Aufstieg und Fall eines Politikers: Im Prozess wegen Vorteilsnahme im Amt endet die Tragödie um Christian Wulff – vorerst.

Hannover/Hamburg. Ihm haben viele das Amt des Bundeskanzlers zugetraut. Smart, besonnen, ein junger Konservativer, der aus der Landespolitik wie bedeutende Kanzler vor ihm den Sprung auf die ganz große Bühne schafft.

Christian Wulff hat Zeit seines Lebens viel dafür getan, die Karriereleiter Schritt für Schritt zu gehen. Keine Intrigen, keine Skandale, schwiegermuttertauglich. Doch als er es an die Spitze des Staates geschafft hatte, begann sein Abstieg – rasant.

Jetzt wird Christian Wulff sogar wegen des Vorwurfs der Vorteilsnahme im Amt vor Gericht erscheinen müssen. Das ist noch keinem seiner Vorgänger widerfahren. Überhaupt ist so tief wie Wulff in Deutschland noch kein Staatsoberhaupt gefallen.

Und auch privat liegt einiges im Argen. Wulff war glücklich mit seiner zweiten Frau Bettina, das gemeinsame Kind wuchs im Schloss Bellevue auf. Staatsbesuche im Nahen und Fernen Osten, in den USA, viel Prunk, viel Glamour. Stolz zeigte er die Frau an seiner Seite, die erste First Lady mit Tattoo.

Mit 51 Jahren war der Katholik aus Osnabrück im Sommer 2010 der jüngste Bundespräsident in der deutschen Geschichte. Er folgte dem lethargisch wirkenden Horst Köhler, der hingeworfen hatte.

Auch wenn Wulff erst im dritten Wahlgang gewählt wurde, hat er sein Amt doch voller Elan angepackt. Die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte er ohnehin.

Nur 19 Monate nach seiner Wahl ist Wulff als erster Mann im Staate Geschichte. Gestolpert über eine mutmaßlich kleine Affäre, obwohl er sich sogar mit einem spektakulären Fernsehauftritt halten wollte. Peinlich wirkten die Anrufe bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann auf der Mailbox, peinlich das Gezerre um einen kleinen Vorteil hier, eine Begünstigung dort, die Wulff erhalten haben soll. Auch die Skandalierer kamen nicht gut aus der Affäre.

Wulff hatte sich von der befreundeten Unternehmergattin Edith Geerkens 500.000 Euro geliehen. Mit dem Geld kaufte Wulff ein Einfamilienhaus in Großburgwedel bei Hannover. Inzwischen sind die Wulffs getrennt, ist das Haus verkauft, gehen beide eigene Wege. An Wulffs Gesicht sind die Spuren der vergangenen zwei Jahre abzulesen. Mal wechselte er das Brillenmodel, nahm ab, nahm wieder zu.

Auch seine Noch-Gattin Bettina kam in die Schlagzeilen, weil sie sich erfolgreich gegen den Versuch wehrte, als ehemalige Bardame dargestellt zu werden.

Ob Wulff noch einmal ein Comeback gelingt, als politischer Repräsentant oder als Anwalt? „Mir fehlt der unbedingte Wille zur Macht und die Bereitschaft, dem alles unterzuordnen“, sagte er in seiner Zeit als Ministerpräsident in einem Interview.