Ein Ausflugsschiff läuft zu Swingerfahrten aus – das sorgt im Kommunalwahlkampf für Irritationen. Veranstalter Weiss wehrt sich gegen die Bezeichnung „Sex-Veranstaltung“.

Konstanz. Eine Schifffahrt auf dem Bodensee ist für gewöhnlich eine ganz gemütliche Sache, etwas für die ganze Familie. Ruhig gleiten die Schiffe der Weißen Flotte übers Wasser, die Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) schippern Touristen und Einheimische zu den Bregenzer Festspielen, zum Konstanzer Seenachtsfest, bieten Muttertagsfahrten oder Tanztees für die reifere Generation an. In diesem Juni jedoch dürfte es auf dem 1937 in Dienst gestellten Fahrgastschiff MS „Schwaben“ anders aussehen: Dann wird die „Schwaben“ zum „Tortureship“ (Folterschiff). Die Gäste an Bord tragen Lack und Leder und finden womöglich Freude daran, sich gegenseitig ein bisschen wehzutun. Der Veranstalter wirbt mit „kostenlosen Intimfrisuren“, von einer „hübschen Friseurmeisterin“ gestylt.

Neu ist das eigentlich nicht. „Wir fahren seit 17 Jahren mit dem Schiff“, sagt „Tortureship“-Veranstalter Thomas Sigmund. „Und jetzt tun alle so, als hätten sie noch nie was davon gehört.“ Ähnlich geht es einem zweiten Erotikschiff, das im August mit Swingern an Bord in den Bodensee sticht – ebenfalls nicht zum ersten Mal. „In den drei Jahren, in denen wir das gemacht haben, gab es keine einzige Beschwerde“, sagt Veranstalter Thomas Weiss. „Da hat sich nie einer dran gestört.“

Aber dieses Mal sieht es anders aus: Am Bodensee schlägt das Thema hohe Wellen. „Unanständig“ nannte eine CDU-Kommunalpolitikerin aus Friedrichshafen jüngst die Themenfahrten der Ausflugsschiffe. Und der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) lehnte die „Vermietung von Schiffen aus der BSB-Flotte für Sex-Veranstaltungen“ in einer Pressemitteilung ab. Die BSB ist eine Tochterfirma der Stadtwerke Konstanz, und manch einer vermutet die im Mai bevorstehende Kommunalwahlen als Auslöser für die Kritik.

Es gehe nicht um sexuelle Intoleranz oder Prüderie, betonte Burchardt. „Gegen reine Party-Veranstaltungen gleich welcher sexueller Gesinnung oder Orientierung habe ich weder jetzt noch künftig in irgendeiner Weise etwas einzuwenden.“ Stattdessen gehe es um die Frage, ob die BSB-Schiffe für kommerzielle Sex-Veranstaltungen verchartere und ob man dieses tatsächlich zum Geschäftsmodell eines der größten Touristikanbieter in Baden-Württemberg erklären wolle.

Swingerfahrten-Veranstalter Weiss wehrt sich gegen die Bezeichnung „Sex-Veranstaltung“. „Das ist es nicht“, sagt er. Allerdings habe die Veranstaltung einen „erotischen Charakter“. Das zeigt auch der Dresscode für den Abend. Für die Damen gilt: Minirock oder das kleine Schwarze, Dessous, Korsagen, Hotpants, High Heels. Für die Herren: Uniformen, Lack, Leder, Latex, Ketten, Schottenrock. „Alternativ – wenn die Figur es zulässt – schwarze Stoffhose und nackter Oberkörper mit Fliege.“

Mehr als 80 Prozent der Gäste würden zum Tanzen kommen – und „nicht, weil sie irgendwas in sexueller Hinsicht machen wollen“, sagt Weiss. „Wir haben drei Musikbereiche, vier DJs, eine Cocktailbar, ein Bordrestaurant.“ Wer mehr plane, ziehe sich in „Chill-out-Bereiche“ zurück. Dort werde es „genügend Liegeflächen geben, die definitiv nicht zum Schlafen gedacht sind…“, heißt es auf der Internetseite.

Auf dem „Tortureship“ gebe es zwar keine Liegeflächen, sagt Veranstalter Thomas Sigmund, dafür könnten die rund 700 Gäste einen „Spielbereich“ nutzen: „Man kann zum Beispiel Leute an ein Kreuz binden und ihnen den Popo verhauen.“ Eine interessante Neudefinition des Begriffs Kreuzfahrt. Dass es zu Sex komme, könne man nicht ausschließen, so Sigmund. „Aber: Zeigt mir mal einen Faschingsball, wo es nicht zum Sex kommt.“ Auch Sigmund will die Bezeichnung Sexveranstaltung für seine Erotikschifffahrt nicht gelten lassen. „Dann müsste man auch fragen: Ist der Christopher Street Day eine Sexveranstaltung. Da kommen die Leute auch in Tangas und knapp bekleidet.“

Oberbürgermeister Burchardt – der nach eigenen Angaben Schirmherr der Homosexuellen-Parade CSD ist – hat die Bodensee-Schiffsbetriebe nun um Prüfung der Verträge gebeten. Bei der BSB zeigt man sich überrascht. „Da hat sich noch nie jemand dran gestört“, sagt auch Geschäftsführerin Petra Pollini. Das Unternehmen werde nun Richtlinien erarbeiten, unter welchen Gesichtspunkten Charter zu vergeben seien. Sollten diese strenger sein als bisher, könne es durchaus sein, dass auch Stammkunden auf den Prüfstand gestellt würden – das beträfe dann möglicherweise auch das Swinger-Schiff.

In diesem Jahr würden beide Veranstaltungen aber stattfinden, sagt Pollini. „Wir haben Verträge und uns ist es wichtig, als verlässlicher Geschäftspartner gesehen zu werden.“ Für die Schiffscrews gelte selbst bei den freizügigsten Veranstaltungen: „Sie müssen sich an unsere Kleiderordnung halten“, sagt Pollini. „Und die lautet: Uniform.“ Aber auch Uniformen haben ja durchaus ihre Liebhaberinnen und Liebhaber ...