwischen farbigen Menschen und der Polizei. „Es gibt immer noch Probleme und die schwarzen Gemeinden erfinden die nicht einfach nur.“

Nationalgarde mobilisiert

Die Polizei hatte sich auf neue Ausschreitungen in dem Vorort der Metropole St. Louis vorbereitet. Der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, hatte bereits vergangene Woche den Notstand ausgerufen und die Nationalgarde mobilisiert.

Für Wilson könnte der Fall weiterhin ein juristisches Nachspiel haben, denn die Bundesbehörden ermitteln weiter gegen den Beamten. Dabei geht es um die Frage, ob Wilson aus rassistischen Motiven geschossen und damit die Bürgerrechte des Teenagers verletzt hat. Auch könnte die Familie des Jugendlichen den Polizisten zivilrechtlich verklagen.

Landesweite Proteste

Aus Protest gegen die Straffreiheit im Fall Brown in Ferguson haben Demonstranten eine Autobahn in der Nähe von San Francisco blockiert. Dutzende von Menschen liefen zwischen den Autos auf der Fahrbahn bei Oakland und hielten die Hände und Transparente hoch, wie Fernsehbilder in der Nacht zum Dienstag zeigten. Polizisten versuchten, die Demonstranten abzudrängen und weitere von der Straße fernzuhalten.

Hintergrund ist die Entscheidung eines Geschworenengerichts in Missouri, keine Anklage gegen den weißen Polizisten zuzulassen, der im Sommer den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen Michael Brown in der Stadt Ferguson erschossen hatte. Die Bekanntgabe hatte Proteste im ganzen Land und Krawalle in Ferguson selbst ausgelöst. In Chicago, Los Angeles, New York, Seattle und anderen Städten demonstrierten die Menschen weitgehend friedlich.

Schwarze US-Sportstars: Entscheidung „beschämend“

Mit Unverständnis haben schwarze US-Sportstars auf die Jury-Entscheidung reagiert, einen weißen Polizisten nicht für seine Schüsse auf einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen in Ferguson (Missouri) anzuklagen. „Wow. Einfach Wow. Beschämend. Was muss noch passieren???“ twitterte die Weltranglisten-Erste im Frauentennis, Serena Williams. Und auch Basketball-Legende Earvin „Magic“ Johnson bekannte: „Ich bin sehr enttäuscht mit der Entscheidung im Fall Mike Brown in Ferguson.“ Mehr Nachdenklichkeit forderte Basketballstar LeBron James: „Was können wir als Gesellschaft besser machen, damit solche Dinge aufhören und nicht immer wieder passieren!!“

Der Fall Michael Brown: Wie geht es weiter?

Der Fall Brown erhitzt die Gemüter weit über die Grenzen der Stadt Ferguson hinaus, nun haben die Geschworenen in Missouri eine Entscheidung gefällt: Keine Anklage gegen den Beamten Darren Wilson, der am 9. August den 18-jährigen Michael Brown erschoss. Ein Aspekt des Falles scheint damit gelöst, doch wie geht es jetzt weiter?

Welche Ermittlungen laufen noch?

Das FBI und das Justizministerium in Washington gehen den tödlichen Schüssen auf Brown immer noch nach. Dabei geht es um mögliche Verletzungen der Bürgerrechte. Bevor ein derartiges Strafverfahren angestrengt werden kann, müssten den Ermittlern allerdings hieb- und stichfeste Beweise vorliegen.

Während die Grand Jury gleich mehrere Vorwürfe gegen Wilson prüfen konnte, haben die Anwälte des Justizministeriums nur eine Frage auf dem Radar: Kann belegt werden, dass Wilson Brown ganz bewusst seiner Bürgerrechte beraubt hat? Das ist eine ungemein hohe Bürde, vor allem mit Blick auf den großen Spielraum bei der Anwendung tödlicher Gewalt, die Polizisten in den USA gewährt wird.

Schon in der Vergangenheit hatten andere aufsehenerregende Fälle, etwa die Erschießung des unbewaffneten afrikanischen Einwanderers Amadou Diallo durch New Yorker Polizisten, nicht zu einem Strafverfahren nach US-Bundesrecht geführt.

Was ist mit dem Vorwurf des mangelnden Fingerspitzengefühls mit ethnischen Minderheiten beider Polizei?

Über die tödlichen Schüsse hinaus nimmt das Justizministerium in aller Gründlichkeit die Methoden der gesamten Polizeitruppe von Ferguson unter die Lupe. Die Untersuchung zielt auf das Vorgehen bei der Personenkontrolle, Durchsuchungen und Festnahmen und allgemein auf ein mögliches Muster der Diskriminierung durch die überwiegend weiße Beamtenschaft. Womöglich könnte dies einen gravierenden Wandel der Arbeitsweise der Polizei von Ferguson nötig machen.

Derart breit angelegte Untersuchungen fußen in der Regel auf Daten und Interviews mit Anwohnern. In den vergangenen fünf Jahren wurden auf Initiative des Justizministeriums gut 20 Polizeiwachen in den USA überprüft – mehr als doppelt so viele wie in den fünf Jahren davor.

Ganz abgesehen vom jüngsten Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen kann Browns Familie eine Klage wegen widerrechtlicher Tötung gegen Wilson erheben.

Wie lange dauern die Untersuchungen noch?

Das Justizministerium hat seinen Ermittlern keine Frist gesetzt. Doch hat der scheidende Ressortchef Eric Holder klargemacht, dass er die Untersuchung gerne vor seinem Abschied abgeschlossen sehen würde. Am Montagabend versprach Holder zudem, die Nachforschungen würden unabhängig von den örtlichen Ermittlungen geführt.

Wie gehen die Behörden mit den Protesten um?

In Erwartung von Protesten nach der Entscheidung der Geschworenen rief der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, den Notstand aus und mobilisierte die Nationalgarde.

Ein Team der Bundespolizei FBI arbeitet schon mit ranghohen Beamten in Ferguson zusammen. Auch Polizeitruppen in Nachbarorten wurden eingebunden, um Spannungen abzubauen und Vertrauen bei Anwohnern zu schaffen.

Gibt es langfristige Ansätze zur Lösung der unterschwelligen Probleme?

Vor kurzem berief Gouverneur Nixon ein aus 16 Mitgliedern bestehendes Gremium, das den Anwohnern bei der Bewältigung des Falls Brown helfen soll. Aufgabe der Kommission ist es, die zugrundeliegenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Menschen zu analysieren. Für September 2015 wird ein Report mit Empfehlungen des Komitees erwartet.