Heute eröffnet ein begehbares rosa Puppenhaus. Feministinnen beklagen Rückfall in alte Geschlechterklischees

Berlin. Traum in Rosé oder Hölle in Pink? Schon vor der Eröffnung ist klar: Am quietschrosa Barbie Dreamhouse, das an diesem Donnerstag am Berliner Alexanderplatz seine Türen öffnet, scheiden sich die Geister. Die begehbare Barbie-Welt hat offenbar tatsächlich das Zeug, zu dem vom Veranstalter propagierten „unvergesslichen Erlebnis“ zu werden. Die Frage ist nur, in welcher Hinsicht. Seit Wochen regt sich schon Unmut über die „Pinkifizierung“ – feministische Gruppen planen Protestaktionen.

Ein Springbrunnen in Form eines riesigen rosa Stöckelabsatzes prangt in der Lobby, die Einrichtung ist – ganz „Malibu-Style“ – in Rosa, Weiß und Gold gehalten. „Willkommen in der sonnigen Barbie-Welt“, grüßt eine Agenturmitarbeiterin in die Runde. Von Sonne oder Tageslicht jedoch keine Spur, die Fenster sind nur aufgemalt. Dafür ragt ein lächelnder Plastik-Pferdekopf ins Zimmer.

Themen-Barbies wie die Zahnärztin wurden vom Markt kaum angenommen

1100 Quadratmeter Verkaufs- und Aktionsfläche, 1400 Quadratmeter Barbie-Wohnung – so ist das Event-Konzept von Barbie-Anbieter Mattel und EMS Entertainment Germany. Sich einmal rundum wie eine Super-Barbie fühlen – in Blond natürlich –, das soll hier gelingen. Im Balkon-bewehrten Salon, im riesigen Bad, im Schlafzimmer und vor allem im fast Turnhallen-großen begehbaren Kleiderschrank stehen interaktive Monitore für das maßgeschneiderte Barbie-Erlebnis bereit. Ein personalisierter Chip im Eintrittsarmband macht es möglich. Gegen Aufpreis darf man auch in „echten“ Barbie-Outfits auf einen Laufsteg oder auf eine Pop-Star-Bühne: Topmodel-Parcours und DSDS in Rosé. Lässt man in der Küche den durch so viel Magenta, Violett und Pink erschlafften Blick aus dem virtuellen Fenster schweifen, erblickt man Ken, der in der Auffahrt den – rosa – Sportwagen wäscht.

Doch statt gespannter Erwartung ernteten die Macher bislang fast ausschließlich Kritik. „Hölle in Rosarot“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“, und der „Spiegel“ ätzte: „Barbie-Bildung in Berlin: Porno-Schaufeln für Deutschland“. Auf Facebook gründete sich die „Occupy Barbie-Dreamhouse“-Gruppe, die zu Demonstrationen aufruft. Stevie Schmiedel von der Initiative Pinkstinks sieht dann auch Rot bei so viel Rosa: „Rosa ist eine wunderbare Farbe. Aber diese Pinkifizierung in der Spielwarenwelt stinkt. Diese Farbe steht nur für niedlich und süß und für Äußerlichkeit.“ Die Hamburgerin, die mit ihrer Initiative auch schon gegen das rosa Überraschungsei „nur für Mädchen“ protestierte, sieht im Rosa-Boom bei Spielzeug und Kleidung einen krank machenden, einengenden Rückschritt. Was früh mit den rosa Imperien von Prinzessin Lillifee oder Barbie beginne, gehe für viele Mädchen gleich mit dem Topmodel-Wahn weiter. „Immer mehr Mädchen leiden darunter.“

Waren wir beim Verzicht auf „typisch“ Jungen- und Mädchen-spezifische Ausstattung nicht schon einmal weiter? „Selbstverständlich hat das Revival von Pink viel mit Geld zu tun“, sagt die Genderforscherin Dominique Grisard (Uni Basel/New York). „Ein übersättigter Kleider- und Spielzeugmarkt kann so doppelt so viel verkaufen. Denn kein Mädchen kann seinem jüngeren Bruder ein rosa Tutu oder ein pinkes Barbieschloss weitervererben.“

Die Erziehungswissenschaftlerin Bettina Hannover (FU Berlin) ergänzt: „Kinder erkennen diese Geschlechterstereotypen bereits in einem Alter, in dem sie selbst noch gar nicht wissen, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sind.“ Mit zwei Jahren könnten sie aber schon sagen: Damit spielt ein Junge, damit spielt ein Mädchen. Im Vorschul- und frühen Grundschulalter erforsche ein Kind dann sein soziales Geschlecht. Es probiere sich aus – auch mit Barbie und Darth Vader, aber bestenfalls nicht nur mit ihnen. „Es ist wichtig, dass das Kind ein breites Verhaltensspektrum kennenlernt. So erlebt es, dass es zwischen Schwarz und Weiß auch noch viele Grautöne gibt“, sagt Hannover.

Die Barbie-Puppe zählt zu den bekanntesten Spielzeugpuppen der Welt. 1959 wurde die erste in New York präsentiert – von der Firma Mattel, die 1945 mit Bilderrahmen, Modeschmuck und Puppenspielzeug gestartet war. Inzwischen gibt es Mode, Filme – Dreamhouses. Die ursprüngliche Idee, mit Barbie ein neues Rollenmodell für Mädchen – weg von der reinen Mutter zur körper- und modebewussten Frau – zu schaffen, stieß von Beginn an auf Kritik. Aussehen und Proportionen seien irreal. Mattel reagierte, entwickelte Puppen wie die „Happy to be me“ mit realistischeren Proportionen und Themenbarbies wie die Zahnärztin 1973. Die Formveränderungen wurden von den Konsumenten kaum honoriert, Versuche in diese Richtung nach ein paar Jahren eingestellt. Auch die Aufgaben einer Barbie blieben trotz der Berufe auf Schminken, Shoppen, Staubsaugen beschränkt.

„Die kleinen Mädchen werden von Anfang auf darauf getrimmt, wie wichtig es ist, hauptsächlich hübsch zu sein“, sagt Klara Martens von der feministischen Organisation Femen. Und: „Spielzeugläden sind mit die sexistischsten auf der Welt.“