Weltweit Spott für Selbstporträt von David Cameron, Helle Thorning-Schmidt und Barack Obama auf Trauerfeier für Mandela. Mittlerweile ist in Anlehnung an den „Watergate“-Skandal schon von einem „Selfiegate“ die Rede.

Johannesburg. Es könnte das Foto des Jahres werden. Während der vierstündigen Trauerfeier für Nelson Mandela in Soweto haben sich ausgerechnet drei Politiker köstlich amüsiert. US-Präsident Barack Obama, 52, Dänemarks Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, 46, und der britische Premier David Cameron, 47, fotografieren sich mit einem Smartphone.

Das Foto, ein sogenanntes Selfie (Selbstporträt), macht derzeit weltweit die Runde. Präsidentengattin Michelle Obama, die mit einigem Abstand neben dem Trio sitzt, lacht als Einzige in der Reihe nicht. Mittlerweile ist in Anlehnung an den „Watergate“-Skandal schon von einem „Selfiegate“ die Rede.

In Großbritannien landete das Foto auf den Titelseiten aller großen Zeitungen. Auf der Internetseite des „Guardian“ wird gelästert, was das Zeug hält: „Ach, Dänemark! Immer bereit, den Amerikanern zu gefallen. Sie haben zu viel ,Borgen‘ gesehen“, schreibt ein Nutzer. „Das war gar kein Selfie. Sie hat ihnen nur ihr Lieblings-Katzenvideo auf YouTube gezeigt“, kommentiert ein anderer. Die „Daily Mail“ meinte ironisch: „Genau der richtige Zeitpunkt für ein Selfie.“ Der „Daily Mirror“ kommentierte kurz und knapp: „Idiotisch.“

In Dänemark übt man sich im Fremdschämen. Der oberste Benimm-Coach des Landes, Inge Correll, sagt: „Du lieber Himmel! Sie ist dort als Dänemarks Ministerpräsidentin und nicht als Privatperson. Das ist vollkommen unpassend, auch wenn bei dieser Gedenkfeier andere Normen galten.“

Auch in den USA löste das Foto eine Debatte aus. So fragte die „Washington Post“, ob sich der Präsident „wie ein gelangweiltes Kind auf einer Schulversammlung“ benehmen dürfe. Etwa 700 Leser kommentierten bis Mittwochnachmittag das Ereignis. Das „Time Magazin“ beginnt seinen Online-Artikel mit dem Satz: „Treffen Sie Ihren Präsidenten, den jüngsten Einwohner der Selfie-Nation.“

Und die Diskussion im Internet geht weiter: War ein solcher Schnappschuss dem traurigen Anlass angemessen? Dürfen sich Staatspräsidenten bei einer Trauerfeier selbst fotografieren? Auf Twitter häufen sich Kommentare wie „Ich bin überrascht, dass sie nicht warteten, bis sie vor dem Sarg standen“, „Wie ein Betriebsausflug der Spitzenpolitiker aus aller Welt“ oder: „Nachdem ich das gesehen habe, bitte ladet Michelle zu meiner Beerdigung ein, aber nicht Barack.“ Ines Pohl, „taz“-Chefredakteurin, bleibt in ihrer Einschätzung etwas neutraler, sie twittert: „Trauern in Zeiten des Selfies“.

Unklar ist noch, wem das „Tathandy“ gehört. Vermutlich der dänischen Ministerpräsidentin. „Gucci-Helle“, wie sie wegen ihres Hangs zu teurer Markenkleidung in ihrer Heimat genannt wird, ist auch auf anderen Bildern mit einem iPhone zu sehen. Ein solches darf Obama nicht benutzen – aus Sicherheitsgründen.

Spekuliert wird übrigens auch, dass Michelle Obama wenig amused war, weil sie grundsätzlich genervt war, dass sich ihr Gatte vielleicht etwas zu gut mit seiner blonden Sitznachbarin verstand. Wie auf weiteren Fotos zu sehen ist, hat sie sich nach dem „Selfie“ offenbar zwischen Barack und Thorning-Schmidt gesetzt. Der britische „Mirror“ zitiert dazu den Tweet: „This is too funny. Michelle Obama steps in!“ („Das ist zu lustig. Michelle Obama greift ein“).

Die Trauerfeier wurde am Montag im Soccer-City-Stadion in Johannesburg gefeiert: Tausende verabschiedeten sich von dem südafrikanischen Freiheitskämpfer Mandela, der mit 95 Jahren gestorben war. Es war keine typische, keine traurige, sondern eine unkonventionelle Veranstaltung. Es wurde gesungen, getanzt, mit Vuvuzelas getrötet wie bei der Fußball-WM. Tausende Menschen, fast 100 amtierende und ehemalige Staatspräsidenten kamen, um Mandelas Leistungen zu würdigen. So gibt es auch Bilder von anderen prominenten Gästen, die sich amüsieren, zum Beispiel von U2-Sänger Bono und Schauspielerin Charlize Theron.

Für Aufregung und Empörung hat auf der Trauerfeier auch ein Gebärdendolmetscher gesorgt, der bei der Rede von Obama hinter dem US-Präsidenten stand. Es war ein Hochstapler. Der Mann habe zwar seine Hände bewegt, „aber die Bewegungen seiner Hände hatten keine Bedeutung“, sagte Bruno Druchen nach Angaben des südafrikanischen Gehörlosenverbands am Mittwoch. Die Regierung kündigte eine Stellungnahme an.

Zudem ist, wie jetzt bekannt wurde, während der Zeremonien in das Haus von Erzbischof und Freidensnobelpreisträger Desmond Tutu, 82, in Kapstadt eingebrochen worden.

Unterdessen wird Mandelas Leichnam drei Tage vor dem Regierungsgebäude in Pretoria aufgebahrt. Sein Körper ist mit einem weißen Laken bedeckt, nur sein vom Alter gezeichnetes Gesicht, das weiße Haar und die Schultern sind zu sehen. Und ein Stück von einem seiner geliebten Batikhemden in Braun und Gelb. Der Sarg steht fast genau an der Stelle, an der er 1994 den Eid als südafrikanischer Präsident ablegte. Daneben weiße Lilien, Orchideen und eine seltene Aloe vom Ost-Kap.