Die Managerin des verunglückten ehemaligen Formel-1-Weltmeisters Michael Schumacher ist eine der gefragtesten Personen der 200 Reporter, die aus Grenoble berichten. Doch seriöse Prognosen über Schumachers Heilungschancen gibt es noch nicht. Fans reisen von weither an, um ihrem Idol nahe zu sein.

Die Frau mit dem Gipsarm schimpft sofort, nachdem sie durch die Glastür des Unikrankenhauses in die kalte Winterluft von Grenoble getreten ist. „Was wollt ihr hier? Fotos? Ihr kriegt keine Fotos. Verschwindet!“, schreit sie mit immer lauter werdender Stimme. Schließlich muss der Sicherheitsmann, der eigentlich die Patienten vor der auf die neuesten Entwicklungen im Überlebenskampf von Michael Schumacher wartenden Pressemeute beschützen soll, die Reporter von der Frau abschirmen und sie mit Nachdruck in Richtung Parkplatz geleiten.

Wer will es der Dame übel nehmen? Seitdem der siebenmalige Formel-1-Weltmeister am Sonntagabend nach seinem schweren Skiunfall eingeliefert wurde, befindet sich die Klinik im Ausnahmezustand. Der Vorplatz ist bevölkert mit rund 200 Reportern aus aller Welt, auf den Krankenhausfluren hasten Fotografen und Kameraleute an geschwächten Patienten vorbei. Am Montag soll ein Journalist versucht haben, in Schumachers Zimmer zu gelangen, indem er sich als Priester ausgab. Nachdem seine taktlose Tarnung aufgeflogen war, wurde er aus dem Krankenhaus geworfen.

Die Klinikleitung versucht zwar, den normalen Krankenhausbetrieb so gut wie möglich aufrechtzuerhalten. Trotzdem blieb am Silvesterabend ein Rettungswagen auf dem Weg in die Notaufnahme zwischenzeitlich in dem Pulk von Ü-Wagen stecken, die in der engen Avenue Maquis du Gresivaudan geparkt waren. Um die Situation im Sinne der Patienten und ihrer Angehörigen zu entschärfen, wurde am Mittwochnachmittag ein alternativer Sammelplatz für die Reporter eingerichtet. Fortan wird auf einem weiter entfernten Parkplatz gewartet.

Der Mann, der diesen Ausnahmezustand mit seinem Unfall im Skigebiet von Meribel ausgelöst hat, bekommt davon natürlich nichts mit. Auch am dritten Tag nach dem Sturz auf einen Felsbrocken liegt Michael Schumacher im künstlichen Koma. Seine Körpertemperatur wird bei 34 Grad gehalten, um sein schwer verletztes Gehirn vor unnötigen Fremdreizen zu bewahren. „Sein Zustand ist stabil, aber weiter kritisch“, sagte seine Managerin Sabine Kehm am Mittwochnachmittag. Sie war es, die die Öffentlichkeit zum ersten Mal über die gesundheitliche Entwicklung Schumachers informierte, und nicht die behandelnden Ärzte. Das wurde vielerorts als Zeichen für eine vorsichtige Entspannung der medizinischen Situation Schumachers gewertet.

Situation für Familie besonders quälend

Das Team von sechs bis sieben Medizinern ist nach zwei Pressekonferenzen in einem heillos überfüllten Raum vorerst von öffentlichen Auftritten erlöst. Die Ärzte, die auf ihrem Gebiet zu den renommiertesten Experten Frankreichs zählen, hatten sich vor den mehr als 30 TV-Kameras sichtlich unwohl gefühlt. Ihr Spezialgebiet ist die Behandlung von Kopfverletzungen und nicht der Dialog mit neugierigen Reportern. Den übernahm am Mittwoch Sabine Kehm. „Michaels Zustand ist seit der zweiten Operation stabil“, sagte sie mit Blick auf den Eingriff am Montagabend, bei dem ihm der größte Bluterguss aus dem Hirn entfernt werden konnte. „Für den Moment ist das eine gute Nachricht.“ Ob Schumacher, der am Freitag 45 wird, noch immer in Lebensgefahr schwebe, wollte sie nicht kommentieren. Bis die behandelnden Ärzte offiziell Entwarnung geben, wird der Status quo lauten: „Stabil, aber kritisch.“

Wie lange dieser Zustand anhalten wird, vermag niemand zu sagen. Auch eine Antwort auf die Frage, ob und wie gesund der 44-Jährige wieder werden wird, traut sich derzeit niemand zu.

