Sie ist die jüngste Weltumseglerin, die es allein geschafft hat. Gerichte wollten ihr den Törn verbieten – aber sie verwirklichte ihren Traum. Das Abendblatt traf sie in Hamburg.

Kalte Getränke und richtig gutes, frisches Essen – das hat sie unterwegs schon vermisst. „Ich hatte keinen Kühlschrank an Bord“, sagt Laura Dekker. Aber die Guppy-Kette, die ihr ein Segler-Ehepaar unterwegs schenkte, trägt sie heute noch. Unterwegs, das hieß: ein Jahr rund um die Welt allein auf einem Segelboot.

Am 20. Januar 2011 war die 15-jährige Laura Dekker auf der Antillen-Insel Sint Maarten zu ihrer Solo-Tour gestartet. Ein Jahr und einen Tag und 27.000 Seemeilen (50.000 Kilometer) später traf sie als 16-Jährige dort wieder ein. Jetzt hat sie ein Buch über ihre Reise geschrieben. Über die unterhalten wir uns im Tower des Hotels Hafen Hamburg, mit einem wunderbaren Hafenblick. Das passt.

Am Anfang hatte es nichts als Hindernisse gegeben. Eigentlich hatte Laura schon als 13-Jährige am 1.September 2009 in See stechen wollen. Wenige Monate zuvor war sie allein von der niederländischen Küste über die Nordsee ins englische Lowestoft und zurück gesegelt. „Ich habe immer auf Booten gelebt, nur einmal kurz in einem Haus“, sagt Laura. „Mich auf dem Wasser zu bewegen ist für mich normal.“

Aber niederländische Gerichte verboten dem Mädchen die große Tour. Sie beschränkten das Sorgerecht der geschiedenen Eltern – die Mutter Barbara ist Deutsche, Vater Dick Niederländer. Mit ihrem Vater verfolgte Laura den Plan der Weltumseglung allerdings eisern weiter. Sie kauften die 12,3 Meter lange und 3,76 Meter breite Ketsch „Guppy“ und rüsteten sie aus. Ende Juli 2010 beendete ein Familiengericht die Vormundschaft über Laura, am 4. August setzten Laura und Dick Segel Richtung Portugal und Gibraltar. Nach einer Besichtigung des Affenfelsens verließ Vater Dekker seine Tochter. Für Laura begann das Solo-Abenteuer.

„Selbst mit so großem Abstand verstehe ich die ganze Aufregung bis heute nicht“, sagt Laura und schaut auf die „Rickmer Rickmers“ im Hamburger Hafen. „In meiner Familie sind Segeln und Selbstständigkeit Alltag. Meine Mutter und mein Vater haben ihre Elternhäuser auch früh verlassen.“

Und so dauerte es eine Weile, bis Laura ihren Segeltörn genießen und sich von den Widrigkeiten in der Heimat freimachen konnte. Dort wurde sie zu oft angesprochen, erkannt oder von den Medien kontaktiert. Sie sei „verschwunden“, behauptete eine Zeitung nach ihrem Start, aber untergetaucht war sie nicht. Laura hatte auf dem Boot ein leistungsstarkes Funkgerät und ein Satellitentelefon, außerdem schrieb sie einen Blog für ihre Internetseite und war während ihrer Hafen-Aufenthalte regelmäßig online.

Sie hat Stürme abgewettert, die Unendlichkeit des Meeres genossen. Sie hat Sonnenuntergänge bewundert und sich vor Fliegenden Fischen geekelt, die stinkend an Deck landeten. „Mit der Natur und dem Schiff eins sein, das war am schönsten“, sagt Laura Dekker. Sieben Monate war sie auf See, insgesamt fünf Monate ihrer Reisezeit verbrachte sie an Land – „ich wollte etwas von der Welt sehen und deshalb nicht nonstop segeln.“ Von den Kanarischen Inseln in die Karibik, durch den Panamakanal, zu den Galapagos-Inseln, nach Bora Bora, Tonga und Vanuatu, schließlich Australien und Südafrika. „Ich habe Ecken gesehen, wohin ich vielleicht nie wieder komme. Außerdem habe ich viel über andere Kulturen gelernt.“ Im August 2011 wechselte sie bei der Ankunft im australischen Darwin von der holländischen Flagge auf die Farben Neuseelands: „Ich wollte nicht mehr als Botschafterin der Niederlande unterwegs sein.“

Damit sie ihrer Schulpflicht nachkam, hatten ihr die Behörden Hausaufgaben vorgeschrieben, die sie an Bord auch gewissenhaft erledigte. „Aber das Leben auf meiner Reise war eigentlich die beste Schule“, meint sie. Eine Abschlussprüfung und damit einen Schulabschluss hat sie bisher nicht gemacht.

„Zuerst habe ich meine Familie vermisst und auch eine heiße Dusche“, sagt sie rückblickend. „Aber dann entwickelt man Routine an Bord, das Leben wird normal. Und meine Familie ist ja zwischendurch, wenn ich an Land war, auch zu Besuch gekommen.“ Und Laura hatte Glück: Seekrank wurde sie nicht, und auch sonst blieb sie von ernsthaften Erkrankungen verschont. Sogar an ihre Verpflegung hat sich Laura gewöhnt – Müsli mit Milchpulver und Wasser, Reis, Nudeln; Obst, Gemüse, Suppen und Fleisch gab es nur aus Konserven. „Obwohl ich oft Pasta gegessen habe, mag ich Spaghetti immer noch sehr gern.“ Sie findet ihre Reise gut, so wie sie war. „Aber beim nächsten Mal würde ich das Schiff noch besser und noch sorgfältiger ausrüsten.“

Mittlerweile lebt Laura in Neuseeland, wo sie am 20. September 1995 geboren wurde, in Whangarei, während einer Weltreise ihrer Eltern. Ihr Zuhause ist aber nach wie vor „Guppy“: „Ich würde sie nie verkaufen.“ Sie segelt immer noch viel, hat auf einer Tauchbasis gearbeitet. In absehbarer Zeit möchte sie ihr Kapitänspatent machen. Wenn sie in wenigen Tagen 18 Jahre alt wird, ist sie auch auf dem Papier erwachsen. „In Neuseeland fällt das nicht so auf“, sagt sie, „da darf man vieles schon mit 16 Jahren.“ Zum Beispiel fährt sie schon Auto. „Ich freue mich darauf, in Australien demnächst in einem Hostel übernachten zu können. Das geht da nämlich erst ab 18.“

Laura Dekker: „Ein Mädchen, ein Traum. Solo um die Welt". Verlag Delius Klasing, 19,90 Euro (erscheint Ende September)