Die eisigen Temperaturen haben die USA fest im Griff, selbst Florida droht nun Frost. Bis zum Wochenende scheint keine Besserung in Sicht.

Washington/New York. Die heftigste Kältewelle seit zwei Jahrzehnten überrollt weiter große Teile Nordamerikas. Der Luftverkehr geriet am Dienstag durcheinander, Schulen blieben geschlossen, Behörden riefen die Menschen angesichts drohender Erfrierungen dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Der Gouverneur von Illinois, Pat Quinn, rief für seien Bundesstaat den Notstand aus. Die gefühlten Temperaturen waren teilweise niedriger als als Südpol. Auch New York erwartete einen heftigen Temperatursturz. Sogar das wärmeverwöhnte Florida war betroffen. Mehr als 140 Millionen Amerikaner leiden seit Tagen unter gefühlten Temperaturen von bis zu 40 Grad minus.

Quinn sprach von einer „gefährlichen Kombination aus sehr niedrigen Temperaturen, Glatteis und Schneeverwehungen“. Er ordnete den Einsatz der Nationalgarde zur Befreiung im Schnee gestrandeter Autofahrer an. In Cook County, dem Zentrum der Metropolregion Chicago, wurden Auffangzentren eingerichtet, unter anderem für Menschen mit kaputter Heizung. Der Gouverneur von Minnesota, Mark Dayton, verfügte die Schließung sämtlicher Schulen in dem Bundesstaat. Meteorologen zufolge sollte die arktische Kälte Richtung Osten weiterziehen.

Die Behörden warnten die Bevölkerung davor, dass die extreme Kälte schon in wenigen Minuten Hautverletzungen verursachen könne. Die Stadt Milwaukee am Ufer des Michigan-Sees forderte die städtischen Bediensteten auf, zuhause zu bleiben, soweit ihre Anwesenheit nicht unerlässlich sei. Bei Tagesanbruch am Dienstag wurden in Milwaukee angesichts eisiger Winde gefühlte minus 37 Grad Celsius registriert. Polizisten patrouillierten nach angaben der Stadtverwaltung von Milwaukee durch die Straßen, um Obdachlose zu Unterkünften zu bringen. Es seien zusätzliche Betten aufgestellt worden.

Mehr als 4300 Flüge wurden in den USA am Montag gestrichen, die Hälfte davon in Chicago. Bei weiteren 6500 Flügen gab es nach Angaben der Website flightaware.com Verspätungen. Die massiven Flugausfälle und Verkehrsbehinderungen entwickelten sich zum Albtraum für viele US-Bürger, die nach dem Urlaub zum Jahreswechsel zurück nach Hause wollten.

Der Super-Frost erstreckte sich am Dienstag von Kanada und dem Norden der USA bis zum Mittleren Westen und bedrohte sogar südliche Gebiete wie Tennessee und Alabama. Die gefühlten Minusgrade in einigen Landesteilen lagen niedriger als am Südpol. So herrschten am Montag in Montana gefühlte minus 53 Grad, in North Dakota, South Dakota und Minnesota waren es kaum mehr. Am Südpol lag die gefühlte Temperatur dagegen „nur“ bei minus 34 Grad. In Atlanta, 1200 Kilometer südlich von Chicago, sollte es am Dienstag kälter werden als in Anchorage im US-Bundesstaat Alaska, wie der Fernsehsender CNN berichtete.

Binnen weniger als einer Woche starben mehr als ein Dutzend Menschen an den Folgen der arktischen Kälte, die sich nach Angaben von Meteorologen jetzt auf den Osten der USA ausweitet. Unter den Toten sind Medienberichten zufolge vier Männer in Chicago, die beim Schneeschaufeln offenbar einen Herzinfarkt erlitten. Ein mit Streuarbeiten befasster Arbeiter wurde im Gebiet von Philadelphia unter einer 30 Meter hohen Streusalzsäule begraben. Im Bundesstaat New York erfror eine 71-jährige Alzheimer-Kranke, die sich verlaufen hatte.

Ausbreitung: Die Millionenmetropole New York erwartete binnen 24 Stunden einen dramatischen Temperatursturz von milden zwölf Grad Celsius auf minus 14 Grad. Die Einwohner wurden gewarnt, dass der heftige Frost gepaart mit eisigen Windböen die sogenannte gefühlte Temperatur („Windchill-Faktor“) auf minus 31 Grad Celsius sinken lassen könnte. Der viele Schnee, gerade erst teilweise getaut, sollte laut Vorhersage zu einer dicken Eisdecke zusammenfrieren. Selbst der Sonnenstaat Florida blieb nicht verschont. Über den Norden des Staates hinaus drohte Nachtfrost.

Vorbereitung: New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio kündigte an, Streudienst und Transportbehörden seien auf eine Ausnahmesituation eingestellt. In den Neuengland-Staaten riefen die Behörden die Bevölkerung auf, sich auf beißende Kälte und eisige Windböen vorzubereiten.

Raumfahrt: Nach dem Luftverkehr traf die Kältewelle auch die Raumfahrt. Wie die Weltraumbehörde Nasa mitteilte, wurde der Start des privaten Raumfrachters „Cygnus“ zur Internationalen Raumstation ISS wegen der eisigen Temperaturen um mindestens einen Tag verschoben. Er soll jetzt frühestens am Mittwoch auf dem Weltraumbahnhof der Wallops Flight Facility im US-Staat Virginia abheben.

Tiere: In Chicago ist es so kalt, dass im Lincoln-Park-Zoo selbst Eisbärin Anana in ihrem Gehege nicht nach draußen darf. Im Gegensatz zu freilebenden Artgenossen habe das Tier für die derzeitigen Minusgrade nicht das geeignete Fettpolster, sagte Zoosprecherin Sharon Dewar dem Nachrichtensender CNN. „In der Wildnis fressen Eisbären Seehunde und eignen sich so eine Fettschicht an.“ Im Zoo würden Eisbären aber nicht mit Seehundfleisch gefüttert. Auch andere Tiere blieben unter Verschluss.

Aussichten: Meteorologen gehen davon aus, dass die Kältewelle mindestens bis Mitte der Woche andauern wird – eher bis zum Wochenende.

Rekorde: Der Deutsche Wetterdienst meldete für einige US-Orte in der Nacht zu Dienstag Tiefsttemperaturen: Minnesota minus 34,4 Grad, Montana minus 32,2 Grad, Minneapolis minus 30,6 Grad. Auch die Temperaturen in Chicago fielen auf einen Rekordwert von minus 27 Grad Celsius, wie der US-Fernsehsender CNN meldete. New York werde wahrscheinlich von einem Minusrekord verschont, sagte Pat Maloit vom US-Wetterdienst der „New York Times“.