Die 18-jährige Muslima Aisha ging aus den Niederlanden ins Kriegsgebiet und heiratete einen Islamisten. Nach einem Hilferuf tarnte sich ihre katholische Mutter unter einem Schleier und spürte ihre Tochter schließlich auf.

Maastricht. Ihre Tochter war nicht wiederzuerkennen. Erst vor wenigen Monaten war die damals 18-Jährige zum Islam übergetreten – und hatte sich innerhalb kürzester Zeit radikalisiert. Das niederländische Mädchen aus einer katholischen Familie nannte sich fortan Aisha, verhüllte erst ihr blondes Haar und später den ganzen Körper. Schließlich fuhr sie heimlich nach Syrien – und verschwand. Monatelang hörte ihre Mutter Monique nichts von ihr, nur eines wusste sie: Aisha lebt im syrischen Rakka, der sogenannten Hauptstadt der Terrorgruppe Islamischer Staat.

In ihrer tiefen Verzweiflung wandte sich die Mutter an die Medien, versuchte über ein Fernsehinterview Kontakt zu Aisha aufzunehmen. Im Oktober fuhr sie zum ersten Mal in die Türkei. Doch sie kam nicht über die syrische Grenze. Dann erreichte sie ein Hilferuf Aishas – und sie fuhr noch einmal los, selbst tief verschleiert wie eine gläubige Muslima. Diesmal schaffte sie es. Wie genau, ist nicht bekannt. Doch sie nahm Aisha mit, und Mutter und Tochter erreichten sicher die Türkei. Dort wurden sie erst einmal festgehalten, denn Aisha besitzt keinen Pass mehr. Mittlerweile jedoch sind die beiden wieder zurück in ihrer Heimatstadt Maastricht, berichtet die BBC.

Aishas Geschichte vom Abgleiten in den Islamismus ist eine, wie es mittlerweile Hunderte gibt – in Frankreich, in Deutschland, in den Niederlanden. Von dort haben sich Dutzende junge Frauen auf den Weg nach Syrien gemacht, Teenager meist, und oft wissen die Familien nichts über ihr Schicksal.

Bei Aisha fing es ganz unverdächtig an: mit einer Bibel. Die brachte das Mädchen eines Tages mit nach Hause. Doch das Christentum war ihr offenbar nicht genug, sie suchte etwas anderes. Den ganzen Tag surfte sie sich durchs Internet, erzählte ihre Mutter Monique im Herbst in der der TV-Sendung „EenVandaag“. Aisha las den Koran und islamistische Websites. Irgendwann verließ sie ihr Zimmer kaum noch, brach den Kontakt zu ihren Freundinnen ab.

Den größten Schreck jedoch bekam die Mutter, als Aisha – ihr früherer Name ist der Öffentlichkeit nicht bekannt – sich zum ersten Mal voll verschleiert zeigte. „Da habe ich mich wirklich gefragt: Mädchen, was machst du nur?“, erzählte Monique.

TV-Sendung gab den Ausschlag

Der entscheidende Tag war der 26. Januar 2014. Aisha sah eine Fernsehsendung über den niederländischen Dschihadisten Omar Yilmaz, der in Syrien gegen das Assad-Regime kämpfte. Der junge Mann beeindruckte sie tief. „Sie sah ihn als eine Art Robin Hood“, erinnerte sich die Mutter. Über soziale Netzwerke nahm Aisha Kontakt mit Yilmaz auf. Und irgendwann entschied sie, zu ihm zu fahren.

Das erste Mal konnte die Mutter sie noch stoppen, nachdem ein Freund Aishas sie gewarnt hatte. Monique schaltete die Polizei ein. Die Sicherheitsbehörden setzten die junge Frau auf eine Liste potenzieller Terroristen, die Gemeinde zog ihren Pass ein. Doch Aisha gab nicht auf. Über einen Anwalt erreichte sie, dass sie innerhalb einer Woche einen Personalausweis bekam. Noch am selben Tag startete sie zur Reise nach Syrien.

Von dort erreichte die Mutter, die ihre Tochter bei einer Freundin wähnte, ein Anruf. Sie habe Yilmaz geheiratet, erzählte Aisha. Später schickte sie über ihren Anwalt noch eine Nachricht an Monique: Sie solle sich keine Sorgen machen. Dann brach der Kontakt ab. Monique wandte sich an die Behörden, an die Polizei, an das Außenministerium. Niemand konnte ihr helfen. Durch eigene Recherche bekam sie heraus, dass Aisha und Yilmaz sich schon wieder getrennt hatten. Und dass Aisha mit einem anderen Mann nach Rakka gegangen war. Was sie dort genau erlebte, ist unbekannt. Doch haben Frauen in Rakka kaum Rechte. Weder dürfen sie alleine auf die Straße noch sich irgendwo ohne Vollverschleierung zeigen.

Festnahme nach der Rückkehr – sicherheitshalber

Über die Frauen, die in den Dschihad reisen, kursieren schreckliche Geschichten. Viele von ihnen werden vermutlich sofort nach ihrer Ankunft zwangsverheiratet, dürfen das Haus nicht mehr verlassen, geschweige denn das Land.

„Es ist sehr ungewöhnlich, dass Monique ihre Tochter gefunden hat und sie mitnehmen konnte“, sagte ihr Anwalt der niederländischen Zeitung „AD“. Die ganze Geschichte kam durch die Medien ans Licht – die Behörden schweigen bislang. Und für Monique ist der Albtraum noch nicht vorbei. Zwar ist ihre Tochter wieder in den Niederlanden, doch wurde sie direkt nach ihrer Ankunft in den Niederlanden festgenommen. Schließlich weiß niemand, ob sie gefährlich ist.