Das macht die Situation für Schumachers Familie besonders quälend. Ehefrau Corinna, Vater Rolf, Bruder Ralf, die beiden Kinder Mick und Gina-Maria sind stets in seiner Nähe. Schumacher wird im fünften Stockwerk des schmucklosen Betonkastens behandelt; hier halten sich auch seine Angehörigen auf. „Michael ist nie allein“, bestätigte Kehm. „Es ist immer jemand bei ihm.“ Ein Sicherheitsteam achtet darauf, dass keine Unbefugten Zutritt zu dem Bereich bekommen.

Zu den Befugten, die ins Zimmer vorgelassen werden, gehört zum Beispiel Jean Todt. Der Präsident des Automobil-Weltverbandes Fia war zu Schumachers Ferrari-Zeiten (1996–2006) jahrelang sein Teamchef und gilt seitdem als enger Freund der gesamten Schumacher-Familie. In diesen schweren Tagen versucht er vor allem Ehefrau und Kindern Halt zu geben. Nach einem dreistündigen Besuch am Silvestertag kam Todt auch am Neujahrsmorgen ins Krankenhaus.

Enge Verbindung zwischen Schumacher und Scuderia

Überhaupt wird in Grenoble deutlich, wie eng die Verbindung zwischen der Scuderia und Schumacher noch immer ist. Das zeigen weniger die italienischen TV-Teams, die besonders zahlreich auf Informationen warten, sondern vielmehr die roten Ferrari-Flaggen, die auf dem Vorplatz wehen. Fan Roberto etwa nutzte die Silvesternacht, um die gut 400 Kilometer von seiner Heimat Maranello (Stadt des Ferrari-Werks, d. Red.) in die 155.000-Einwohner-Stadt zu fahren. Endlich angekommen, überreichte er Kehm ein selbst gebasteltes Buch mit Fotos und einem Brief an Schumacher. Auch Ferrari-Testfahrer Luca Badoer besuchte Schumacher am Dienstag kurz, Teamchef Stefano Domenicali lässt sich telefonisch auf dem Laufenden halten.

In dem Skigebiet ist derweil fast nichts mehr von dem tragischen Zwischenfall zu spüren. Von einem wolkenlosen Himmel strahlt die Sonne auf die hervorragend präparierten Pisten, Hotelzimmer sind in der Nobel-Region in den nächsten Wochen kaum zu bekommen. Die Schönen und Reichen verbringen hier häufig den Jahreswechsel, auch Schumacher hat in den vergangenen Jahren gern seinen Geburtstag (3. Januar) hier gefeiert. Nicht einmal die Felsgruppe, die ihm zum Verhängnis wurde, strahlt irgendeine Form der Bedrohung aus. „Es war großes, großes Pech“, sagt Kehm mit Blick auf Schumachers Sonntagsausflug mit seinem Sohn und einigen Freunden.

Womöglich rettete ihre Gesellschaft Schumacher das Leben, da sie sofort die Sanitäter alarmieren konnten. Fünf Minuten nach dem Unfall waren die Einsatzkräfte vor Ort, der Transfer mit dem Rettungshubschrauber funktionierte quasi ohne Zeitverlust. Obwohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch laufen, deutet alles darauf hin, dass den Rettungskräften kein Vorwurf zu machen ist. Im Gegenteil.

Nachdem er einem gestürzten Gefährten aufgeholfen hatte, übersah Schumacher einen Stein, verlor die Kontrolle und fiel kopfüber auf einen Felsbrocken, der weniger als zehn Meter neben der vorgesehenen Piste aus dem Schnee ragt. Besonders schnell soll er dabei nicht gewesen sein. Vielmehr sorgte ein unglücklicher Aufprallwinkel für das Brechen des Schutzhelmes und die schweren Verletzungen am Kopf. Dennoch sagen die Mediziner übereinstimmend: „Ohne Kopfschutz hätte er wahrscheinlich nicht überlebt.“

Es passt zum Kontroll- und Disziplinfanatiker Schumacher, dass er selbst bei einer vermeintlich harmlosen Ausfahrt einen Helm trug. Schon als Autorennfahrer kämpfte er stets für sicherere Strecken und breitere Auslaufzonen. Dass ihm nun bei geringem Tempo der schwerste Unfall passierte, wirkt nach all den Formel-1- und Motorradrennen wie ein eine Groteske.