Skandal um „Lieblingsauto der Deutschen“ weitet sich aus. Der ADAC soll Zahlen schon seit Jahren manipuliert haben. Viele Mitglieder sind geschockt.

Hamburg. „Ich vermute mal, dass die Wahl zum Weltfußballer auch vom ADAC organisiert wurde.“ So hat auf Twitter ein Nutzer den Skandal beim Deutschen Automobilclub kommentiert. Am Montagnachmittag wurden pro Sekunde etwa drei Stellungnahmen zu diesem Thema in dem Netzwerk veröffentlicht. Auch auf der offiziellen Facebook-Seite der Münchner gingen pausenlos Meinungen von ADAC-Mitgliedern ein. Die meisten zeigten sich skeptisch und empört; viele verkündeten auch ihre Kündigung. „Der ADAC ist schon längst kein Automobilclub mehr, sondern ein mächtiger und mehr als fragwürdiger Konzern“, schrieb zum Beispiel Martin P. Schumann. Andere wiederum fanden eine solche Entscheidung voreilig und interessierten sich nicht für die Vorgänge in der Führungsetage, sondern für den Service des ADAC. So schreibt ein Christian L., dass es für ihn „keinen Unterschied“ mache, „ob der Wagen jetzt mit 5000 oder 500 Stimmen auf Platz eins“ der Beliebtheitsskala stehe.

Was ist bloß los bei Europas mächtigstem Autoclub und dem größten Verein in Deutschland mit etwa 19 Millionen Mitgliedern? ADAC-Kommunikationschef Michael Ramstetter, 60, hatte nach tagelangen Dementis zugegeben, die Stimmzahlen bei der Leserwahl zum „Lieblingsauto der Deutschen“ manipuliert zu haben. In diesem Jahr wurde der VW-Golf gekürt. Angeblich erhielt das Auto der Wolfsburger laut ADAC 34.299 Stimmen. Wie sich aber herausstellte, waren es in Wirklichkeit nur 3409 Stimmen.

Mittlerweile hat der Skandal größere Dimensionen erreicht als bislang angenommen. Ramstetter schönte nach eigener Aussage nicht nur 2014, sondern auch die Jahre zuvor bei der Umfrage zum Lieblingsauto der Deutschen die Zahlen, sagte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair am Montag in München und kündigte eine umfassende Aufklärung an. Der Automobilclub will zudem seine Strukturen reformieren und für mehr Transparenz sorgen. Weitere personelle Konsequenzen soll es zunächst nicht geben.

„Dieser Vorgang tut uns leid, er trifft den ADAC ins Mark, weil wir als eine der vertrauenswürdigsten und seriösesten Organisationen galten, dieser Ruf ist jetzt angeschlagen“, sagte Obermair. „Wir werden das lückenlos nach innen und nach außen aufarbeiten.“ Auch wolle man externe Prüfer dazuholen. Der ADAC-Chef bat die Mitglieder um Entschuldigung. „Wir sind jetzt in der Bringschuld, die Reputation wieder herzustellen.“ Dazu gehöre auch, dass man eine Studie zur Pkw-Maut erneut bei einem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegeben habe. Auch Ramstetter, von der Belegschaft intern „Rambo“ genannt, zeigte sich einsichtig: „Ich habe Scheiße gebaut und die Zahlen geschönt“, sagte er und räumte seinen Posten. „In zwei Stunden vom Kommunikationschef zum Crashtest-Dummy“ wurde der Ex-Chefredakteur der „Motorwelt“ bei Twitter verspottet.

Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hält den ADAC mit seiner Organisationsstruktur für gescheitert und fordert eine Aufteilung in einen Pannenservice und ein Wirtschaftsunternehmen. Der Experte warf dem Club Arroganz und Selbstherrlichkeit vor. „Man schottet sich ab. Offensichtlich ist das System ein Nährboden dafür, dass sich Dinge entwickeln, die sich in Unternehmen nicht entwickeln dürfen“, sagte der Professor für Automobilwirtschaft. Der Verein brauche „eine neue Struktur“. Er kritisierte mangelnde Kontrollen und forderte eine Untersuchung der Pannen- und Tunnelstatistik.

Der ADAC steckt in einer Vertrauenskrise. Das bestätigte ADAC-Mitglied Fridolin Streibert auf Facebook: „Der ADAC verspielt sein wichtigstes Gut: Unabhängigkeit. Vor diesem Hintergrund bekommen alle Tests, ob Pannenstatistik oder Kindersitztests, einen Beigeschmack.“ Für Clubmitglied Mandy Fiebiger dagegen sind die wahren „gelben Engel“ die, „die einem nachts auf der Autobahn die Karre wieder zum Laufen bekommen, die Menschen bergen und in Notsituationen helfen“.