Elio Vincenzi verlor auf dem Unglücksschiff „Costa Concordia“ seine Frau. Weil ihre Leiche nicht gefunden wurde, tauchte der Witwer schon zweimal auf den Meeresgrund. Jetzt hofft er auf die Bergung.

Giglio. An diesem Montag soll das Wrack der havarierten „Costa Concordia“ vor der Mittelmeerinsel Giglio aufgerichtet werden. Das entschieden die italienischen Behörden am Sonntagnachmittag. Dank günstiger Wetterbedingungen könnten die Arbeiten gegen sechs Uhr früh beginnen. Die Bergung des Kreuzfahrtschiffes ist eine der größten Aktionen dieser Art und mit 600 Millionen Euro Kosten eine der aufwendigsten. Es kann bis zu zwölf Stunden dauern, bis das mehr als 114.000 Tonnen schwere Schiff aufgerichtet ist. Es war am 13. Januar 2012 vor der toskanischen Küste gekentert. Dabei starben 32 Menschen, unter ihnen zwölf Deutsche.

Zwei Leichen wurden nicht gefunden, darunter die von Maria Grazia Trecarichi. Ihr Mann Elio Vincenzi, 65, Mathematiklehrer aus dem sizilianischen Ort Priolo Gargallo, bewegte die Weltöffentlichkeit: Der Witwer tauchte zur Unglücksstelle und brachte auf dem Felsen eine Gedenktafel an und legte Blumen ab. Jetzt hat er Hoffnung, seine Maria wiederzufinden.

Herr Vincenzi, was bedeutet die Bergung der „Costa Concordia“ für Sie?

Elio Vincenzi: Das ist für mich ein ganz wichtiges Ereignis. Ich habe Hoffnung, dass die Leiche meiner Frau gefunden wird. Ich werde am Dienstag und Mittwoch nach Giglio reisen und vom Ufer aus alles verfolgen. Was mich ganz besonders bewegt: Meine 17-jährige Tochter Stefania wird mich begleiten. Es ist das erste Mal, dass sie auf die Insel kommt. Zuvor hatte sie immer abgelehnt, allzu frisch waren noch die Erinnerungen.

Sofern die Leiche Ihrer Frau gefunden wird: Werden Sie wieder hinabtauchen?

Vincenzi: Nach der Bergung ist das aus Gründen der Sicherheit nicht möglich. Ich werde aber auf jeden Fall nach Giglio zurückkehren und ins Wasser steigen. Ich werde beten und Gott danken, dass ich meine Frau in ihrer Heimatgemeinde begraben kann. Ich werde ihm danken, dass sie wieder bei mir ist.

Ihre Tochter ist in Italien eine Berühmtheit. Sie nimmt am Schönheitswettbewerb Miss Italia teil.

Vincenzi: Das erfüllt mich mit großem Stolz und Zufriedenheit. Es ist eine große Chance für meine Tochter. Der Tod ihrer Mutter hat sie schwer mitgenommen. In den ersten zwei Monaten nach dem Unglück kam sie nicht nach Hause. Danach schloss sie sich in ihr Zimmer ein, mit ihren Freundinnen sprach sie nur über das Internet. Jetzt geht es ihr besser. Sie ist wieder das strahlende Mädchen von früher.

Wie würden Sie damit umgehen, wenn die Leiche nicht gefunden wird?

Vincenzi: Das wäre ein schwerer Schlag, besonders für meine Tochter. Ich wäre sehr enttäuscht, aber ich würde damit umzugehen wissen. Ich bin jetzt 65 Jahre alt und gehe als reifer Mann anders an das Leben heran als ein junger Mensch. Wissen Sie: Wir kennen Schicksalsschläge in der Familie. Meine Frau hatte kein einfaches Leben. Sie hatte zweimal einen Tumor. Sie hatte wenig Glück. Und doch war sie ein aktiver Mensch, der alles auskosten wollte. Wir werden das Schicksal annehmen.

Ab dem 23. September geht der Prozess gegen Kapitän Francesco Schettino weiter. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Wäre seine Verurteilung wichtig für Sie?

Vincenzi: Nein, der Prozess ist für mich weniger wichtig. Ich verfolge ihn schon. Ich möchte verstehen, was passiert ist. Ich will Gerechtigkeit. Aber ich bin kein rachsüchtiger Mensch. Ich habe gelesen, dass Schettino verheiratet ist und eine Tochter hat, die so alt ist wie meine eigene. Für die Familie Schettinos muss die Havarie ein Schicksalsschlag sein. Ich hege keine Hassgefühle. Außerdem habe ich meine eigenen Recherchen unternommen. Und ich bin der Ansicht, dass er nicht der einzige Verantwortliche ist.

Wie werden Sie es in der Zukunft halten: Werden Sie jedes Jahr nach Giglio kommen und hinabtauchen?

Vincenzi: Ja. Ich war schon fünfmal auf der Insel, Dienstag wird mein sechstes Mal sein. Die Bevölkerung hat mich großartig aufgenommen. Der Bürgermeister und sein Vize sind wie Brüder für mich. Ich werde auch in Zukunft hinabtauchen und dort, wo das Gedenkschild ist, einen Blumenstrauß für meine Frau ablegen. Weiße Rosen. Das waren ihre Lieblingsblumen.

Sie sind Mathematiklehrer. Was sagen Ihre Schüler zum Schicksal Ihrer Frau?

Vincenzi: Eigentlich hätte ich bereits im vergangenen Jahr in Rente gehen sollen. Doch meine Schüler beknieten mich weiterzumachen, damit Sie mir nach dem Unglück beistehen können. So hängte ich zwei Jahre dran, erst 2014 gehe ich in Pension. Das sind großartige Jungs und Mädels.

Am 2. Oktober entscheidet sich, wer ins Finale der Miss-Italia-Wahl einzieht. Was machen Sie?

Vincenzi: Daumen drücken. Und wenn meine Tochter sich durchsetzt, dann feiern wir!