Bei einem Schiffbruch vor der italienischen Insel Lampedusa sollen mindestens 133 Bootsflüchtlinge ums Leben gekommen sein. An Bord sollen rund 500 Flüchtlinge vor allem aus Somalia gewesen sein.

Rom. Im Hafen vom Lampedusa reihen sich grüne, blaue und schwarze Leichensäcke aneinander. Helfer bringen immer neue Opfer, wenige Meter entfernt werden entkräftete Überlebende an Land geführt. „Es ist ein Horror“, sagt Lampedusas Bürgermeisterin Giusi Nicolini unter Tränen. „Sie bringen immer weitere Leichen.“

Auf der sizilianischen Insel herrschen Fassungslosigkeit und Trauer. Mehr als 130 Menschen sind bei einer der schlimmsten Flüchtlingstragödien in den vergangenen Jahren vor Lampedusas Küste ums Leben gekommen, als ihr Schiff Feuer fing und kenterte.

„In vielen Jahren der Arbeit hier habe ich noch nie etwas Vergleichbares gesehen“, sagt der Arzt Pietro Bartolo der Nachrichtenagentur Ansa. Er will helfen, kann jedoch für die Opfer nichts mehr tun. „Unglücklicherweise brauchen wir keine Krankenwagen mehr, sondern Särge.“

Dutzende Tote, darunter auch Kinder, und Hunderte Vermisste – das ist die Bilanz der Katastrophe, die am Donnerstag Italien erschütterte. Es ist das zweite Drama innerhalb weniger Tage; bereits am Montag waren 13 Flüchtlinge vor der Küste Siziliens ertrunken, als sie versuchten, zum Ufer zu schwimmen.

Auch bei der jüngsten Tragödie spielen sich dramatische Szenen ab: Das Boot ist mit mehr als 500 Menschen völlig überfüllt. Kurz vor der Küste hat es einen Defekt und kann nicht weiterfahren. Um auf sich aufmerksam zu machen, entzünden die Flüchtlinge eine Decke. Doch das Feuer gerät außer Kontrolle. Auf dem Boot bricht Panik aus, es kentert. Hunderte Menschen stürzen ins Meer, viele der Migranten aus Eritrea und Somalia ertrinken. „Sie konnten nicht schwimmen, sie wussten nicht wohin“, sagt Italiens Außenministerin Emma Bonino.

Vor allem der Bürgerkrieg in Syrien und Unruhen nach dem Arabischen Frühling treiben viele Menschen aus ihren Heimatländern nach Europa. Tausende Menschen versuchen jedes Jahr, der Armut und der Gewalt zu entfliehen, und riskieren ihr Leben für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Europa. Meist sind ihre Boote kaum seetüchtig und völlig überfüllt; immer wieder kommt es zu tödlichen Katastrophen. In den vergangenen 25 Jahren starben mehr als 19.000 Flüchtlinge bei der Überfahrt.

Italien ist schockiert und sucht nach Antworten. „Beten wir für die Opfer des tragischen Schiffbruchs vor Lampedusa“, schrieb Papst Franziskus auf Twitter. Das erneute Flüchtlingsdrama sei eine „Schande“. Der Papst hatte die Insel im Juli selbst besucht und eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ angeprangert. Viele Italiener forderten Staatstrauer, Regierungschef Letta bezeichnete das Unglück als „ungeheure Katastrophe“.

Einmal mehr fühlt sich das Land mit den Flüchtlingen an seinen Küsten alleingelassen und dringt auf Hilfe aus der EU. „Wir stehen jetzt vor Massakern an Unschuldigen, weshalb man sich nicht mehr um die absolute Notwendigkeit von Entscheidungen und Aktionen der internationalen Gemeinschaft und vor allem der EU herumdrücken kann“, sagte Staatspräsident Giorgio Napolitano. Innenminister Angelino Alfano, der selbst nach Lampedusa reiste, sagte: „Wir hoffen, dass die EU Notiz davon nimmt, dass es nicht nur ein italienisches, sondern ein europäisches Drama ist.“