Urteil im Prozess um den Tod des 20-jährigen Jonny K.: Der Haupttäter muss viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Onur U. hatte vehement bestritten, Jonny K. geschlagen zu haben. E

Berlin. Tina K. wirkte müde an diesem Tag der Urteilsverkündung. Vielleicht lag es an den Strapazen der letzten Wochen – sie saß an jedem Prozesstag im Verhandlungssaal und verfolgte das Geschehen. Vielleicht war es auch die für Außenstehende schwer zu verstehende Hoffnung, bei so einem Verfahren irgendetwas Neues zu erfahren, um vielleicht doch begreifen zu können, warum ihr Bruder Jonny K. im Oktober vergangenen Jahres sterben musste.

Diese Erkenntnis gab es nicht. Auch der Vorsitzende Richter Helmut Schweckendieck sprach bei seiner Urteilsbegründung – er verkündete Strafen zwischen viereinhalb Jahren und zwei Jahren und drei Monaten – von „einer Tat ohne jeden Anlass“. Alle sechs Angeklagten hätten bedenkenlos bei den „erheblichen Misshandlungen“ des verstorbenen Jonny K., aber auch des späteren Zeugen Gerhardt C. mitgewirkt. „Ich weiß, dass dieser Prozess Ihnen den Bruder, den Sohn, den besten Freund nicht wiederbringen kann“, sagte Schweckendieck. Das könne so ein Strafverfahren nicht leisten. „Aber ich hoffe sehr, dass wir alle gemeinsam zur Aufarbeitung des schrecklichen Geschehens beitragen konnten.“

Auch die von Schweckendieck geleitete Jugendkammer ging davon aus, dass der 19-jährige Onur U. bei dem Geschehen am 14. Oktober vergangenen Jahres auf dem Berliner Alexanderplatz der Haupttäter war. Der Richter schilderte noch einmal die Situation: Die Gruppe der Angeklagten wartete vor dem Club Cancun: unschlüssig, überdreht, alkoholisiert, vermutlich auch frustriert, weil es mit den Mädchen offenbar nicht wie erhofft geklappt hatte. Es sollen in dann auch Worte wie „Drecks-Club, gar nichts los, nur Typen, keine Mädchen“, gefallen sein.

Und dann kam die andere Gruppe: Gerhardt C. trug seinen total betrunkenen Freund Ngoc N. auf dem Rücken. Daneben lief Jonny K. Vor dem Eiscafé Lampe beschlossen sie, Ngoc N. auf einen Metallstuhl abzusetzen. Genau das beobachtete Onur U. „Und so kam es“, wie Schweckendieck sagte, „zu der verhängnisvollen Begegnung zwischen diesen beiden Gruppen“ und einem Handeln des Angeklagten Onur U. , das nur als „eine Mischung aus Dummheit, Arroganz, Unverschämtheit und Aggressivität“ gewertet werden könne.

Onur U. ging anschließend zu dem Stuhl und rüttelte an der Lehne. Angeblich um den Freunden zu zeigen, wie deutsche Mädchen tanzen. „Ich habe da etwas total Bescheuertes gemacht, was ich heute wirklich sehr bereue, weil es letztlich der Auslöser für alles war“, sagte er später vor Gericht. „Aber ich war angetrunken und habe mir nichts dabei gedacht.“

Gerhardt C. und Ngoc N. kamen wegen des Rüttelns am Stuhl aus dem Gleichgewicht. Jonny K. trat helfend hinzu. Das Gericht gehe davon aus, dass Jonny K. in diesem Moment „He, was soll das?“ rief und dem Angeklagten Onur U. vermutlich auch leicht gegen die Brust tippte“, sagte Schweckendieck. Und das Gericht sei ebenso überzeugt, dass Onur U. dem körperlich weit unterlegenen Jonny K. in diesem Moment „einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzte“.

Anschließend habe Onur U. auf Gerhardt C. eingeprügelt, auch als dieser schon am Boden lag. Gerhardt C. erlitt Knochenbrüche am Jochbein, am Augenbogen und an der linken Hand. Das Handgelenk kann er bis heute noch nicht richtig bewegen. Das linke Auge hat eine Sehschwäche. Aber am schlimmsten ist, dass er seinem Freund Jonny K. an diesem 14. Oktober nicht helfen konnte.

Onur U. hatte vehement bestritten, Jonny K. geschlagen zu haben. Er will ihn angeblich erst gesehen haben, als Jonny K. reglos „wie eine Puppe“ auf dem Boden lag. Das Gericht, so Schweckendieck, halte das „für eine Schutzbehauptung“ und verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Die anderen fünf Angeklagten wurden wegen Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei verurteilt. Es habe nicht geklärt werden können, wer genau etwas getan hatte. Sicher sei jedoch, dass der schon am Boden liegende Jonny K. noch mindestens dreimal getreten wurde, sagte Schweckendieck. Zugunsten der Angeklagten müsse bei den Urteilen davon ausgegangen werden, dass nicht die anderen es waren, die den Tod von Jonny K. verursachten.

Der Verteidiger des Haupttäters will jetzt in Revision gehen.