Die Beziehung zum Auto und zur zwischenmenschlichen Liebesbeziehung sind sich sehr ähnlich, fanden Forscher heraus. Selbst an der Frontpartie erkennen wir ein Gesicht mit oft menschlichen Zügen.

Berlin. Viele Jahre gingen sie zusammen durch dick und dünn. Doch dann war die Zeit reif für die Trennung, es ging einfach nicht mehr. Sie weinte, als er abgeholt wurde. Fühlte sich einsam und verlassen. Das tragische Ende einer großen Liebe. Nur dass „er“ ein Auto war und vom Schrotthändler abgeholt wurde.

Für Christa Bös von der Freien Universität Berlin sind solche Geschichten nichts Besonderes mehr, die Soziologin beschäftigt sich schon länger mit dem Verhältnis des Menschen zu seinem Auto. Auch aktuell sucht sie wieder Teilnehmer für eine Studie, in der sie nach den Gefühlen zu drei Fahrzeugtypen fragt: Mini Cooper, Opel Astra und Porsche Cayenne.

Die Forscherin ist gespannt, was dabei herauskommt. Doch eines weiß sie schon jetzt: Es wird wieder sehr emotional. „Liebesbeziehungen zum Auto und zwischenmenschliche Liebesbeziehungen“, erklärt sie, „sind sich erstaunlich ähnlich.“ So zeigten beide dieselben drei Komponenten: Leidenschaft, Intimität – und nicht zuletzt den Wunsch, sich dauerhaft zu binden: bis dass der Tod euch scheidet. Nur dass eben im einen Fall der Sargträger und im anderen der Schrotthändler kommt.

Sportwagen sind der Renner

Für viele Menschen hören sich solche Parallelen eher schräg an, doch für Psychologen und Neurobiologen belegen sie nur die Plastizität des menschlichen Gehirns. So betont der Tübinger Hirnforscher Niels Birbaumer: „Der Mensch kann alles lieben.“ Denn im Gehirn gebe es keine Schaltkreise, in denen das Liebesobjekt unwiderruflich festgelegt ist.

An der Universität Ulm legte man einem Dutzend junger Männer Fotos von Sportwagen, Limousinen und Kleinwagen vor. Sie sollten angeben, wie attraktiv sie das gezeigte Vehikel fanden. „Zu unserer zugegebenermaßen nicht allzu großen Überraschung wurden Sportwagen deutlich attraktiver eingeschätzt als Kleinwagen“, sagt Studienleiter Henrik Walter.

Überraschender war da schon, dass sich bei den Probanden – die Aktivitäten ihres Gehirns wurden per Magnetresonanz dargestellt – eine sehr starke Aktivität im Nucleus accumbens zeigte. Es handelt sich dabei um eine Struktur im Vorderhirn, die als „Belohnungszentrum“ bezeichnet wird. Normalerweise zeigt sie ihre stärksten Aktivitäten beim Sex. Oder aber beim Konsum von Kokain.

Was natürlich nicht bedeutet, dass es beim Drogenkonsum und beim Betrachten eines Sportwagens keine Unterschiede gäbe. Aber das Verhältnis des Menschen zu seinem Auto kann schon sehr intensiv sein. Auch bei Frauen. Denn die haben keineswegs nur ein rational-pragmatisches Verhältnis zum Auto, wie es gern behauptet wird.

Endlich bist du allein mein

So hat Bös festgestellt, dass der weibliche Anteil unter den funktionalistischen und gelassenen Autofahrern keineswegs überdurchschnittlich ist. Für die Funktionalisten zählt, dass ihr Vehikel fährt und sicher ist, und die Gelassenen freuen sich vor allem am entspannten Dahingleiten auf vier Rädern. Für Bös steht fest: „Die Beziehung zum Auto ist bei Frauen nicht weniger emotional.“ Sie sei jedoch stärker als bei Männern mit Gefühlen der individuellen Autonomie verbunden. Viele Frauen erzählten Bös im Interview, wie toll das Gefühl war, als sie endlich das eigene Auto bekamen, nachdem sie vorher nur „geduldete Mitbenutzerinnen“ des Familienautos waren. Das eigene Auto als ein Schritt zur Gleichberechtigung.

Für Männer ist es hingegen vor allem ein Instrument, um den sozialen Status zu dokumentieren. Und das gilt besonders für Deutschland, wo das Auto traditionell als Ausdruck von Wohlstand und Luxus gesehen wird. Dabei spielt eine enorme Rolle, welche Marke man fährt. So sind Audi, BMW und Mercedes sogenannte Hoch-Status-Marken, mit denen ihr Halter demonstriert, dass er zu den Alphatieren gehört, die viel geschafft und viel zu sagen haben. Demgegenüber pflegen Volvo-Fahrer eher ein bodenständiges Image. „Wer dicker auftragen möchte, das Etikett nach außen tragen will, der kauft sich keinen Volvo“, erklärt Rüdiger Hossiep von der Ruhr-Universität Bochum. Der Psychologe untersucht mit seinem Team seit Jahren die Persönlichkeiten, die hinter den Fahrern bestimmter Automarken stehen.

Dabei hat man nicht nur ermittelt, wie erdverbunden die Volvo-Fahrer sind, sondern auch, dass sie sich besonders stark mit ihrer Marke identifizieren. Das sehe man auch daran, dass sie im deutschsprachigen Internetforum „Motor-Talk“ 50 Mal häufiger Mitteilungen posten als etwa die Fahrer von Hyundai, Daihatsu oder Skoda. Auf dem Identifikationsranking hinter Volvo folgen Audi und Saab. Porsche und VW liegen auf den Rängen sieben und neun.

Das Gesicht sagt, ob ein Auto aggressiv oder devot wirke

Es gibt aber noch ein weiteres emotionales Motiv, das unser Verhältnis zum Auto bestimmt: das Gesicht der Karosse. Forscher aus Österreich und den USA ermittelten, dass wir in der Frontpartie eines Autos oft menschliche Gesichtszüge erkennen und diese mit bestimmten Eigenschaften assoziieren. Von 40 Studienteilnehmern kamen 96 Prozent zu der gleichen Einschätzung, ob ein Auto aggressiv oder devot wirke, sagt Studienleiter Dennis Slice von der Florida State University.

Der Psychologe betont, dass es sich beim Gesichterlesen in der Autofront um ein „Erbe aus längst vergangenen Zeiten“ handle. Das bedeutet, dass wir beim Gang durchs Autohaus noch so sehr auf Technik, Tempo, Sicherheit, Status und dergleichen achten können – es ist immer auch der Urmensch in uns dabei.